#Angekommen | 6. und 7. März 2017 in der FES Berlin

Fünf Fragen an Daniela Kolbe zur Willkommens­kultur

Daniela Kolbe, MdB, ist stellvertretende Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion im Fachausschuss für Arbeit und Soziales

1. Was sind aktuell die wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen für die Integrationspolitik?

Wir müssen den Menschen, die zu uns kommen, möglichst schnell Perspektiven geben. Sie brauchen zeitnah Klarheit drüber, ob sie bei uns bleiben können oder nicht. Und wenn sie bleiben können oder sich abzeichnet, dass sie länger bleiben, müssen wir Teilhabe organisieren: Durch Sprache, Arbeit, Bildungschancen, aber auch darüber hinaus durch Integration in unsere Gesellschaft.

2. Als im Sommer 2015 viele Geflüchtete nach Deutschland kamen, war das Wort "Willkommenskultur" in aller Munde. Wie hat sich die Willkommensbereitschaft in der deutschen Bevölkerung seit damals entwickelt?

Die Menschen sind realistischer geworden. Viele der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sehen nun Schwierigkeiten und ihre Grenzen klarer. Das heißt aber nicht, dass sie sich davon entmutigen lassen. Mein Eindruck ist: die Hilfsbereitschaft ist ungebrochen hoch und oft sind Rückschläge erst recht ein Ansporn weiterzumachen. Das beeindruckt mich tief.

3. In einem FES-Gutachten heißt es, wir müssen "von der Willkommenskultur zur Willkommensstruktur kommen". Was gehört für Sie zu einer "Willkommensstruktur"?

Dass wir es konsequent belohnen, wenn jemand sich anstrengt, unsere Sprache lernt, arbeitet, sich weiterbildet oder engagiert, etwa mit einem Bleiberecht oder finanziellen Anreizen. Zu einer Willkommensstruktur gehört aber genauso, dass wir keine unnötigen Hürden aufbauen. Wer hier her kommt und sich integrieren will, dem müssen wir es so leicht wie möglich machen und alles tun, um zu unterstützen. Hier denke ich insbesondere an Sprache und Bildung, aber auch an den Abbau von Bürokratie. Struktur brauchen wir auch für die vielen Helfenden. Sie sind auf staatliche Unterstützung angewiesen und haben sie auch verdient.

4. Vor einigen Monaten sprachen wir noch von einer langanhaltenden Integrationsaufgabe, jetzt ist es um Flüchtlingspolitik medial schon wieder ruhiger geworden. Wie beurteilen Sie die heutigen  Integrationsbedingungen für Geflüchtete, die bei uns bleiben werden?

Noch nie waren die Bedingungen für die Integration von Geflüchteten so gut wie heute. Hierzu nur einige Stichworte: Abschaffung der Residenzpflicht, Zugang zu Arbeitsmarkt, Sprachkursen und Ausbildungsförderung, Bleiberecht für langjährig Geduldete und gut Integrierte. Das heißt aber nicht, dass bei der Integration alles eitel Sonnenschein ist. Es gibt noch unendlich viel zu tun, um hier optimale Bedingungen zu schaffen. Ich denke da z.B. an die Gesundheitsversorgung, den frühen Zugang zu Integrationskursen und Bildungsangeboten für alle Geflüchteten oder den Abbau von Diskriminierung.

5. Der Integrationskongress der Friedrich-Ebert-Stiftung steht unter dem Titel "angekommen". Was verbinden Sie damit?

Ankommen heißt für mich: Mich an einem Ort aufgehoben, geborgen fühlen. Dazu braucht es auch liebe, vertraute Menschen. Die haben viele Geflüchtete zurückgelassen oder gar verloren. Damit sie wirklich ankommen können, müssen wir den Familiennachzug auch für subsidiär Schutzberechtigte ermöglichen. Wir sollten aber auch versuchen, diese Lücke als Gesellschaft zu füllen.

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