Donnerstag, 14.02.19 01:00

Schicksalswahlen in Polen: Wer wählt, der entscheidet!


Terminexport im ICS-Format

Polen erlebt derzeit unruhige und spannende Zeiten. Drei Wahlen könnten 2019 zu einem Schicksalsjahr für die politische Zukunft des Landes machen.

Bild: von qimono / pixaby.com lizenziert unter Pixaby License

Der Wahlmarathon in Polen setzt sich im Jahr 2019 fort. Während im Herbst 2018 die Regional- und Kommunalwahlen anstanden, beginnt in Polen mit den Europawahlen im Mai 2019 ein „Superwahljahr“. Im Herbst 2019 werden dann die Parlamentswahlen durchgeführt und im Frühjahr 2020 die Präsidentschaftswahlen. Immer noch gelten die Wahlen als offen und werden als grundlegende Richtungsentscheidungen für die weitere Zukunft des Landes gesehen. Die Opposition versucht, der in Umfragen bei 35-38 Prozent liegenden Regierungspartei durch die Bildung eines breiten „pro-europäischen“ Bündnisses Paroli zu bieten.

Turbulenzen in der polnischen Regierung                               

Seit Mitte November 2015 regiert die nationalkonservative Partei ‚Recht und Gerechtigkeit‘ (PiS). Seit deren Amtsantritt hat das Parlament im Rahmen einer Justizreform mehrere Gesetze zur Einflussnahme auf das Verfassungsgericht, das oberste Gericht und den Landesjustizrat in Polen verabschiedet.  Die Unabhängigkeit der Justiz steht damit in Zweifel. Mit ihren Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit brachte die PiS-Regierung Polen in einen Konflikt mit der Europäischen Union. Auf der anderen Seite stehen große Erfolge der Regierung in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Diese haben zu einer sinkenden Einkommensschere und einem hohen Wachstumsrate (2018: 5%) geführt. Polen hat heute - bei deutlich geringerer Staatsquote und Verschuldung – einen niedrigeren Gini-Quotienten als Frankreich.

Der Wettstreit zwischen PiS und Oppostionsparteien

Den anstehenden Wahlen kommt nach Ansicht vieler Beobachter eine bedeutende Rolle zu. So beschäftigte sich die Veranstaltung „Schicksalswahlen - Polen zu Beginn des „Superwahljahres“ unter anderem mit den Fragen nach der derzeitigen politischen  und gesellschaftlichen Stimmung und den dominierenden Akteuren und Themen. Der Einladung des Referats Mittel- und Osteuropa der Friedrich-Ebert-Stiftung folgten Dominika Wielowieyska von der Tageszeitung Gazeta Wyborcza und Michał Szułdrzyński von der Tageszeitung Rzeczpospolita. Beide Journalisten zählen zu den bekanntesten politischen Analytikern des Landes, wenn auch aus unterschiedlicher innenpolitischer Perspektive. Dennoch kommen beide zu gemeinsamen Ergebnissen.

Sowohl Dominika Wielowieyska, als auch Michał Szułdrzyński schreiben dem Ergebnis bei der Europawahl eine wichtige symbolische Bedeutung für alle Parteien zu. Nicht die Anzahl der gewonnen Stimmen, sondern der Sieger-Status beim ersten Wahlgang ist entscheidend, da dieser mit dem Erfolg einen symbolischen Bonus für die nächsten Wahlen erhält und sich als Gewinnerpartei inszenieren kann. Problematisch könnte die Europawahl dabei insbesondere für die PiS werden, welche weder als sehr europafeindlich, noch als EU-freundlich gilt.

Für Michał Szułdrzyński muss sich die PiS eine neue Strategie ausdenken, um sich den Erfolg weiterhin zu sichern. Die Wählerschaft der regierenden Partei und ihre Erwartungen haben sich verändert. Bisher konnte die PiS vor allem durch die Umorientierung der Politikagenda und den stärkeren Fokus auf Sozialpolitik und Armutsbekämpfung punkten. Hier wird nun Neues oder Zusätzliches nötig sein. Auch Dominika Wielowieyska prognostiziert einen Wandel. Sollte sich die PiS an der Macht halten können, dann nur im Rahmen einer Koalitionsregierung.

Polnische Linke zwischen alten Problemen und neuem Hoffnungsträger

Das Problem der sozialdemokratischen SLD dagegen ist die Unklarheit der Positionen: trotz linker Positionen in vielen Fragen sehen die Wähler bei ihr auch wirtschaftsliberale Neigungen und eine kulturell konservative Weltanschauung. Zudem wurde der SLD durch die Sozialpolitik der PiS eines der wichtigsten Argumente beraubt.

Eine gewisse Hoffnung für die polnische Linke stellt Robert Biedroń mit seiner neu gegründeten Partei Wiosna (zu Deutsch Frühling) dar. Allerdings sahen beide Journalist_innen aus Polen das Problem, dass sich die Partei wirklich langfristig etablieren muss. Politische Eintagsfliegen mit guten Ergebnissen, die auf Dauer aber wieder verschwanden, hat es noch bei jeder Wahl nach 1990 gegeben.

Prognosen über einen Sieger bei den kommenden Wahlen lassen sich im Moment nach Ansicht beider nicht stellen. Die Antwort geben im Mai und im Herbst die Wähler.

Ansprechpartner in der Stiftung
Ernst Hillebrand


Ansprechpartnerin

Marie Meier

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