Kernaussagen
- Die digitale Massenkommunikation hat maßgeblich zur Polarisierung der Gesellschaft beigetragen. Die „Dauervernetzung“ der Menschen sowie der ständige Druck zu politischer Positionierung hat die Verbreitung von Verschwörungserzählungen, Fake News, Cancel Culture und den wachsenden politischen Extremismus gefördert.
- In aktuellen Debatten werden die tiefgreifenden Veränderungen der menschlichen Wahrnehmung und des Zusammenlebens durch die globale Digitalisierung noch immer nicht ausreichend häufig thematisiert.
- Die Prämissen der digitalen Welt – Beschleunigung, Radikalisierung, Moralisierung – sind mittlerweile auch auf die analoge Welt übergegangen. Sie haben Einzug in die politische und journalistische Kommunikation gehalten.
- Die zunehmende Digitalisierung der Kommunikation birgt Gefahren für die psychische Gesundheit. Hierzu tragen Phänomene wie Cybermobbing und Cyberstalking bei.
- Es braucht eine stärkere Regulierung von sozialen Medien wie Facebook, X oder Instagram.
Einordnung aus Sicht der Sozialen Demokratie
Eine erfolgreiche und glaubwürdige Kommunikation sozialdemokratischer Inhalte ist in Zeiten von Künstlicher Intelligenz und polarisierten Debatten ein zentrales Thema für die politischen Akteure. Eva Menasse analysiert, welche Stolperfallen der digitalen Kommunikation insbesondere in den sozialen Medien bestehen. Ein interessanter Debattenbeitrag, auch wenn Menasse nur wenige Lösungsansätze für das Problem anbietet.
Eva Menasse beschreibt in ihrem Essay, welche Auswirkungen die globale Digitalisierung auf das menschliche Zusammenleben hat. Hierfür stellt sie in zehn Kapiteln problematische Aspekte der digitalen Kommunikation in den Fokus. Zudem unternimmt sie Exkurse in die Debatten rund um Identitätspolitik, Diskriminierung und Antisemitismus.
Die digitale Massenkommunikation hat den Boden für die sich während der Coronapandemie stark ausbreitende Wissenschaftsskepsis und Irrationalität bereitet. Eine wichtige Voraussetzung hierfür waren Messenger-Dienste wie WhatsApp, über die unüberlegte, verallgemeinernde Aussagen sehr schnell in die Welt gesetzt und verbreitet werden können. Der Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Kommunikation wird aufgehoben, und es bleibt zu wenig Zeit für Reflexion. Zudem wurde während der Pandemie das Problem der Gewichtung von Informationen unter Druck offenkundig: So rutschten Aussagen aus fragwürdigen Quellen gelegentlich in die seriöse Berichterstattung.
Die Veränderung der politischen Kommunikation und Debattenkultur durch die Digitalisierung ist sehr umfassend. Eine der problematischsten Phänomene ist das der Beschleunigung. Auch bewusst verlangsamte Strukturen in politischen Institutionen fallen ihr zum Opfer. So sehen sich Entscheidungsträger gezwungen, in Krisensituationen schnell Urteile zu fällen und sie zu kommunizieren.
Es ist zudem ein charakteristisches Element der Digitalmoderne, dass Fehlentscheidungen online archiviert und somit nicht mehr ganz zurückgenommen werden können. Eine solch hohe Transparenz hat die negative Kehrseite, dass auch die Moralisierung von Debatten und die Häufigkeit von digitalen Empörungswellen zugenommen haben. Hierzu tragen auch die vielen, oftmals überhitzten Diskussionen im Netz rund um das Thema Identitätspolitik bei.
Eine weitere problematische Entwicklung ist die Illusion, dass über die sozialen Medien, etwa durch Shitstorms oder Candystorms, in Echtzeit Reaktionen auf politische Entscheidungen abgebildet würden. Dies kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass Mandatsträger ihre Entscheidungen an befürchtete oder erwünschte Reaktionen anpassen.
Am Beispiel des Antisemitismus wird deutlich, wie die sozialen Medien zur Radikalisierung der politischen Mitte beigetragen haben. Einerseits haben die Debatten im Netz für Diskriminierung und Ressentiments sensibilisiert, andererseits haben die sozialen Medien durch Massenverbreitung, die übermäßige Vereinfachung komplexer Sachverhalte und Moralisierung zur weiteren Polarisierung beigetragen.
Eva Menasse legt in ihrem Buch eine Analyse der problematischen Seiten der digitalen Massenkommunikation vor. Fraglich ist, ob die Grenze zwischen digitaler und analoger Welt heute wirklich noch so trennscharf zu ziehen ist, wie die Autorin behauptet. Auch das Problemfeld der Künstlichen Intelligenz, welche künftige politische Debatten mit Sicherheit maßgeblich beeinflussen wird, behandelt die Autorin kaum. Zugleich gilt es aber zu bedenken, dass Menasse bewusst die leichter einzugrenzende zwischenmenschliche Kommunikation als Ausgangspunkt für ihren Essay gewählt hat, der vor allem durch seine sprachlichen Qualitäten überzeugt.
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