Diese Webseite verwendet Cookies
Diese Cookies sind notwendig
Daten zur Verbesserung der Webseite durch Tracking (Matomo).
Das sind Cookies die von externen Seiten und Diensten kommen z.B. von Youtube oder Vimeo.
Geben Sie hier Ihren Nutzernamen oder Ihre E-Mail-Adresse sowie Ihr Passwort ein, um sich auf der Website anzumelden.
Der Sozialdemokrat Otto Hörsing gründete 1924 das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, das sich binnen kurzer Zeit zur größten der SPD nahestehenden Massenorganisation entwickelte. Dennoch ist Hörsing heute weitgehend vergessen – warum?
Bild: von AdsD | 6/FOTA130042 Gruppenaufnahme mit Otto Hörsing (Bundesführer Reichsbanner), Reichsinnenminister Carl Severing und Wilhelm Dittmann (Mitglied SPD-Parteivorstand); Reichsbannertag in Frankfurt/M., August 1930; Rechte: AdsD [6/FOTA130042].
Bild: von AdsD | 6/FOTA016122 Otto Hörsing bei einer Kundgebung des Reichsbanner am Rednerpult, ca. 1930; Rechte: AdsD [6/FOTA016122].
Vom Kesselschmied zum Gewerkschaftsfunktionär
Otto Hörsing (1874-1937) war seit seinem 22. Lebensjahr Mitglied der SPD. Wie viele führende Sozialdemokraten der Weimarer Republik war Hörsing vor 1918 als Gewerkschafts- und Parteifunktionär in der sozialistischen Arbeiterbewegung tätig. Als Sohn eines Kutschers 1874 in einem ostpreußischen Gutsbezirk geboren, erlernte er das Schmiedehandwerk. Die Wanderschaft als Geselle führte ihn durch ganz Deutschland und mehrere andere Länder. Seit 1900 war er als Kesselschmied auf einer Werft in Kiel tätig.
Hörsing wurde gezwungenermaßen Funktionär. Nach dem Eintritt in den freigewerkschaftlichen Deutschen Metallarbeiter-Verband (DMV) setzte ihn der regionale Arbeitgeberverband der Metallindustrie 1904 auf eine schwarze Liste. Hörsing musste seinen erlernten Beruf aufgeben und schlug sich zwei Jahre lang mit verschiedenen Tätigkeiten durch. Im Jahr 1906 wurde er als hauptamtlicher Geschäftsführer des DMV für Oberschlesien nach Beuthen berufen.
Kampf gegen polnische Separatisten und Radikale
Nach der Rückkehr aus dem Kriegsdienst wurde Hörsing Ende 1918 zum Vorsitzenden des Soldatenrats in Kattowitz gewählt, Anfang Januar 1919 zum Vorsitzenden des Zentral-Arbeiter und Soldatenrats für Oberschlesien. In dieser Funktion arbeitete er eng mit dem Stab des zuständigen Generalkommandos der Armee zusammen und machte sich als Vertreter einer harten Linie gegen die aufflammenden Streikbewegungen einen Namen. Der „Lohn“ dafür war die Berufung zum preußischen Staatskommissar für Oberschlesien, im Juni 1919 zum Reichskommissar für dasselbe Gebiet. Damit war Hörsing der ranghöchste Vertreter des Reiches in dieser Region. Er verfolgte eine Politik der harten Hand, versuchte Streiks und Unruhen der Arbeiter:innenschaft niederzuschlagen und ging gegen nationalpolnische Gruppen vor, die auf eine Abtrennung Oberschlesiens vom Reich zielten.
Nach Konflikten mit der Zentrumspartei in Oberschlesien trat Hörsing im Dezember 1919 als Reichskommissar zurück. Doch bereits im Februar 1920 wurde er zum Oberpräsidenten der preußischen Provinz Sachsen berufen. Auch dort blieb er seiner Linie treu, mit Härte gegen Organisationen sowohl der extremen Rechten als auch der radikalen Linken vorzugehen. Die preußische Provinz Sachsen war ein Tummelplatz für republikfeindliche Gruppen. In Magdeburg – dem Dienstort von Hörsing – war auch die Geschäftsstelle des rechtsradikalen Wehrverbandes „Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten“ angesiedelt. Bereits seit 1922 baute Hörsing deshalb die Republikanische Notwehr auf, einen auf Magdeburg begrenzten Republikschutzverband.
Die Gründung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold
Mit der Gründung des „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Bund republikanischer Kriegsteilnehmer“ im Februar 1924 setzte Hörsing dieses Konzept reichsweit um. Das Reichsbanner war formell überparteilich, von SPD, linksliberaler DDP und Zentrum getragen. Aber 90 Prozent der Mitglieder waren Sozialdemokraten, und die Berufung von Hörsing zum Bundesvorsitzenden war nur ein Beispiel dafür, dass die Führung des Verbandes überwiegend in den Händen von Funktionären und Politikern der SPD lag.
