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PD Dr. Stefan Müller
0228 883-8068
Stefan.Mueller(at)fes.de
Abteilung
Archiv der sozialen Demokratie
Vor 30 Jahren wurde das AdsD durch die Übergabe der Archiv- und Bibliotheksbestände des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu einem der größten und bedeutendsten gewerkschaftlichen Archive.
Bereits zwei Wochen nach der Gründung des DGB stellte der Geschäftsführende Bundesvorstand am 31. Oktober 1949 fest, dass der Aufbau eines Hausarchivs und einer Bibliothek notwendig sei. Den Grundstock für das wenig später gegründete Archiv bildeten das Material des DGB der britischen Zone und von Gewerkschafter:innen gespendete Fotos und Plakate, während die DGB-Bibliothek zunächst vor allem aus über 60.000 Büchern und Zeitschriften, die den Gewerkschaften von den Nationalsozialisten geraubt und von den US-Amerikanern zurückgegeben wurden, bestand. Wie provisorisch das Archiv in der frühen Bundesrepublik war, kann man daran erkennen, dass historisch relevante Akten verloren gingen – das lag unter anderen an Platzmangel, aber auch an fehlenden archivarischen Kenntnissen.
1960 erkannte insbesondere der Verantwortliche für Archiv und Bibliothek im DGB-Bundesvorstand Werner Hansen diese Fehler und sorgte für eine Professionalisierung der Archiv- und Bibliotheksarbeit, etwa durch die Einstellung von Fachpersonal. Es kam zu einem Aufschwung in der Akquise, wodurch wichtige Nachlässe – etwa der Nachlass des hessischen Kommunalpolitikers Heinrich Fahrenbrachs samt Briefwechsel mit dem christlichen Gewerkschafter und Widerstandskämpfer Jakob Kaiser bis 1943 sowie der Nachlass des langjährigen Vorsitzenden des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes Theodor Leiparts - und Bestände aus DGB-Landesbezirken übernommen werden konnten.
Als Planungen zur Einrichtung des Archivs der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung Gestalt annahmen, argumentierte Hansen, auch aufgrund der Rolle des DGB als Einheitsgewerkschaft, gegen die Abgabe gewerkschaftlicher Bestände in das Archiv einer parteinahen Stiftung. Der Bundesvorstand folgte Hansen und beschloss am 2. April 1968, dass „die Eigenständigkeit und der selbstständige Aufbau des DGB-Archivs für erforderlich gehalten und fortgesetzt“ wird.
Schon mit dem Namen Archiv der sozialen Demokratie und nicht etwa Archiv der Sozialdemokratie intendierten die maßgeblich an der Gründung des Archivs beteiligten Alfred Nau und Willy Brandt hingegen die Schaffung eines Archivs für die gesamte Arbeiterbewegung. So beschrieb Nau das Sammlungsgebiet des Archivs bei der Eröffnung 1969: „Dazu gehört nicht nur die Entwicklung und Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, sondern auch die Entwicklung und Geschichte der Gewerkschaften und auch der sozialen Bewegungen.“ Durch zunehmende Informations- und Aktenmengen in den 1970er-Jahren wurde im DGB-Archiv zwar mehr gesammelt, archivische Pflege aber zunehmend vernachlässigt, sodass bei der Arbeit an der Edition „Quellen zur Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung im 20. Jahrhundert“ festgestellt wurde, dass auch durch großzügige Benutzungsregeln Zustand und Ordnung der Bestände gelitten hatten.
