Eine sozial gerechte Energietransformation für den Globalen Norden und Süden: Wie kann das gelingen?

Bericht aus unserem Workshop beim People's Climate Summit im Rahmen des Klimagipfels COP 23.

Bild: Maureen Sigauke präsentiert beim FES Workshop im Rahmen des People’s Climate Summit 2017 von Arthur Wyns (Climate Tracker)

Die globale Erwärmung unter einem Durchschnitt von 1,5 °C bis 2 °C zu halten ist für alle Länder der Welt eine große Herausforderung. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der Energiesektor einen grundlegenden Umwandlungsprozess mit dem Schwerpunkt soziale Gerechtigkeit durchlaufen. Eine gerechte Energiewende ist nicht nur von entscheidender Bedeutung, sondern gleichzeitig auch eine große Herausforderung. Die Herausforderungen und Aussichten, die mit einem solchen Transformationsprozess einhergehen, sind dabei für Entwicklungs- und Industrieländer nicht notwendigerweise dieselben.  Welche Optionen für eine gerechte Energietransformation stehen uns zur Verfügung? Wie können wir von Best-Practice-Beispielen für eine gerechte Energietransformation im Globalen Norden und Süden lernen?

Ziel einer von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und Brot für die Welt (BfdW) durchgeführten Studie war es, genau zu definieren, was „Gerechtigkeit“ im Kontext einer sozial verträglichen Energietranformation bedeutet. Ein weiteres Ziel bestand darin, zwölf Entwicklungsländer hinsichtlich ihres Potenzials für eine gerechte Energietransformation zu bewerten und mögliche Ansatzpunkte für einen solchen Prozess in ihren nationalen Energie- und Klimapolitiken zu identifizieren.  Am 7. November 2017 fand im Rahmen des „People’s Climate Summit“ in Bonn ein Workshop statt, bei dem die Organisator_innen der Studie, Experten und eine Gruppe von Umweltakteur_innen und – aktivist_innen darüber diskutierten, wie eine gerechte Energietransformation gewährleistet werden kann.

Vom Pariser Abkommen zur Umsetzung einer gerechten Energietransformation

Samantha Smith, Direktorin des Just Transition Center unterstrich, wie wichtig es sei, bei Diskussionen zum Übergang zu erneuerbaren Energien die Situation der regionalen Kommunen und der betroffenen Menschen vor Ort zu berücksichtigen. Sie fügte hinzu, dass die Energiewende mit einer generellen Weiterentwicklung der Regionen einhergehen müsse, damit für alle an diesem Prozess Beteiligten eine nachhaltige Existenzgrundlage sichergestellt sei. Raju Chetri, Autor des Beitrags zu Nepal in der oben genannten Studie, wies darauf hin, dass eine Energiewende für sein Land, das von anderen Ländern (China [Tibet] im Norden, Indien im Süden) umgeben sei, eine große Herausforderung darstelle. Für Nepal als aufstrebendes Land müsse eine gerechte Energietransformation mit einer generell guten Entwicklung einhergehen, die – parallel zur Abkehr von fossilen Brennstoffen – bis 2030 eine stabile soziale Infrastruktur sowie ein generell stabiles Sozialsystem gewährleiste. Für Nepal bedeute eine gerechte Energietransformation auch eine Reduzierung der Abhängigkeit von importierter Energie, die auf der Grundlage von fossilen Brennstoffen gewonnen wurde. Wie aber kann eine solche Politik umgesetzt werden, wenn Projekte zum Bau von Staudämmen und Photovoltaikmodulen in Nepal momentan an einer fehlenden Finanzierung scheitern – obwohl das Land über ein umfangreiches Flusssystem und eine durchschnittliche tägliche Sonneneinstrahlung von acht Stunden verfügt?

Acht Prinzipien für den Weg zu einer gerechten Energietransformation

Thomas Hirsch, Geschäftsführer von Climat & Development Advice,  stellte als Ergebnis der Studie acht Prinzipien aus insgesamt drei verschiedenen Bereichen vor, die bei der Definition der Energiewende mitberücksichtigt werden müssten.

Zuerst sei dies die Dimension der „Klimagerechtigkeit“, also erstens die Feststellung der Notwendigkeit einer Energietransformation durch die Erfüllung national festgelegter Klimaschutzbeiträge, zweitens die Umsetzung von nachhaltigen Entwicklungsstrategien zur Erreichung des Nullemissionsziels bis 2050 und drittens die Erkenntnis, dass die Ziele für nachhaltige Entwicklung und die Energietransformation untrennbar zusammenhängen.

