KommunalAkademie

"Politik ist für mich Leidenschaft und Hobby zugleich." Hussien Khedr will Menschen mit Migrationsgeschichte für Kommunalpolitk begeistern.

Hussien Khedr engagiert sich in Hiddenhausen im Gemeinderat und Integrationsrat. Der gebürtige Ägypter sprach mit der FES über seine Erfahrungen als Migrant im politischen Engagement.

Porträt von Hussien Khedr

Bild: Hussien_Khedr von privat

Hussien Khedr wurde 1986 in Ägypten geboren. Seit 2011 lebt er in Hiddenhausen, dem Heimatort seiner Frau und ihrem gemeinsamen Sohn. Der Fachinformatiker und Jurist berät hauptberuflich geflüchtete Menschen beim Deutsche Rote Kreuz. Politisch aktiv ist er als Mitglied im Gemeinderat und als Vorsitzender des Integrationsrats der Gemeinde Hiddenhausen. Von der lokalen bis zur bundespolitischen Ebene setzt er sich z.B. in der AG Migration und Vielfalt der SPD dafür ein, dass die Stimmen von Menschen mit Migrationshintergrund in der Politik gehört werden.

Am 14. und 15. Juni  lädt die KommunalAkademie ein zu einem Seminar: "Kommunalpolitik stark und divers - Vernetzungsseminar für Engagierte mit Migrationsgeschichte". Hussien Khedr, Ratsmitglied und Ali Doğan, Landrat Kreis Minden-Lübbeke stehen als Gesprächsgäste für den Austausch im Seminar zur Verfügung. Wir bitten um Anmeldung für die letzten freien Plätze.

Warum sich Hussien Khedr kommunalpolitisch engagiert, hat er der FES KommunalAkademie im Mai 2024 berichtet:

FES:  Hussien, wie lange bist du schon kommunalpolitisch aktiv?

Hussien Khedr: Seit 2014 bin ich in der kommunalpolitischen Szene von Hiddenhausen aktiv. Das war das Jahr, in dem ich mich entschieden habe, mich für die SPD und die Belange der Gemeinschaft einzusetzen. Aber davor war ich natürlich auch in Ägypten seit meiner Schul- und Universitätszeit politisch aktiv gewesen. Man kann sagen, Politik ist für mich Leidenschaft und Hobby zugleich

Was war der Grund für deinen Entschluss, für ein Mandat zu kandidieren? 

Am Anfang hatte ich Schwierigkeiten, in Deutschland anzukommen, angefangen bei der Sprache, den Sprachkursen, der Anerkennung meiner Abschlüsse, Arbeit zu finden oder auch dem Umgang der Behörden mit mir. Ich wollte, dass diejenigen, die nach Hiddenhausen kommen, niemals ähnliche Erfahrung machen müssen. Ich habe mir gewünscht, dass sie es einfacher im Leben haben, dass sie schnell integriert werden und ein produktiver Teil dieser Gemeinde werden können. Aber mein Hauptantrieb für eine politische Kandidatur war der Wunsch, meiner neuen Heimat etwas von der Unterstützung zurückzugeben, die ich selbst erfahren hatte. Und ich wollte sicherstellen, dass auch die Stimmen von Menschen mit Migrationshintergrund Gehör finden und wir so gemeinsam unsere Gemeinde gestalten.

Was hat Dich am meisten an der Ratsarbeit überrascht oder ist dir aufgefallen?

Mich hat die Offenheit und Bereitschaft der anderen Ratsmitglieder überrascht, neue Ideen zu diskutieren und umzusetzen, besonders als es um die Einrichtung des Integrationsrats ging. Das hat mir gezeigt, dass Engagement und Hartnäckigkeit wirklich Veränderungen bewirken können. Aber gleichzeitig muss ich auch sagen, dass es nicht immer einfach war: Ich musste zuerst kämpfen und Überzeugungsarbeit leisten, aber am Ende hat sich alles gelohnt. Menschen ohne deutschen Pass in Hiddenhausen dürfen jetzt ihre Vertretung im Integrationsrat wählen. Das ist ein echter Teil der deutschen Teilhabe. Aber was am meisten Spaß macht, ist, dass man quasi Politik mit den Nachbarinnen und Nachbarn macht, direkt mit den Menschen, weil es um den Ort geht, wo wir leben. Man erlebt mit den Nachbarn gemeinsam wie die eigenen Ideen gestaltet und umgesetzt werden.