Gewerkschaftseigene Betriebe, wie die Bank für Gemeinwirtschaft, der Einzelhandelskonzern co-op und der Wohnungsbaukonzern Neue Heimat, gerieten in den 1980er-Jahren in wirtschaftliche Probleme. Skandale um Veruntreuung durch die Vorstände führten nicht nur zu sinkendem Vertrauen in die Gewerkschaften, sondern auch dazu, dass die genannten Betriebe mit Verlusten verkauft wurden. Nach einem starken Anstieg der Mitgliedszahlen durch die Wiedervereinigung kam es zu einem raschen Absinken der Mitgliedszahlen durch Wirtschaftskrisen und einen Prozess der Verbetrieblichung (nicht nur in Ostdeutschland) in den frühen 1990er-Jahren. Durch all diese Probleme wurden die finanziellen Spielräume der Gewerkschaften kleiner. Dieser Umstand ging auch am DGB-Archiv nicht spurlos vorbei und wurde Ende der 1980er-Jahre immer deutlicher. Nur mithilfe der Stiftung Volkswagenwerk und der Hans-Böckler-Stiftung konnte bis 1992 ein Erschließungsprojekt initiiert werden, durch das der Zugriff auf das historische Material wieder möglich wurde.
Als das AdsD 1984 die Bestände der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten und wenige Monate später der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen übernahm, war trotzdem den wenigsten klar, dass dies der Auslöser für die Entwicklung zum heute größten europäischen und internationalen Archiv der Gewerkschaftsbewegung sein würde. Erst Anfang der 1990er Jahre gab mit der Industriegewerkschaft Medien eine weitere Einzelgewerkschaft im DGB ihre Bestände an das AdsD ab. 1994 folgten die Unterlagen der Deutsche Angestellten-Gewerkschaft, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Industriegewerkschaft Bau, wodurch das AdsD zum Zeitpunkt der Übernahme des DGB-Archivs über Gewerkschaftsakten im Umfang von etwa 3.000 laufenden Metern verfügte. Auch durch die Übernahmen der Unterlagen der Einzelgewerkschaften hatten Archiv und Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) ihre Fachkompetenz unter Beweis gestellt, sodass der DGB-Bundesvorstand entschied, sämtliche Unterlagen der DGB-Bibliothek und des Archivs an die FES zu übergeben. Alle Materialien blieben Eigentum des DGB.
Das DGB-Archiv bestand in erster Linie aus den Unterlagen der Bundesvorstandsverwaltung, der Überlieferungen aus Landesbezirken, Akten der Vorläuferorganisationen sowie knapp 80 Nachlässen von Gewerkschafter:innen. Insgesamt handelte es sich um rund 25.000 Akteneinheiten, 80.000 Fotos, zahlreiche Diaserien, über 7.000 Plakate, 5.000 Flugblätter, Tonbänder und Objekte. Einen großen Zuwachs erfuhr auch die Fahnensammlung des AdsD. So konnten 131 gewerkschaftliche Traditionsfahnen übernommen werden. Mit dem DGB-Archiv kamen auch die einzigen Originalquellen zur Gründung der Friedrich-Ebert-Stiftung ins Archiv der sozialen Demokratie – Spendenaufrufe, die in den Gewerkschaftsunterlagen aus der Weimarer Republik erhalten geblieben waren.
Die Mitarbeiter:innen der Bibliothek freuten sich dem Jahresbericht der FES 1995 zufolge über eine „Vielzahl seltenster Stücke, die keinen Weg in staatliche Bibliotheken gefunden haben“. Hierzu gehörten etwa „Protokolle, Geschäftsberichte, gedruckte Tarifverträge, Agitationsbroschüren und Mitgliederzeitschriften“. Große Teile der Bestände stammten ursprünglich aus den ab 1919 aufgebauten Gewerkschaftsbibliotheken und waren während des Nationalsozialismus von der Deutschen Arbeitsfront beschlagnahmt worden. In der Nachkriegszeit gelangten Teile der Bestände in die Nähe von Frankfurt am Main, andere in die Vereinigten Staaten, von wo aus sie 1950 an den neu gegründeten Deutschen Gewerkschaftsbund zurückgegeben wurden.
