Anne Felmet

Informelle Beschäftigte und ihr Interesse für Gewerkschaften in Subsahara-Afrika

Informell Beschäftigte sind in Subsahara-Afrika bisher nur wenig in Gewerkschaften organisiert. Eine repräsentative Studie zeigt jedoch, dass gerade unter diesen Arbeitnehmer_innen großes Rekrutierungspotential für Gewerkschaften besteht.

 

Debatten über die Zukunft von Gewerkschaften nehmen zu. Damit gewinnt auch eine Öffnung gegenüber dem informellen Sektor an Bedeutung. Sind informell Beschäftige, deren Anteil an der gesamten Arbeitnehmerschaft in fast allen Ländern wächst und teilweise über 90 Prozent ausmacht ein Rekrutierungsterrain für Gewerkschaften, welches sie stärker nutzen sollten? Welche Voraussetzungen brauchen Gewerkschaften, um Mitglieder aus diesem Bereich zu organisieren?

Bisher ist der informelle Sektor als ein potentielles Rekrutierungsfeld weitgehend von der empirischen Forschung unbeachtet. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat aus dem Grund in Zusammenarbeit mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und dem Deutschen Institut für Entwicklungszusammenarbeit (DIE) ein Projekt zum Thema informelle Beschäftigung, Soziale Sicherung und politisches Vertrauen in Subsahara-Afrika ins Leben gerufen. Kern des Projektes sind breit angelegte repräsentative Umfragen zu Einstellungen und Erwartungen informell Beschäftigter bezüglich Sozialer Sicherung, dem Staat und Gewerkschaften. Bisher wurden dazu jeweils 1.200 Personen in Kenia, Benin, Senegal und Sambia befragt. In Bezug auf Gewerkschaften lassen sich durch die Ergebnisse wichtige Erkenntnisse zu Einstellungen, Erwartungen und Potentialen in Hinsicht auf Gewerkschaften feststellen.

Hohes Potential für Gewerkschaften

Die Umfragen verdeutlichen, dass unter informell Beschäftigten Gewerkschaften im Schnitt einen eher geringen Bekanntheitsgrad haben. In urbanen Regionen liegt die Quote dabei etwas höher. Diese Zahlen weisen auf die strukturelle Distanz zwischen informell Beschäftigten und Gewerkschaften hin und verdeutlichen, dass Gewerkschaften den informellen Sektor bisher größtenteils außer Acht gelassen haben. Kennen die informell Beschäftigten allerdings Gewerkschaftsstrukturen, haben sie hiervon meist ein positives Bild, glauben, dass sie die soziale Situation vieler Menschen verbessern und wünschen sich stärkere Gewerkschaften in ihrem Umfeld. Ihre Ansichten weisen auch auf die Notwendigkeit hin, dass Gewerkschaften ihre Leistungen verbessern und weniger korrupt werden.

Die Ansichten bezüglich der Interessen, die Gewerkschaften zu vertreten scheinen, variieren in den Umfragen. Während in allen Ländern ein Großteil der Befragten Gewerkschaften als eine Verbindung zwischen Arbeitnehmer_innen und Arbeitnehmern im formellen Sektor sehen, wird hier in einigen Ländern vor allem der Privatsektor als Nutznießer gesehen. Die Rolle des Vermittlers zwischen den verschiedenen Gruppen wird Gewerkschaften hier eher weniger zugeschrieben. Für eine klare Mehrheit stellt der formelle Sektor eine Welt besserer Lebensbedingungen dar, zu welcher auch die Regierung, ihre Angestellten und Gewerkschaften gehören.

Die Ansichten unterscheiden sich auch, wenn es um die Rolle von Gewerkschaften bei der Verbesserung der allgemeinen Situation informell Beschäftigter geht. Generell lässt sich aber ein Vertrauensvorschuss gegenüber Gewerkschaften feststellen, auch wenn bisher keine persönlichen Erfahrungen mit ihnen gemacht wurden. Diese Hoffnung in Gewerkschaften kann teilweise mit einem Interesse an einer Gewerkschaftsmitgliedschaft erklärt werden. Eine deutliche Anzahl Befragter, die bisher keinen Kontakt zu Gewerkschaften hatte, kann sich eine Mitgliedschaft vorstellen. Kann diese Anzahl als neue Mitglieder gewonnen werden, können Gewerkschaften in allen Ländern der Umfrage ihre aktuellen Mitgliedszahlen verdoppeln.

Vertrauensvorschuss nutzen, Kampagnen gestalten

Von einer starken Gewerkschaft verspricht sich eine Mehrzahl der Befragten, ein stärkere Stimme bei der Regierung, gefolgt vom Wunsch nach verbesserten Arbeitsbedingungen. Auch ihre Vorteile in Bezug auf Verhandlungen und die Beteiligung an Sozialdialogen werden angerechnet. Finanzielle Unterstützung und damit auch die Einmischung in interne Prozesse werden abgelehnt.

Diese und weitere in dieser Publikation dargestellten Ergebnisse bieten wichtige Informationen für Gewerkschaften und ihre Aktivtäten im informellen Sektor. So verdeutlichen die, dass bei Kampagnen zur Gewinnung neuer Mitglieder Gewerkschaften kein unbekanntes oder ablehnendes Terrain betreten würden. Vielmehr verfügen sie oftmals über einen starken Vertrauensvorschuss. Doch das Potential geht darüberhinaus. Dort, wo Menschen Gewerkschaften nicht kennen, bedeutet dies nicht, dass hier keine Möglichkeiten zur Organisierung bestehen. Durch entsprechende Informationskampagnen unter informell Beschäftigten könnten Gewerkschaften ihre Mitgliedzahlen deutlich vermehren und somit zu einflussreicheren sozialpolitischen Akteuren werden.

 

Traub-Merz, Rudolf

The interest of informal labour in trade unions

Findings from representative country surveys in Sub-Saharan Africa
Berlin, 2021

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