Welche Herausforderungen sind dir aufgrund deines Migrationshintergrunds begegnet?

Eine der größten Herausforderungen war es, Vorurteile und Skepsis zu überwinden. Es war nicht immer leicht, als Person mit Migrationshintergrund in der Kommunalpolitik akzeptiert zu werden. Doch durch Beharrlichkeit und den Willen, Brücken zu bauen, konnte ich diese Barrieren überwinden. Ich habe selbst Diskriminierung erlebt, manchmal bewusst und manchmal unbewusst. Meine Kultur, meine Religion – das war alles neu für die Menschen, mit denen ich zu tun hatte, aber mit der Zeit konnten viele ihre Bedenken abbauen. Es gab Vorurteile, die mich verletzt haben. Mein Eindruck war, dass insbesondere ältere Menschen in der Politik, häufig mit Aussagen, wie „Wir machen das seit 20 Jahren so!“ argumentieren. Sie wollten am Anfang keine Veränderung. Aber das erleben vielleicht auch andere, die neu in die Kommunalpolitik einsteigen.

Mit der Zeit kann ich sagen, dass wir zwei Sachen trennen müssen: einmal Diskriminierung und einmal Ängste und Bedenken. Es gab Menschen, die mich diskriminierten, sie waren von Grund auf ausländerfeindlich. Es gab aber auch Menschen, die ein bisschen ängstlich waren, und das war auch berechtigt.  Ich überlege gerade, wenn in Kairo auf einmal eine deutsche Gruppe käme und sagte, „Wir wollen einen Integrationsrat in Kairo gründen.“ Wie würden die Menschen in Kairo wohl reagieren? Die hätten dort wahrscheinlich auch Bedenken.

Was ist Dein Tipp für andere Aktive im Rat mit Migrationshintergrund und wovon würdest Du abraten?

Mein Tipp ist: Bleibt euch selbst treu und seid mutig in eurem Engagement. Es ist wichtig, dass ihr eure Perspektiven und Erfahrungen einbringt. Ich rate davon ab, sich von Rückschlägen entmutigen zu lassen. Glaubt an eure Ziele und arbeitet hart daran, sie zu erreichen. Und ich empfehle euch ein Zitat, das mich immer in meinem politischen Leben begleitet und gestärkt hat: „Wer in die Politik geht, weil er oder sie für etwas steht, für etwas wirken will, beginnt nicht eine Karriere wie jede andere. Wer geballte Feindschaft, zynische Verleumdungen nicht erträgt, taugt nicht für die Politik. Wer die heute üblichen subtileren Methoden, einen Menschen zumindest politisch zu töten, nur für abstoßend und unzumutbar hält, sollte sich ihnen nicht aussetzen. Auch in der Politik wird die Luft immer dünner, je höher man steigt. Wer dies nicht aushält, darf nicht steigen wollen. Politik ist nicht nur Kampf. Aber sie ist immer auch Kampf.“ Erhard Eppler hat das gesagt.

Was würdest Du gerne von anderen Kommunalpolitiker*innen mit Migrationshintergrund lernen?

Ich bin sehr interessiert daran, von den Erfahrungen anderer zu lernen, insbesondere, wie andere es schaffen, ihre Gemeinschaften zu mobilisieren und positive Veränderungen zu bewirken. Jede Erfolgsgeschichte inspiriert und zeigt neue Wege auf, wie wir unsere Arbeit noch effektiver gestalten können. Und sagen wir es mal so: Gute Ideen und Methoden lassen sich gut kopieren, wir müssen das Rad nicht neu erfinden, sondern können voneinander lernen und schauen, was wir auch von Erfahrungen anderer mitnehmen können.

 


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