Mitbestimmung | 12. Februar 2024 | Interview von Simone Schnase | Lesezeit: 5 Minuten
Wie soll diese Raumgestaltung aussehen?
Wir brauchen Raum für Radfahrer und Fußgänger, aber auch für Bäume. Wir haben aufgrund der Asphaltierung eine starke Hitzebildung in den Städten und Bäume als Wasserspeicher tragen dazu bei, dass Wasser verdunstet. Dadurch und durch Schatten, den die Bäume spenden, wird das Klima in der Stadt zum Positiven verändert. Vor allem Seniorinnen und Senioren fordern auch, dass mehr Bänke aufgestellt werden, damit man sich öfter mal hinsetzen und ausruhen kann. Das geht natürlich Hand in Hand mit schattenspendenden Bäumen.
Leonberg hat ein Radverkehrskonzept aus dem Jahr 2013. Was wurde davon umgesetzt?
Es dient als Grundlage zur Weiterentwicklung und wir sind dabei, es weiterzuentwickeln. In unserer Planung für die „Stadt für morgen“ ist es eingeflossen und wir haben auch schon die ersten Fördermittelbewilligungen vom Land Baden-Württemberg erhalten.
In Bezug auf das Radverkehrskonzept ist auf der Homepage der Stadt zu lesen, dass es unter „erneuter Bürgerbeteiligung“ erstellt wurde. Bedeutet das, dass es in Leonberg schon eine längere Tradition der Bürgerbeteiligung gibt?
Die Art von Bürgerbeteiligung, wie wir sie jetzt machen, gab es in Leonberg bisher nicht. Denn wir haben einen Planungstisch und viele Perspektivwerkstätten zu Punkten wie Handel und Gewerbe, Wohnen, Klima und so weiter. Wir haben dafür verschiedenen Akteure gefragt, der Seniorenrat ist involviert, die Jugend über unseren Jugendausschuss genauso – von Jung bis Alt haben wir alle Menschen im Blick. Auch Menschen mit Handicap werden natürlich beteiligt. Wir erreichen die Menschen über Ausschreibungen, über Zeitungen und soziale Medien. Es gab auch den Vorschlag, einen Bürgerrat einzurichten. Die Idee halten wir grundsätzlich für gut, aber in diesem Fall wurde der Vorschlag mehrheitlich vom Gemeinderat abgelehnt, weil wir in der Bürgerbeteiligung bereits sehr weit waren und wir diejenigen, die sich bislang schon sehr aktiv an den Perspektivwerkstätten beteiligt hatten, nicht vor den Kopf stoßen wollten, indem wir auf einmal alles wieder auf null drehen und plötzlich einen Bürgerrat aufstellen, der ja aus zufällig ausgewählten Personen besteht.
Wie funktionieren die Perspektivwerkstätten konkret?
Bürgerinnen und Bürger erarbeiten gemeinsam mit Planern, Architekten und anderen Fachleuten aus einem „Wunschkonzert“ eine Vision, indem diese beispielsweise gezeichnet wird oder so visualisiert, dass man sich etwas Konkretes darunter vorstellen kann. Die Machbarkeit wird gemeinsam diskutiert und manchmal werden auf diesem Wege Wünsche und Ideen auch wieder verworfen.
Sie bieten den Bürger_innen sehr viel Raum – birgt das nicht auch die Gefahr, dass die Menschen Veränderung wollen, die Ihrer Idee von Stadtumbau gar nicht entsprechen?
Man muss natürlich erst einmal für die Akzeptanz von Ideen arbeiten. Das haben wir zum Beispiel gemacht, indem wir mit einem siebenmonatigen Verkehrsversuch nachweisen konnten, dass Autofahrer durch den Umbau keinen Nachteil haben. Anfangs war der Versuch sehr umstritten, weil er auch ein bisschen Stückwerk war, aber auch, weil der Mensch ein Gewohnheitstier ist und jeder Veränderung skeptisch gegenübersteht. Als der Versuch wieder abgebaut wurde, fanden das dann aber auch viele nicht gut, weil sie sich – der Mensch ist ein Gewohnheitstier! – daran gewöhnt hatten. Am wichtigsten war aber, dass wir mit dem Versuch die Sorgen, Vorbehalte und Zweifel der Bürgerinnen und Bürger ausräumen konnten. Die Menschen glauben oft nicht an Dinge, die sie sich nicht vorstellen können, aber sobald sie etwas Konkretes sehen und erleben, nimmt das Ganze plötzlich Gestalt an.