Friedrichs Bildungsblog

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Zwischenruf: Braucht es eine Verpflichtung zur Fortbildung für Lehrkräfte?

Ich bin kein Experte und kein Schulpraktiker, und so möchte ich die Frage beantworten aus der Perspektive eines interessierten Laien. Meine Antwort ist uneingeschränkt: ja. Und zwar eine echte, die auch durchgesetzt wird, nicht die unverbindliche, die jetzt schon überall auf dem Papier steht.

Bild: Thomas Kerstan von Privat

Von Thomas Kerstan

Am 22./23. September 2020 fand die Online-Konferenz „Was Lehrkräfte lernen müssen“ des Netzwerk Bildung der Friedrich-Ebert-Stiftung statt. Thomas Kerstan wurde gebeten, einen Zwischenruf zur Frage zu leisten: „Braucht es eine Verpflichtung zur Fortbildung für Lehrkräfte“. Seine Antwort finden Sie fortfolgend:

Ich bin kein Experte und kein Schulpraktiker, und so möchte ich die Frage beantworten aus der Perspektive eines interessierten Laien. Meine Antwort ist uneingeschränkt: ja. Und zwar eine echte, die auch durchgesetzt wird, nicht die unverbindliche, die jetzt schon überall auf dem Papier steht.

Warum? Vor allem aus zwei Gründen:

Erstens erhöht es den Druck. Und zwar auf beiden Seiten: Die Lehrkräfte sind gefordert, ihrer Pflicht nachzukommen, und die Kultusministerinnen und Kultusminister sind ihrerseits gefordert, für entsprechende Fortbildungsmöglichkeiten zu sorgen. Das erinnert ein wenig an die Auseinandersetzung um die Maskenpflicht im Zuge der Corona-Epidemie. Eine Maskenpflicht wäre vermutlich schon früher sinnvoll gewesen – allein, es gab keine Masken. Und nichts ist schlimmer als ein Verbot oder Gebot zu verhängen, das nicht durchgesetzt werden kann. Und wie sehr die Lehrerfortbildung am Boden liegt, das hat ja der Daschner-Bericht deutlich gezeigt.

Zweitens trägt es zur Professionalisierung des Lehrerberufs bei. Peter Daschner hat ja gestern (Red.: im Rahmen der Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung) schon darauf hingewiesen, dass man lange der Illusion anhing, dass die ersten beiden Phasen der Lehrerbildung für eine gute Unterrichtspraxis ausreichten. Inzwischen ist man da schlauer geworden – ohne allerdings die Konsequenzen zu ziehen.

In anderen Berufen ist man da weiter. Meine Frau ist Ärztin, und da erlebe ich eine ganz andere Fort- und Weiterbildungspraxis. Sie musste – in ihrer Freizeit – richtig teure und aufwendige Seminare besuchen, um Fachärztin zu werden. Sie muss das wöchentlich erscheinende Deutsche Ärzteblatt lesen, um zu wissen, wie der Stand der Kunst ist, und sie besucht regelmäßig – auch in ihrer Freizeit – Fortbildungen, zum Teil auch online. Sie muss dabei jährlich Fortbildungspunkte sammeln, sonst droht der Entzug der Zulassung.

Ich glaube, dass diese Fortbildungspraxis, verbunden mit dem harten Numerus clausus, wesentlich zum Ansehen des Arztberufs beiträgt.

Das lenkt auf einen Aspekt, der mir besonders wichtig ist. Die deutsche Schule ist eine Lehrerschule, sie sind die zentralen Akteurinnen und Akteure. Keine Reform, keine Verbesserung ist möglich, bei der sie nicht aktiv mitspielen. Und jede Verpflichtung ist zum Scheitern verurteilt, wenn sie von ihnen ausgebremst wird.

Deswegen wünsche ich mir, dass sich die Lehrkräfte am Portepee fassen und aktiv für eine bessere Lehrerfortbildung kämpfen. Nicht als Belastung, sondern um die Berufsehre zu verteidigen. Ich wünsche mir Lehrerverbände und Gewerkschaften, die bei dem Thema nicht aufstöhnen und rituell „das auch noch ...“ klagen, sondern die die Kultusministerinnen und Kultusminister vor sich her treiben und um die besten Fortbildungsmöglichkeiten für ihre Mitglieder kämpfen. Es würde dem Schulsystem sehr gut tun, wenn die Lehrkräfte die Qualität ihres Berufs zu ihrem eigenen Thema machten.

Wenn Sie erlauben, möchte ich noch eine Fußnote zur Lehrkräftefortbildung anfügen. Als mir Peter Daschner 2018 seine Studie vorgestellt hat, gingen mit zwei Gedanken durch den Kopf. Der erste war: Das ist ja unglaublich, unterirdisch, ein handfester Skandal. Der zweite Gedanke war: Das interessiert vermutlich keinen Menschen, wie verkaufe ich das in der Redaktion? Mit der Redaktion hat das dann geklappt, und ich habe darüber geschrieben. Aber insgesamt stehen das Presseecho und das Echo in der Politik in keinem Verhältnis zum skandalösen Zustand der Lehrerfortbildung.