Das Reichsbanner war eine in der Weimarer Republik beispiellose Erfolgsgeschichte, es zählte bald rund eine Millionen Mitglieder in tausenden von Ortsgruppen. Bei den jährlichen Verfassungsfeiern am 11. August und bei vielen anderen Gelegenheiten legten seine Mitglieder ein feierliches Bekenntnis zur republikanischen Staatsform und zur parlamentarischen Demokratie ab. Doch die SPD-Spitze beobachtete das Reichsbanner mit einigem Argwohn, da es nicht direkt der Kontrolle der Partei unterstand. Zudem war Hörsing für seine ungeschliffenen Umgangsformen und sein schroffes Auftreten bekannt. Harry Graf Kessler, in seinen Tagebüchern ein wichtiger Chronist der Zeit, hat ihn als „grober Klotz mit Humor und derber Faust“ charakterisiert.
Konflikte mit der SPD-Spitze 1930 bis 1932
Die Spannungen eskalierten zum Konflikt, als Hörsing seit 1930 ein staatsfinanziertes Arbeitsbeschaffungsprogramm zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit forderte. Als er 1931 diesen Vorschlag den Vorständen von ADGB – dem Dachverband der Freien Gewerkschaften – und SPD vorlegte, lehnten diese seine Ideen rundherum ab. Der Konflikt führte dazu, dass der SPD-Parteivorstand darauf drängte, Hörsing durch seinen Stellvertreter im Reichsbanner, Karl Höltermann, zu ersetzen. Am 2. Juli 1932 legte Hörsing den Bundesvorsitz des Reichsbanners formell nieder. Als er Anfang Juli 1932 die Sozialrepublikanische Partei Deutschlands gründete, schlossen sowohl die SPD als auch das Reichsbanner Hörsing umgehend aus. Mit dieser Parteigründung wollte Hörsing eine politische Plattform für seine Vorschläge zur Arbeitsbeschaffung aufbauen. Zugleich wollte er eine neue Organisation für engagierte Republikaner schaffen, nachdem sich das Reichsbanner mit der Gründung der Eisernen Front im Dezember 1931 noch enger als zuvor an die SPD angelehnt hatte.
Bei der Reichstagswahl im November 1932 erhielt Hörsings Partei nur 60.000 Stimmen. Im Vorfeld der Reichstagswahl am 5. März 1933 rief Hörsing deshalb zur Wahl der katholischen Zentrumspartei auf und schlug vor, diese solle mit der NSDAP koalieren. Im Juli 1933 wurde Hörsing formell aus dem Staatsdienst entlassen, seine Ruhegehaltsbezüge stark gekürzt. Er unterhielt auch nach 1933 weiter Kontakt zu früheren Sozialdemokraten. Aber sein unrühmlicher Ausschluss aus der SPD im Jahr 1932 ist ein wichtiger Faktor dafür, dass Hörsing heute keine zentrale Rolle in der sozialdemokratischen Erinnerungskultur spielt, obwohl er der Tätigkeit für die Partei und die mit ihr verbundenen Freien Gewerkschaften fast vier Jahrzehnte seines Lebens gewidmet hat.
Benjamin Ziemann (University of Sheffield)
Weiterführende Literatur und Quellen:
In der Bibliothek des AdsD kann die 1925 von Otto Hörsing über das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold veröffentlichte Broschüre online eingesehen werden.
Benjamin Ziemann berichtet in diesem Video über die Geschichte des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und ein Brettspiel namens "Historia - Gesellschaftsspiel", das im Jahr 1928 von zwei arbeitslosen Mitgliedern des Reichsbanner erschaffen wurde.
Die bis zu drei Millionen Mitglieder des Reichsbanners verband das Ziel die Weimarer Republik gegen ihre monarchistischen, kommunistischen und nationalistischen Feinde zu verteidigen und das demokratische Erbe der Revolution von 1848 zu erhalten.
Sie wollen über unsere Beiträge auf dem Laufenden bleiben? Dann folgen Sie uns einfach auf Bluesky oder Mastodon oder schreiben uns eine Mail an public.history(at)fes.de, um sich für unseren Newsletter anzumelden.
Ansprechpartner für den Blog Feshistory ist PD Dr. Stefan Müller (Stefan.Mueller(at)fes.de0228 883-8068).
Im Rahmen der Ausbildung zur Fachangestellten für Medien und Informationsdienste, Fachrichtung Archiv (FaMI), empfiehlt es sich, auch in andere Fachrichtungen hineinzuschauen. Unsere Auszubildende Nike Pfaue absolvierte ein Auslandspraktikum beim Internationalen Institut für Sozialgeschichte (IISG) in Amsterdam.
Im Rahmen seines bibliothekarischen Provenienzforschungsprojekts veranstaltete das Archiv der sozialen Demokratie am 15. und 16. Oktober 2025 eine Fachtagung zum Thema „Provenienzforschung und Arbeiterbewegungsgeschichte“. Genese und Zielsetzung der Tagung werden an dieser Stelle reflektiert.
Dieser Beitrag ist die Fortsetzung einer Artikelserie über die ukrainische Revolution 1917-1921 („Das fortschrittliche Erbe der Ukrainischen Volksrepublik”) und befasst sich mit der Entwicklung in der Westukraine.