Mohammad Mehdi Zafari, Filmemacher und Kameramann hat seit dem ersten Filmkurs, den er im Jahr 2006 belegt hat, eine beeindruckende Anzahl an Kurzdokumentationen hervorgebracht. Er hat an verschiedenen gemeinschaftlichen Projekten innerhalb und außerhalb seines Heimatlandes Afghanistan gearbeitet, bei denen der Fokus auf unterschiedlichen Perspektiven des menschlichen Daseins lag.
Wir sprachen mit Herrn Zafari über seinen Lebensweg, seine Ansichten über Migration und seinen letzten Film "Frühling in Afghanistan", eine bewegende Dokumentation über die Erfahrungen junger Afghan_innen und die Überlegungen, die die Entscheidung mit sich bringt, sein Leben zu riskieren und den Weg der irregulären Migration einzuschlagen. Nach einer Reihe von öffentlichen Vorstellungen in Deutschland, ist die Dokumentation nun online verfügbar. Ihre Veröffentlichung auf diesem Portal fällt zusammen mit der Schätzung, dass bis Ende 2016 voraussichtlich über eine Million Menschen in und über die Grenzen Afghanistans hinaus unterwegs sein werden.
Können Sie uns darüber berichten, wie das Filmprojekt "Frühling in Afghanistan" begann?
Zafari: Die Idee für diese Dokumentation kam zuerst von Alexey Yusupov, dem Leiter des FES-Büros in Afghanistan. Wir unterhielten uns über seine Idee einer Dokumentation über die Migration von Afghan_innen nach Europa, in der die Gründe für Migration aufgezeigt werden. Ich stimmte zu, diese Dokumentation zu machen, da mir die mit Migration verbundenen Gründe und Probleme wohl bekannt waren. Alexey half mit als Produzent.
Sechs Personen werden in dieser Dokumentation porträtiert. Ich versuchte Direct Cinema als Methode zu verwenden, um in dieser Dokumentation die Realität des afghanischen Lebens zu zeigen, also erstellte ich sie auf die klassische Weise des Filmemachens, einfacher Schnitt und keine Musik.
Was ist die wichtigste Botschaft, die Sie sowohl Menschen in Europa als auch in Afghanistan mit Ihrem Film übermitteln möchten?
Zafari: Menschen dürfen leben, wo auch immer sie möchten. Das ist meine Hauptbotschaft für die Menschen in europäischen Ländern und in Afghanistan. Die großen menschlichen Zivilisationen entstanden als Folge von menschlicher Migration. Wir sollten jedoch einräumen, dass die heutige Welt geschrumpft ist: Es gibt, im Vergleich zur Vergangenheit, weniger Möglichkeiten sich frei in der Welt zu bewegen. Die meisten der führenden afghanischen Politiker migrierten in westliche Länder und wurden dort ausgebildet. Heute sind sie nach Afghanistan zurückgekehrt und regieren das Land. Immigration sollte daher nicht als schlechtes Zeichen gesehen werden.
Gibt es eine gezeigte Geschichte, die Sie besonders bewegt hat?
Zafari: In dem Film versuchte ich die Geschichte von mehreren Menschen zu zeigen. Es gibt viele Gründe für Migration, also folgt die Dokumentation einigen Menschen, um die verschiedenen Beweggründe aufzuzeigen.
Als Zuschauer fragen wir uns, wie die Geschichte der dargestellten Menschen weitergeht. Haben auch Sie darüber nachgedacht, nachdem Sie das Filmprojekt abgeschlossen haben?
Zafari: Ich kenne zwei der in dieser Dokumentation dargestellten Personen. Sie planen immer noch, nach Europa zu reisen, ich weiß jedoch nicht genau, wann sie aufbrechen werden. Über die anderen vier Personen weiß ich nichts. Ich würde sie gerne ausfindig machen und fragen, ob sie immer noch vorhaben zu gehen oder nicht. Meiner Meinung nach, schieben sie es aufgrund der derzeitigen Situation von Migrant_innen in Europa hinaus, dorthin aufzubrechen. Es ist viel schwieriger geworden, nach Europa zu gelangen, daher zögern sie vielleicht aufgrund des Risikos.
Sie lebten selbst als Geflüchteter im Iran und einige der Protagonisten in dem Film sind in Ihrem Alter. Wie persönlich ist der Film für Sie?
Zafari: Für mich und diejenigen, die in meinem Alter sind, ist Afghanistan ein vom Krieg zerrissenes Land. Von der Tag unserer Geburt bis jetzt gab es hier keinen stabilen Frieden. Außerdem wurden viele Menschen meines Alters im Iran oder in Pakistan geboren und kamen nach Afghanistan zurück, um dort zu leben. Die derzeitige Sicherheitslage hat sie jedoch dazu gebracht, darüber nachzudenken, für den Rest ihres Lebens in andere Länder weiter zu ziehen.
Beeinflusst die Tatsache, dass Sie Menschen aus Ihrem Heimatland porträtieren, Ihre Arbeit als Filmemacher auf besondere Weise?
Zafari: Filmemachen ist mein Fachgebiet, jedoch sehe ich es aus zwei Perspektiven: als eine Art der Unterhaltung und als Beruf. Es ist eine Art Unterhaltung für mich, weil ich es mag und ich mich nicht langweile, während ich Filme mache. Und es ist ein Beruf, weil ich damit Geld verdienen kann, obwohl es nicht einfach ist, in Afghanistan Geld mit dem Filmemachen zu verdienen.
Das Interview wurde von Christine Speiser, Praktikantin der Friedrich-Ebert-Stiftung im Büro Bangkok, geführt und aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt. Die ausführliche Originalfassung erschien in Connect, dem neuen englischsprachigen internationalen Nachrichtenportal der FES.