Das Thema ist sehr wichtig, man kennt sogar viele Stellschrauben, um es in den Griff zu bekommen, aber es hat keinen Charme.

Insofern sollten alle, die hier etwas bewegen wollen, immer mitdenken, wie man dem Thema Leben einhauchen kann.

 

Thomas Kerstan ist Bildungspolitischer Korrespondent der ZEIT und Herausgeber von ZEIT Campus.



Über diesen Bildungsblog

Friedrichs Bildungsblog ist der bildungspolitische Blog der Friedrich-Ebert-Stiftung. Friedrich Ebert ist nicht nur Namensgeber der Stiftung.

Sein Lebensweg vom Sattler und Sohn eines Schneiders zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Deutschlands steht für Aufstieg durch Bildung.

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Katja Irle, Redaktionelle Betreuung des Blogs, Bildungs- und Wissenschaftsjournalistin 

Lena Bülow, Team Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

Florian Dähne, Leiter Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

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Kommentare

  • Friedrichs digitaler Bildungsstammtisch,
    Sehr geehrter Herr Kerstan,

    wir sind eine Gruppe von FES-Stipendiat*innen, die sich regelmäßig zu einem Stammtisch treffen, um über Themen von Friedrichs Bildungsblog zu diskutieren. In erster Linie stimmen wir Ihnen zu. Nur wenige Bundesländer haben eine Verpflichtung zu Fortbildungen, und wenn es eine Verpflichtung gibt, sind diese unserer Meinung nach nicht besonders stark: Bayern hat zum Beispiel eine Pflicht von 12 Fortbildungstagen über vier Jahre verteilt.
    Aber was spricht gegen eine Verpflichtung? Verpflichtungen könnten dazu führen, dass die Motivation von Lehrkräften, Fortbildungen zu besuchen, sinkt und man nur seine Pflichtstundenzahl absitzt. Unserer Meinung nach müsste man es schaffen, eine Lernkultur zu etablieren, in der die regelmäßige Fortbildung quasi gleichbedeutend damit ist, eine gute Lehrkraft zu sein. Was wir brauchen ist also eine positiv konnotierte Fortbildungskultur. Ist eine Verpflichtung der richtige Weg dorthin?
    Es gibt viele Faktoren, die beeinflussen, wie beliebt Fortbildungen bei Lehrkräften sind. Zum Beispiel stellt sich die Frage, wie akzeptiert Fortbildungen insgesamt im Kollegium sind. Oder liegt es eher an den Schulstrukturen an sich als an den Fortbildungsangeboten? Sorgt die Schulleitung für den Raum und die Zeit, um sich fortzubilden? Damit Fortbildungen akzeptierter und zur Gewohnheit werden, müssen sie Teil des Unterrichtsalltags sein.
    Nehmen wir Singapur als Positivbeispiel. Hier haben Lehrkräfte das Recht auf 100 Stunden Fortbildungen im Jahr. Sie unterrichten weniger Stunden pro Woche, aber nehmen dafür wöchentlich an Teamsitzungen (professionellen Lerngemeinschaften) teil – sie lernen im Team. Die Zusammenarbeit wird durch den äußeren Rahmen gefördert und schafft eine bejahende Fortbildungskultur. So kann Verpflichtung auch aussehen. Wir wären damit wieder bei unserer Anfangsfrage, ob Verpflichtungen der richtige Weg sind. In Singapur schafft aber die Schule die Rahmenbedingungen dafür.
    Wir glauben, dass Fortbildungen immer mit kollegialer Zusammenarbeit gedacht werden müssen. Die dadurch entstehende soziale Eingebundenheit könnte für eine höhere Motivation sorgen, an Fortbildungen teilzunehmen. Vielleicht könnte man den Weg zur positiven Fortbildungskultur zunächst durch ein Minimum an Verpflichtungen ebnen?
    Wie Sie sehen, sind bei uns durch Ihren Artikel viele neue Fragen angeregt worden. Wir würden uns auf eine Antwort von Ihnen freuen!

    Mit freundlichen Grüßen
    Stipendiat*innen der FES
    • Thomas Kerstan,
      Liebe Stipendiatinnen und Stipendiaten,

      ich freue mich, dass Sie meinen Überlegungen zur Lehrerfortbildung im Großen und Ganzen zustimmen können. Das geht mir mit Ihren Ideen genau so ;-) Eine Fortbildungspflicht setzt ein gutes Angebot, und/oder wie Sie schreiben, ein bessere Fortbildungskultur voraus. Besonders wichtig ist mir dabei der Punkt, dass die Lehrkräfte selber eine bessere Fortbildung einfordern. Vermutlich ist letztens eine Mischung der verschiedenen Ansätze und Ebenen erfolgversprechend. Auf jeden Fall muss etwas getan werden. Ich bin gespannt, ob, wo und wann positive Schritte zu vermelden sind. Leider bin ich bei dem Thema sehr skeptisch.

      Beste Grüße, Thomas Kerstan

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