Von Jennifer Küppers
"Ein Deutscher kündigt zwei Dinge nie: Die Versicherung und sein Zeitungsabo", behauptet Sascha Langenbach, Chefredakteur des Berliner Kuriers. Dennoch nimmt laut der Studie "Das Verschwinden der Zeitung" die Auflagenzahl der Tageszeitungen in Deutschland eklatant ab. Gibt es noch eine Zukunft der Zeitung? Um dies zu debattieren treffen sich 80 Nachwuchsjournalisten in Bonn bei der zweiten Medien-Sommer-Akademie der Friedrich-Ebert Stiftung (FES).
Gespannt sitzen die Teilnehmer im großen Saal der FES und lauschen den Worten von Stephan Weichert, Professor der Macromedia Hochschule, der die keynote, die Eröffnungsrede "Digitale Neandertaler?, vorstellt. Es werde gerne behauptet, neue Online-Anbieter könnten die klassische Print-Zeitung ersetzen oder verdängen, diese Sichtweise sei jedoch verkürzt. Laut Weichert vermögen erst die Massenmedien durch ihre Bereitstellungsleistung - die Tatsache, dass sie auf gewisse Inhalte aufmerksam machen - eine gesamtgesellschaftliche Koordinierung.
Also stirbt die Zeitung nicht einfach aus?
"Wir sind schon Dinosaurier und warten auf den Kometen", beschreibt Sascha Langenbach die aktuelle Situation der Print-Journalisten "aber die Dinosaurier haben auch nicht einfach aufgehört zu fressen!" Sein Konzept, um die Zeitung zu retten, lautet daher: "Besser sein!" Nachwuchsjournalisten bräuchten eine gute Ausbildung und müssten neugierig sein. Nur so könne Qualitätsjournalismus garantiert werden. Wer allein auf Blogger oder Nachrichten im Netz vertraue, mache sich auf die "Suche nach dem Messias". Auch Reinhard Weil, Abteilungsleiter Politische Akademie der FES, spricht von einem "sich vollziehenden Strukturwandel", auf den man reagieren müsse.
So mancher Nachwuchsjournalist rutscht da bereits tiefer in seinen Stuhl: War es nicht bislang schon schwer genug, Journalist zu werden?
"Der Beruf "Journalist" ist der schönste Beruf für die richtigen Menschen", beteuert Ulrich Reitz, Chefredakteur Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Alles, was man brauche, sei Mut zur genauen Recherche, Courage und die Fähigkeit, schnell gründlich zu arbeiten. Alle weiteren handwerklichen Kompetenzen könnten geschult werden. Bernd Graff, stellvertretender Chefredakteur Sueddeutsche Online, kann dem nur zustimmen und ergänzt: "Online-Journalisten müssen heutzutage viel frustrationstoleranter sein." Das Internet gäbe durch Leserscreenings Rückmeldung zu den einzelnen Artikeln. Dabei komme es häufig vor, dass viel "Gehirnschmalz in eine Nullnummer" fließe, denn Artikel über Promis würden "geklickt wie Harry", während Artikel, denen eine tiefe Recherche zugrunde läge, oft nur wenige Leser fänden. Dennoch dürfe man nicht nur Nutzerinteressen bedienen.
Die Zeitung wird also überleben. Zufrieden mit diesem Ergebnis vergnügen sich die Teilnehmer beim Politischen Kabarett "Krötenwanderung" mit Harald Funke und Jochen Rüther und lassen sich unter anderem das Prinzip der Kernenergie erklären.
Am zweiten Tag geht es in medias res: Die Teilnehmer können aus zwölf verschiedenen Workshops wählen. Christian Friedwald, 26, entscheidet sich für "Rhetorik für Journalisten". Kommunikationstrainer Volker Engels gibt Tipps für sicheres Auftreten. Ziel ist es, sympathisches und kompetentes Auftreten zu trainieren. So schwer ist es doch gar nicht: Gerade und aufrecht stehen, Hände über der Gürtellinie, Blickkontakt halten, Stimmhöhe variieren und vor allem: lächeln! "Wer möchte anfangen?" Die Teilnehmer gucken schüchtern zu Boden, fahren sich mit den Fingern durch Haare oder kneten an ihren Unterlippen. Doch kneifen gilt nicht. Jeder kommt dran. In drei Minuten soll man sich vorstellen und ein wenig über sich und seine Hobbies sprechen. Die ersten Teilnehmer sind bereits nach 30 Sekunden fertig. "Drei Minuten können ganz schön lang sein", räumt Volker Engels ein. "Gar nicht leicht, genau einzuschätzen, wann sie um sind." Und was man in drei Minuten erst alles falsch machen kann. Die Kamera hält jeden Fehler fest und Volker Engels kommentiert ihn: "John Wayne wäre neidisch auf deinen Stand – fehlt nur noch, dass du die Revolver ziehst", Hey, Pippi-Langstumpf" oder "Deine Gestik erinnert an Thomas Gottschalk!" Den Teilnehmern gefällt es. "Das ist ein super Feedback und ich nehme heute richtig viel mit", erzählt Christian Friedwald begeistert. Gerne hätte er noch mehr über Rhetorik und die vielen Fallen erfahren. Doch schon beginnt der zweite Workshop-Block. Ob Nachrichtenjournalismus, Kriegsberichterstattung oder story-telling – hier ist für jeden etwas dabei. Die Entscheidung fällt vielen Teilnehmern schwer, so dass am Ende der viel zu kurzen zwei Tage feststeht: Die nächste Medien-Sommerakademie kann gerne länger dauern!
Das Erfolgskonzept?
"Die Mischung machts", erklärt Christian Friedwald. "Neben Insiderinformationen, die man hier bekommt, und spannenden Workshops trifft man auf viele Gleichgesinnte – Studenten und freie Journalisten, aber auch Volontäre und Redakteure. Ein sehr abwechslungsreiches Wochenende!" Auch die Referenten sind glücklich: "Ich kann nur sagen: Es hat Spaß gemacht. Ein schönes Gefühl, wenn man als Referent das Gefühl hat: "Es kam etwas rüber!", beschreibt es Radioautor Tom Schimmeck, der den Nachwuchsjournalisten die Kunst des bildhaften Erzählens am Beispiel von Radio-Einspielern erläutert. Auch Carla Schulte-Reckert, Leiterin der FES, ist total zufrieden. Sie freut sich über die diskussionsfreudigen Nachwuchsjournalisten und ist sich sicher, dass die Medienakademie ein wichtiger Schritt in Richtung Qualitätsjournalismus und Nachwuchsausbildung ist.