Hinzu kommt eine zweite Dimension, bei der der Studie zufolge die folgenden, für eine gerechte Energiewende relevanten sozioökonomischen Aspekte berücksichtigt werden müssen, wie viertens die Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze und annehmbarer Arbeitsbedingungen, fünftens die Sicherstellung sozialer Gerechtigkeit und sechstens die Gleichstellung der Geschlechter.

Schließlich beinhaltet die politische Dimension das Engagement aller Akteure, d. h. siebtens eine verantwortungsbewusste Regierungsführung und achtens den Schutz der Menschenrechte.

Costa Rica: Ein Beispiel für eine gelungene gerechte Energietransformation

Von den zwölf in der Studie gemäß den acht Prinzipien einer gerechten Energietransformation untersuchten Ländern ging Costa Rica als gutes Beispiel hervor.

Als zentralamerikanisches Land mit einem mittleren Durchschnittseinkommen gelingt es Costa Rica einerseits, eine nachhaltige Entwicklung und die Einhaltung der national festgelegten Klimaschutzbeiträge zur Reduzierung seiner CO2-Emissionen aufeinander abzustimmen, und andererseits klimapolitische Maßnahmen mit einer guten Regierungsführung und dem Schutz der Menschenrechte in Einklang zu bringen.

Auch die Fidschi-Inseln und Marokko wurden bei der Studie als positive Beispiele für einen ausgewogenen Übergang zu alternativen Energien genannt. Darüber hinaus konnte sich Mexiko als Modell für eine gelungene Kombination einer nachhaltigen Entwicklungspolitik und der Erfüllung seiner national festgelegten Klimaschutzbeiträge positionieren.

Andere in der Studie berücksichtigte Länder wie Nepal, China, Jamaika, die Philippinen, Indien, Vietnam und Südafrika dagegen müssen ein deutlich größeres Engagement aufweisen, um eine gerechte Energietransformation zu gewährleisten.

Fünf Empfehlungen für eine sozial gerechte Energietransformation

Das Konzept einer sozial gerechten Energietransformation muss bei den Entwicklungsstrategien für die einzelnen Sektoren berücksichtigt werden. Sicherzustellen, dass eine nachhaltige Entwicklung in einer bestimmten Region in allen Sektoren stattfindet, ist die erste der fünf Empfehlungen der Studie.  Zweitens empfiehlt die Studie, dass bei den nationalen Beiträgen sozial gerechte Übergangsstrategien integriert werden sollen, wobei die institutionelle Rolle von politischen Maßnahmen und Programmen genau definiert werden muss.

Sicherzustellen, dass eine gerechte Energietransformation ein fester Bestand des sozialen Dialogs ist, ist die dritte Empfehlung der Studie.

Die vierte Empfehlung lautet, Akteure aus allen Bereichen bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen einzubinden, um ihr Engagement für den Übergangsprozess zu gewinnen und Transparenz zu schaffen.

Schließlich müssen die Anerkennung der Menschenrechte und die Gleichstellung von Mann und Frau Bestandteile der nationalen Klimastrategie, der Klimaschutzbeträge und langfristigen Entwicklungsstrategien des jeweiligen Landes werden.

Neben der Vorstellung der Ergebnisse der Studie bot der Workshop den Teilnehmern auch die Möglichkeit, mit Experten aus dem Globalen Norden und Süden zu diskutieren. Im Rahmen eines World-Café-Formats konnten die Teilnehmer_innen mit dem Vertreter eines chinesischen Forschungsinstituts über China, mit einem Vertreter des DGB über die Lage in Deutschland und mit einem Vertreter aus Nepal,über die Situation in seinem Land sprechen.

Die zentrale Frage dabei war, wie eine gerechte Energietransformation in den jeweiligen nationalen Kontexten der Länder umgesetzt werden kann. Die Diskussion zwischen den Teilnehmern und Ländervertretern verlief sehr wirkungsvoll. Insgesamt nahmen 65-70 Personen an dem Workshop teil – ein großer Erfolg. Durch die Analyse einzelner Länder bzw. der Stadien der Energietransformation, in denen sie sich befinden, und die Definition von best practices und Leitprinzipien erweist sich die von FES und BfdW durchgeführte Studie als unverzichtbaresToolkit für den Übergang in eine umweltfreundliche und gerechtere Gesellschaft.

 

Bilder: Arthus Wjns, Climate Tracker
Ins Deutsche übersetzt durch TL TRANSLATIONES

In diesem Jahr arbeiten wir mit Climate Tracker zusammen und unterstützen die jungen Journalist_innen Alo Lemou aus Togo und Alanah Torralba aus den Philippinen dabei, an deren Programm teilzunehmen. Sie werden von Climate Tracker weitergebildet, berichten für uns über die COP23 und sind auch bei Veranstaltungen der Friedrich-Ebert-Stiftung dabei.


Ansprechpartner

Manuela Mattheß
Manuela Mattheß
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