Was ist das für ein Konzept?
JOCHEN: 3Horizonte ist ein offener Treffpunkt in einem 300 Quadratmeter großen Haus mit drei Stockwerken in der Herzberger Innenstadt. Im Erdgeschoss gibt es einen multifunktionalen Veranstaltungsraum mit hybrider Medientechnik, flexiblen Möbeln, Ausstattung für Seminare und einen Showroom, der aussieht wie ein kleines, gemütliches Wohnzimmer. Dort sollen regionale Produkte gezeigt werden. Im ersten Stock gibt es einen Co-Working-Bereich, Platz für Seminare, einen Werkstattraum, wo man auch einfach Dinge bauen und basteln oder reparieren kann. Im zweiten Stock sind Wohnräume geplant, in denen Gäste unterkommen können, die bei uns Veranstaltungen anbieten möchten. Das Haus ist ein Zukunftsort, wo Lebens- und Arbeitsmodelle neu gedacht und ausprobiert werden können
Ihr seid ja nicht auf eigene Faust hergekommen, sondern durch das Projekt „Summer of Pioneers“. Macht so ein Landleben auf Probe Sinn?
JOCHEN: Also ich persönlich habe das Gefühl, dass meine Zeit für Großstädte sowieso vorbei war. Ich fühle mich hier in einer Kleinstadt schon sehr wohl, vor allem, wenn ich weiß, dass ich mich einbringen kann. Aber alleine wäre ich sicher nicht hierhergekommen.
ANNA: Ich finde auch, dass das solche Projekte enorm wichtig sind und dass sie Menschen anziehen, die sich engagieren und einsetzen. Ob das funktionieren wird, wissen wir auch noch nicht. Wir stehen ja noch am Anfang mit 3Horizonte. Ich glaube, dass sich das aber generell lohnt, Kleinstädte einfach lebenswerter zu machen.
Welche Voraussetzungen hat Herzberg geboten, um attraktiv für euch zu sein? Was können andere Orte daraus lernen?
ANNA: Es braucht eine offene Stadtverwaltung. Schon allein, dass wir im alten Bahnhof arbeiten konnten, war ein Riesenvorteil. Man hat gemerkt, dass wir hier willkommen sind. Das muss man fühlen. Sonst ist so ein Start eher schwierig.
JOCHEN: Die Angebote müssen niedrigschwellig sein. Ein Vorteil war, dass wir super wenig Miete bezahlt haben, aber auch die Anbindung. Von Berlin fährt direkt die Regionalbahn hierher. Jetzt warten wir auf das 49 Euro-Ticket. Auch ist es immer gut, eine Person zu haben, die die Gruppe begleitet oder teambildende Veranstaltungen organisiert. Wir haben mehrere Fahrradtouren zusammen gemacht. Das hilft total, ein Gemeinschaftsgefühl aufzubauen. Bürgermeister Karsten Eule-Prütz und seine Stellvertreterin Stephanie Kuntze haben sich sehr für uns engagiert, das hat super geholfen.
Wie stellt ihr euch eure berufliche Zukunft in Herzberg vor?
JOCHEN: Ich plane, weiterhin als Innovationscoach und Trainer für Bildungseinrichtungen zu arbeiten. Durch viele Gespräche mit den Einwohner_innen sehe ich auch einen großen Bedarf für Formate rund um berufliche Orientierung und werde dazu im kommenden Sommer Workshops im 3Horizonte anbieten.
ANNA: Ich kann mir vorstellen, was ganz anderes zu machen, weil ich nicht mehr nur am Rechner arbeiten möchte. Wir wollen aber auch die Leute vor Ort miteinbeziehen, zum Beispiel gibt es hier einen Korbmacher in der Gegend. Den wollen wir fragen, ob er ein Workshop machen möchte für Menschen, die Lust haben, etwas Neues zu lernen und handwerklich tätig zu sein. Wir wollen auch ein Fotostudio bei uns einrichten oder die Möglichkeit anbieten, Podcasts aufzunehmen. Das Digitale spielt schon eine wichtige Rolle.
Wie ist eure Perspektive?
ANNA: Also ich will auf jeden Fall dieses Jahr hierbleiben. Und selbst, wenn ich dann wieder woanders hingehe, wird Herzberg ein Anker für mich bleiben. Ich habe viele neue Freund_innen gefunden und bin mit Menschen in Kontakt gekommen, mit denen ich sonst nie in Kontakt gekommen wäre, weil man immer so in seiner Blase bleibt. Wir hatten auch eine junge Mutter in der Gruppe, die mit ihrer Tochter kam. Das war super bereichernd und schön zu sehen, dass so eine Offenheit für Familien da ist.
JOCHEN: Der Summer of Pioneers war auf jeden Fall eine lebensbereichernde Erfahrung und ich freue mich, dass ich mit einigen aus der Gruppe nun weiterarbeiten kann. Für mich wäre es wichtig, das 3Horizonte so zu gestalten, dass das Haus weiterexistieren kann, auch wenn die Förderung zu Ende ist.