Referat Lateinamerika und Karibik

Superwahljahr in Lateinamerika - Costa Rica macht den Anfang

Bild: Wahlplakat in Costa Rica von © FES Costa Rica

Fragen an Hajo Lanz, Leiter der FES in Costa Rica, Nicaragua und Panama

 

Am 4. Februar sind etwa drei Millionen Wähler_innen in Costa Rica aufgerufen, ein neues Staatsoberhaupt und ein neues Parlament zu wählen. Was – und wer – steht zur Wahl?

In den aktuellen Umfragen konkurrieren drei Kandidaten mit derzeit etwa jeweils 15 Prozent der Stimmen. Antonio Álvarez Desanti (PLN, Partido Liberación Nacional) war bis zu seiner Nominierung Parlamentspräsident und blickt auf eine langjährige politische Karriere und Erfahrung in vielfältigen Ministerämtern zurück. Der Vertreter des konservativ-sozial orientierten Mainstreams in Costa Rica bezwang im Vorwahlkampf den äußerst kontroversen Ex-Präsidenten José María Figueres. Rodolfo Piza Rocafort geht als Kandidat der christsozialen, zweiten großen Volkspartei PUSC (Partido Unidad Social Cristiana) ins Rennen. Er entstammt einer angesehenen Richterfamilie, war selbst Oberster Richter sowie Leiter der Sozialversicherungskasse und hatte bereits 2014 als PUSC-Kandidat sechs Prozent der Stimmen erzielt. Aus dem Nichts heraus tauchte jedoch der Dritte im Bunde auf: Der 63-jährige Anwalt und Politiker Juan Diego Castro Fernández.

Castro lag in den ersten Umfragen weit vorne in der Liste möglicher Gewinner_innen. Er macht einen sehr lautstarken Wahlkampf und nutzt mit großer finanzieller Unterstützung – man weiß noch nicht genau, woher die Mittel stammen – insbesondere die neuen, aber auch alten Medien in großem Stil. Er schreckt vor keiner Zuspitzung zurück, ist kein wirklicher Rhetoriker, markiert aber gerne den starken Mann und hält es oft wohl auch mit der Wahrheit oder Nachprüfbarkeit seiner Aussagen nicht so genau. Nicht umsonst wird er derzeit gern als costa-ricanischer Trump tituliert. Wobei unklar ist, ob ihm das nun zum Vor- oder Nachteil gereichen wird.

Wie wird Carlos Alvarado Quesada, der Kandidat der relativ neuen Partei PAC (Partido Acción Ciudadana), abschneiden?

Der Kandidat der progressiven Partei PAC, Carlos Alvarado Quesada, war Arbeitsminister im Kabinett des amtierenden Präsidenten Luis Guillermo Solís. In den aktuellen Umfragen kommt er kaum über fünf Prozent der Stimmen hinaus. Aufgrund der völlig anders gelagerten Ausgangslage dieser Wahl – im Vergleich zu der im Jahr 2014 – ist es nahezu ausgeschlossen, dass er eine Chance hat. Weder verfügt er über das Charisma eines Luis Guillermo Solís, noch tritt er mit einer Bugwelle des Erfolgs in den Wahlkampf ein, den eine erfolgreiche Regierungszeit von Solís bzw. der PAC für ihn bedeutet hätte. Alvarado wird es daher weder in die zweite Runde schaffen, noch wird die PAC ihre Fraktionsstärke im Parlament halten können.

Was ist aus der Reformagenda der PAC geworden, die nach den letzten Wahlen überraschend den Präsidenten stellte?

Nach insgesamt 19 Amtsperioden, in denen sich die beiden großen Volksparteien PLN und PUSC mehr oder weniger an der Regierung abgewechselt hatten, gelang Luis Guillermo Solís von der PAC 2014 völlig überraschend der Coup, und er gewann als relativ Unbekannter, als progressiver und integrer Akademiker die Präsidentschaftswahl. Damit schien ein nahezu 80 Jahre altes Zweiparteien-Regierungssystems beendet, bei dem nicht enden wollende Korruptionsskandale auf beiden Seiten wohl letztlich den Ausschlag dafür gegeben hatten, dass die Wähler_innen auf ein neues Gesicht setzen wollten.

Doch die Bilanz dieser Regierung ist durchwachsen. Im Parlament verfügte Solís mit 13 von 57 Sitzen seiner PAC über keinerlei Gestaltungsspielraum. Spätestens im Parlament wurde von der übermächtigen Opposition so ziemlich jede seiner Initiativen blockiert. Die Arbeitslosigkeit verharrt weiterhin bei etwa zehn Prozent, die progressive Steuerreform wurde in entscheidenden Punkten im Parlament behindert, der Haushalt muss nach wie vor zu 50 Prozent aus Krediten finanziert werden, 20 Prozent der Menschen leben weiterhin in Armut. All dieses hätte auch noch schlimmer werden können. Das hat die Regierung erfolgreich verhindert, aber die Menschen im Land hatten sich mehr und größeres erhofft.

Wie steht es um das Vertrauen in die Demokratie in Costa Rica?

Ein Skandal um Kredite und Sondergenehmigungen zur Einfuhr von Zement aus China, der „Cementazo-Skandal“, hat Ende 2017 das Vertrauen in das gesamte institutionell-politische System des Landes erschüttert. Einzelne Parlamentarier_innen, ein Oberster Richter, der Generalstaatsanwalt, die Spitzen einer staatseigenen Bank, der Finanzstaatssekretär sowie letztlich auch die Regierung unter Präsident Solís insgesamt gerieten angesichts dieses Skandals stark unter Druck. Zwar ist der Präsident nicht persönlich involviert, doch wird seiner Regierung und den staatlichen Institutionen vorgeworfen, dieses nun Stück für Stück aufgedeckte Geflecht nicht verhindert zu haben. An dem Skandal sind Personen quer durch alle politischen Parteien und auch Institutionen beteiligt. Er erschüttert das ansonsten schwer zu erschütternde Vertrauen der costa-ricanischen Bevölkerung in die Leistungen ihres demokratischen Systems. Ein Kandidat, der wie beispielsweise Juan Diego Castro die Karte des Gegen-Establishments, des Aufräumers und des starken Mannes zu spielen versucht, könnte es weit bringen.


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