Archiv der sozialen Demokratie

Zum Tod von Manfred Stolpe (* 16.05.1936 in Stettin, † 29.12.2019 in Potsdam)

Manfred Stolpe wurde im Jahre 1936 in Stettin als Sohn eines Kaufmannes und einer Postangestellten geboren und wuchs nach dem zweiten Weltkrieg in der DDR auf. 1955 begann er an der Universität Jena ein Studium der Rechtswissenschaften, das er vier Jahre später abschloss. Bis 1961 war er zu einem Gaststudium an der FU-Berlin in Westberlin eingeschrieben, welches er auf Grund des Mauerbaues nicht weiterführen konnte. Stolpes Tätigkeiten fokussierten sich daraufhin auf seine Arbeit in der evangelischen Kirche; er übernahm 1962 die Funktion des Leiters der Geschäftsstelle der Evangelischen Kirchenleitungen in der DDR, für welche er bereits seit 1959 tätig gewesen war. Ab 1969 leitete er das Sekretariat des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR der im selben Jahr als DDR-eigener Zusammenschluss der evangelischen Landeskirchen gegründet worden war, und behielt dieses Amt bis 1982 bei. Bis 1989 war Stolpe stellvertretender Vorsitzender des Bundes.

Nach der Wende, als vermehrt Pfarrer und andere Würdenträger der Kirche politische Tätigkeiten aufnahmen, trat Manfred Stolpe im Sommer 1990 der SPD bei und wurde direkt Spitzenkandidat für die kommende Landtagswahl. Er wurde der erste Ministerpräsident Brandenburgs. In den kommenden Jahren arbeitete er unermüdlich an der Verbesserung der Wirtschafts- und Lebensverhältnisse des jungen Bundeslandes, das mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen hatte, wie beispielsweise der hohen Arbeitslosigkeit. Dank seines Erfolges und seiner Beliebtheit wurde Stolpe bei der nächsten Landtagswahl im Jahre 1994 mit einem überwältigenden Ergebnis von über 54% wiedergewählt. Auch bei der darauffolgenden Wahl 1999 konnte die SPD unter Stolpes Leitung weiterhin stärkste Kraft bleiben. Drei Jahre Später gab Stolpe überraschend das Amt des Ministerpräsidenten ab, um sich der Bundespolitik zu widmen. Sein Nachfolger wurde Matthias Platzeck, der bis dato Oberbürgermeister der Stadt Potsdam gewesen war.

In seiner Zeit als Ministerpräsident konnte Manfred Stolpe zahlreiche Erfolge verbuchen. Besonders lagen ihm die Entspannung zum Nachbarland Polen, die gelungene Integration Brandenburgs in ein geeintes Deutschland und der Kampf gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit am Herzen. Sein unermüdliches Engagement für sein Bundesland brachte ihm daher zu Recht die Bezeichnung als „Gründervater Brandenburgs“ ein. Stolpe bemühte sich darum, dass die Bewohner seines Landes von der Bundespolitik ernstgenommen wurden und setzte dabei stets auf Verständigung anstelle von Konfrontation. Als Brandenburger beteiligte er sich 2002 maßgeblich an der Gründung eines Kuratoriums zur Hilfe der Opfer des Jahrhunderthochwassers in Ostdeutschland, welches immense Schäden verursacht hatte. Im selben Jahr wurde er unter Kanzler Gerhard Schröder Bundesminister für Verkehr, Bauen und Wohnen. In dieser Position war er federführend an der Entwicklung der LKW-Maut auf deutschen Autobahnen beteiligt, welche unter seiner Leitung erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Mit weiteren Infrastrukturprojekten förderte er zudem eine Erweiterung und Integration der EU nach Osteuropa.

Seit 1990 war Manfred Stolpe über viele Jahre hinweg mit Vorwürfen konfrontiert, die ihn als inoffiziellen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit bezeichneten. Gegen diese Vorwürfe setzte er sich stets zur Wehr und konnte nach langen Rechtsstreitigkeiten 2007 einen finalen Erfolg vor Gericht verbuchen, mit dem diese Vorwürfe beseitigt wurden.

Manfred Stolpe war mit seiner Frau Ingrid seit 1961 verheiratet, das Ehepaar hat eine gemeinsame Tochter. Mit der Friedrich-Ebert-Stiftung fühlte er sich eng verbunden. Seit 1991 war er im Verein der Friedrich-Ebert-Stiftung tätig und beteiligte sich mit eigenen Beiträgen an zahlreichen FES-Veranstaltungen, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der politischen Bildungsarbeit des FES- Landesbüros in Potsdam.

Im Jahre 2002 hielt er einen Vortrag im Zusammenhang mit dem Gesprächskreis Geschichte des Historischen Forschungszentrums der FES über Otto Wels und die Verteidigung der Demokratie, in welchem er die Entwicklung der deutschen Demokratie, hervorgetreten aus dem Terror des Jahres 1933 bis zur friedlichen Revolution 1989 in Ostdeutschland nachzeichnete.  Die gutnachbarlichen Beziehungen zu Polen, die Einführung und Verankerung  demokratischer Strukturen in Ostdeutschland und insbesondere der Kampf gegen  Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit waren fundamentale Eckpfeiler seines politischen Wirkens.


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