Konstruktiver oder lösungsorientierter Journalismus ist nach dem gängigen Selbstverständnis in diesem speziellen Segment weder Heldenverehrung noch Helfersyndrom. Er ist eher ein „Vermittler“ oder ein „Wegweiser“ – Journalismus eben. Das Publizieren konstruktiver Geschichten ist grundsätzlich Bestandteil journalistischer Prinzipien. Bei den Befragten bestand der Wunsch, bestehende Aktivitäten in Deutschland zu bündeln und zu konsolidieren. Gerade unter dem Eindruck der Corona-Pandemie wird von den Nachrichten nun zunehmend gefordert, sich nicht mit Problemanalyse und Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen aufzuhalten, sondern den Blick nach vorn zu richten. Es muss darum gehen, politische, virologische, kulturelle und wirtschaftliche Risiken abzuwägen, wie es mit unserer Gesellschaft weitergehen kann.
Was dies speziell für den Journalismus bedeutet, liegt auf der Hand: Für unsere Gesellschaft, die mehr denn je nur als soziale Gemeinschaft funktionieren kann, wenn sie die aktuellen globalen Risiken minimieren will, geht es vor allem um die Balance zwischen Risiko, Engagement und Innovation. Der Journalismus übernimmt eine systemisch wichtige Schnittstellenfunktion, indem er genau über diese weltweiten Bestrebungen, Engagements und Innovationen berichtet – sicher mit kritischer Distanz, aber vorbildlich, voraussetzungsvoll und respektvoll.
Es mag ein wenig hart klingen, aber: Eine digitale Blütezeit des Journalismus ist noch in weiter Ferne, so lange sich journalistische Praxis nicht aus sich selbst heraus finanziell tragen lässt. Nachrichtenangebote, insbesondere in Zeiten von Corona, scheinen der Öffentlichkeit nicht gut zu dienen, wenn sie weiterhin Dinge verflachen, verkürzen oder extrapolieren. Stattdessen sollten Journalist*innen den Mut und die Sensibilität haben, mehr zu differenzieren, Kontexte zu liefern, die Komplexität zu erhöhen oder, wie es die Bestsellerautorin Amanda Ripley in der „New York Times“ formuliert hat: „die Erzählungen zu komplizieren“ – da die Realität oft weitaus komplexer ist, als sie die Nachrichten auf den ersten Blick erscheinen lassen.
Konstruktive und lösungsorientierte Ansätze, wie sie in Deutschland von rein digitalen Medien wie „Krautreporter“ oder „Perspective Daily“, aber auch dem NDR, der Deutschen Welle oder der „Sächsischen Zeitung“ konsequent praktiziert werden, werden daher irgendwann als Blaupause für die Medien der Zukunft dienen können. Einig sind sich diese Best Practices in ihrem Ziel, die Erzählungen auf mehreren Plattformen zu komplizieren, um mehr Fairness und ein besseres Urteilsvermögen durch Berichterstattung zu ermöglichen. Die Auseinandersetzung mit polarisierenden Themen ist – so glauben wir – genau das, was der Journalismus in Zeiten wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Turbulenzen braucht.
Wir schlagen jedoch vor, sich auf das ganzheitliche Konzept eines resilienten Journalismus zu konzentrieren, der sich nicht nur um das Wohlergehen und die Vielfalt einer Gemeinschaft kümmert, sondern auch die volle Verantwortung übernimmt, indem er ganz neue Perspektiven auf die Gesellschaft erhellt und darüber hinaus reelle Lösungen für unsere Gemeinschaften und die Gesellschaft als Ganzes thematisiert. Der Begriff „Resilient Journalism“, wie wir ihn verstehen, umfasst sowohl Konstruktivität als auch Lösungsorientierung im Journalismus, verbunden mit den klassischen journalistischen Grundwerten, indem alternative Wege zwischen Tradition und Digitalisierung ausbalanciert werden. Wir erleben derzeit eine historische Dynamik starker Ambivalenzen in der Gesellschaft, in der konstruktive Gespräche und die aktive Beteiligung der Öffentlichkeit zentral sein können, um Visionen für ein konstruktives gesellschaftliches Miteinander zu gestalten. Trotz, oder gerade wegen der Corona-Krise.
Die Studie „Nachrichten mit Perspektive. Lösungsorientierter und konstruktiver Journalismus in Deutschland“ ist frei auf der Website der Otto-Brenner-Stiftung abrufbar:
https://www.otto-brenner-stiftung.de/wissenschaftsportal/informationsseiten-zu-studien/nachrichten-mit-perspektive/