Mit dem DGB-Archiv wechselten 1995 mehr als 120.000 dieser Bände von Düsseldorf nach Bonn, wo sie in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt katalogisch erfasst wurden. Nach wenigen Tagen der Unterbrechung konnten bereits die ersten Fernleihanforderungen erfüllt werden. Als eine der ersten Maßnahmen zur Bestandserweiterung wurde ein Verfilmungsprogramm aufgelegt. In enger Kooperation mit verschiedenen Einrichtungen, die über deutschsprachige Gewerkschaftsbestände verfügten, wurde versucht, bestehende Lücken im Gesamtbestand zu schließen. Ein besonderes Augenmerk galt der liberalen und christlichen Gewerkschaftspresse vor 1933, die im DGB-Bestand deutlich unterrepräsentiert war. Durch die Verfilmungen wollte die Bibliothek nicht zuletzt dokumentieren, dass sie sich der Pflege aller Wurzeln der Einheitsgewerkschaft, die erst nach dem 2. Weltkrieg entstand, verantwortlich und verpflichtet fühlt.
Nach dem DGB übergaben auch die Gewerkschaften Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (1996) und Industriegewerkschaft Metall (1997) ihre Unterlagen an das AdsD, sodass sich heute die Unterlagen fast aller Einzelgewerkschaften im DGB im AdsD befinden. Das Archiv bewahrt neben den Unterlagen deutscher Einzelgewerkschaften und des DGB bereits seit den 1970er Jahren Unterlagen europäischer und internationaler Gewerkschaftsorganisationen auf. Hierzu gehören etwa die Unterlagen des Internationalen Metallgewerkschaftsbundes. In den letzten Jahren kamen, neben zahlreichen Vor- und Nachlässen von Gewerkschafter:innen, Unterlagen der Internationalen Graphischen Föderation und der Internationalen Union der Lebens- und Genussmittelarbeiter aus der Schweiz hinzu. Mit über 21.000 laufenden Metern besitzt heute rund ein Drittel des Gesamtbestandes im AdsD eine gewerkschaftliche Herkunft. Die DGB-Bibliothek stellt die zentrale Buchsammlung zur Geschichte der deutschen Gewerkschaften dar.
Leon Pietsch
Grebing, Helga: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Von der Revolution 1848 bis ins 21. Jahrhundert, Berlin 2007.
Mertsching, Klaus u. Paul, Hans-Holger: Gewerkschaftsakten im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, in: Der Archivar. Mitteilungsblatt für deutsches Archivwesen 49, Heft 3 (1996), S. 437 – 446.
Paul, Hans-Holger: Zentrale Quellen zur Sozial- und Zeitgeschichte: Gewerkschaftsakten im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, in: Der Archivar. Mitteilungsblatt für deutsches Archivwesen 58, Heft 1 (2005), S. 15 – 21.
Schneider, Michael: Kleine Geschichte der Gewerkschaften: Ihre Entwicklung in Deutschland von den Anfängen bis heute, Bonn 2000.
Woltering, Hubert: „Über den toten Punkt unseres Wirtschaftslebens hinwegkommen“. Quellen zu Marshallplan und Finanzierung des westdeutschen Wiederaufbaus im Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) der Friedrich-Ebert-Stiftung, in: Archiv und Wirtschaft 3 (2023), S. 116 – 127.
Zimmermann, Rüdiger: Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, in: Informationen Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher 1 (1998), S. 32 – 34.
Manuel Campos berichtet von seinem Weg aus Portugal nach Deutschland, den Erfahrungen von Migrant:innen in der Bundesrepublik seit den 1970er-Jahren und seinem Engagement in der IG Metall.
„Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet.“ So wurde in Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes Existenz und Arbeit der Gewerkschaften in Deutschland nach 1949 verfassungsrechtlich abgesichert. Der Weg zu dieser Grundrechtsnorm, zur…
Am 2. Mai diesen Jahres jährt sich die Zerschlagung der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten zum 90. Mal.
August Bebel war einer der wichtigsten Sozialdemokrat:innen im Kaiserreich und Verfechter der Gleichstellung von Frauen – doch was wissen wir über die Ehe mit seiner Frau Julie?
Theodor Yorck (1830–1875) war eine herausragende Persönlichkeit für die Entwicklung der deutschen Gewerkschaften. Sein Ziel war es, einen Dachverband zu schaffen, der ebenso wie die Einzelgewerkschaften und Fachverbände parteiunabhängig organisiert war.