Bildungspolitik und Ideologie
Mit dem Wechsel zu einer konservativ geführten Regierung ab 1983 wurde die Förderung für Schüler_innen ganz abgeschafft und für Studierende auf Volldarlehen umgestellt: Bei einer durchschnittlichen Studienzeit von 10 Semestern und dem Bezug des Höchstförderbetrags bedeutete das BAföG-Schulden von bis zu 70.000 DM am Ende des Studiums. Wer wollte und konnte sich einen solchen Schuldenberg leisten? Zumal der Arbeitsmarkt für Akademiker_innen keineswegs komfortabel war. Die „Lehrerschwemme“ der 1980er-Jahre hatte eine hohe Arbeitslosigkeit insbesondere unter den Geisteswissenschaftler_innen zur Folge. Die Aussicht auf adäquate Beschäftigung in anderen Berufsfeldern war gering. Erst die deutsche „Wiedervereinigung“ führte zu einem Umdenken: Offenbar hielt es auch die Regierung unter Helmut Kohl nicht für klug, ostdeutsche Studierende zu verprellen, die bislang in der DDR ein einheitliches Grundstipendium erhalten hatten. Die Ausbildungsförderung wurde wieder auf die Mischform Zuschuss und zinsloses Darlehen umgestellt, die Förderquote stieg im geeinten Deutschland auf rund 25 %.
Zahlreiche Maßnahmen zeigen auf, wie stark die Ausgestaltung des BAföG der politischen Grundlinie unterworfen war und ist: Sozialdemokratisch geführte Regierungen erleichterten durch die Hochschulneugründungen in den 1960er- und 1970er-Jahren, durch die Öffnung eines „Zweiten Bildungswegs“ und eine finanzielle Unterstützung Schüler_innen und Studierenden aus
unterschiedlichen Bevölkerungsschichten den Zugang zu einer besseren Bildung und damit den beruflichen und gesellschaftlichen Aufstieg. Die Deckelung der Darlehensschuld, die Freistellung des Kindergelds bei der Einkommensberechnung, ein Zuschlag für Studierende mit Kindern oder die Anhebung der Altersgrenze für Masterstudierende waren spätere Ansätze, der tatsächlichen Lebenswelt der Studierenden Rechnung zu tragen und die Förderquote (wieder) zu heben.
Konservativ geführte Regierungen verengten wiederum diesen Zugang durch Einschränkungen der Förderberechtigten, durch quasi-Streichung des Schüler_innen-BAföGs und die Aussicht auf eine erhebliche Schuldenlast. Geburtenstarke Jahrgänge drängten in den 1980er-Jahren in die Hochschulen, die dafür nicht ausgestattet waren. Die Zeit des Numerus Clausus begann. Sollte man da noch den Zutritt zu akademischer Bildung fördern? Dementsprechend sank die Förderquote kontinuierlich und erreichte 1998 einen Tiefpunkt: Nur 13 % der Studierenden bezogen BAföG. Noch 2005 dachte die CDU in Gestalt von Annette Schavan laut darüber nach, das BAföG abzuschaffen und durch einen „attraktiven Markt der Bildungsfinanzierung“ zu ersetzen. Keine gute Wahlkampfidee.
BAföG in der Krise?
Kritik und Reformen begleiteten das BAföG in allen Jahren seines Bestehens: Die Höhe der Freibeträge, die die Zugangsberechtigung bestimmen, das Höchstalter der Anspruchsberechtigten, Umfang und Art der Leistungen, Förderhöchstdauer, Rückzahlungsmodalitäten wurden und werden immer wieder als nicht ausreichend und nicht zeitgemäß beurteilt. Die Antragstellung erscheint als bürokratischer, höchst komplexer Verwaltungsakt, der Antragsteller sieht sich als Bittsteller, der Entscheid wird als zu langwierig und intransparent empfunden.
Ganz offensichtlich erreicht das BAföG seine Zielgruppe heute nicht mehr: Aktuell liegt die Quote der geförderten Studierenden bei unter 11 %! Während 79 % der Kinder aus Akademikerfamilien ein Studium beginnen, sind dies bei nur 27 Prozent der Kinder, deren Eltern nicht akademisch ausgebildet wurden. Nach wie vor hängt der Bildungsweg viel zu stark von der Herkunft ab.
Das 50-jährige Jubiläum bietet Anlass, über grundlegende Änderungen zu diskutieren. Die DGB-Jugend legt aktuell hat jüngst einen eigenen „Alternativen Bafög-Bericht“ vorgelegt, „da der 22. BAföG-Bericht der Bundesregierung auf 2022 verschoben wurde“. Darin wird nicht nur die Entwicklung der Kennzahlen zum BAföG-Bezug dargestellt und bewertet, sondern man bezieht auch die Auswirkungen der Corona-Krise für die Studierenden mit ein. Arbeitsplatzverlust, Mehraufwand für Technik und Literatur angesichts von digitalem Unterricht und geschlossenen Bibliotheken, verschobene Praktika und Prüfungen haben die Studierenden zusätzlich erheblich belastet. Die DGB-Jugend fordert daher einen Notfallmechanismus im Unterstützungssystem.