Jenseits der Abschottung

Geld gegen Grenzen: So sieht der europäische Umgang mit Migration allzu oft aus. Das zeigt auch die aktuelle Afrika-Politik. Helfen wird das nicht.

Welche politische Funktion die Auslandsreise einer Staatschefin hat, ist mitunter besser am Protokoll und dem diplomatischen Tross abzulesen als an den medialen Verlautbarungen. Angela Merkels Afrikareise Anfang Oktober zeigt das: Auf der Reiseliste Merkels stand nicht etwa - wie in den vorigen Afrikareisen - ihr Wirtschaftsberater, sondern Jan Hecker, Leiter des Koordinierungsstabes im Kanzleramt, einer der wichtigsten Köpfe in der Geflüchtetenpolitik der Regierung.

Das Wohle Afrikas liege im Interesse Europas und Deutschlands, verkündete Merkel auf ihrer Reise. Was Merkel damit wohl vor allem meinte: Europas Politik müsse auf eine Kontrolle der Migration aus den Ländern Afrikas abzielen.

Abkommen über Abkommen - aber wofür?

Das Wort der Stunde ist „Fluchtursachenbekämpfung“. Soll heißen: Verbesserte Perspektiven in den Ländern Afrikas vermindern den Migrationsdruck. Derzeit stammen noch weniger als 20 Prozent der ankommenden Migrant_innen aus Afrika. Angesichts hohen Bevölkerungswachstums und hoher Jugendarbeitslosigkeit in weiten Teilen kann sich das ändern. Nicht nur deswegen ist die europäische Politik seit Jahren bemüht, in einen strategischen Dialog mit Regierungen in Afrika zu treten.

So beispielsweise beim „Gipfel für Migration“ im maltesischen Valletta Ende 2015: Dort einigte sich die EU mit 35 afrikanischen Ländern auf einen gemeinsamen „Fahrplan“, der vor allem mehr Geld für Grenzschutz und mehr Kooperation bei Rückführungen forcierte. „Die Ansätze des Gipfels waren aus afrikanischer Sicht klar dominiert von der europäischen Seite und auch seine Ergebnisse zielen eher ab auf europäische Wähler_innen“, so Elisabeth Braune, die als Referentin der FES für das westliches Afrika tätigt ist und die europäische Migrationspolitik in Afrika analysiert.

Doppelt verkehrte Wahrnehmung Europas

Doch selbst diese Absichtserklärungen sind heute, zwei Jahre später, eher vage umgesetzt. „Die Überlegungen und abgeschlossenen Resolutionen entsprechen dem gesunden Menschenverstand, das Problem jedoch liegt in der Anwendung“, sagt beispielsweise Léon H. Kacou Adom, Botschafter der Republik Côte d'Ivoire in Berlin. Auch Dr. Manfred Öhm, Leiter des FES-Referats Sub-Sahara, sagt, dass nicht allzu viel der damaligen Verlautbarungen umgesetzt wurden. Beide nahmen Mitte Oktober an der Veranstaltung „Jenseits von Aktionismus und Abschottung“ teil und diskutierten nachhaltige Ansätze der afrikanisch-europäischen Kooperation zu Migration und Mobilität.

Deutlich wurde auf der Veranstaltung eine mindestens doppelt verkehrte Wahrnehmung in Europa: Wenn über Migration in Europa gesprochen wird, spielt die Tatsache kaum eine Rolle, dass innerhalb des afrikanischen Kontinents weitaus mehr Menschen auf der Flucht sind als Menschen von dort Europa erreichen. Beide Phänomene können aber nur gemeinsam betrachtet werden, sagt auch Manfred Öhm: „Aber natürlich sind Fragen der Migration ein gemeinsames Problem. Etwas, das wir gemeinsam angehen müssen“.

Als einen zweiten Wahrnehmungsfehler könnte man den Wunsch verstehen, Migration politisch eindämmen zu können. So jedenfalls sieht es Olawale I. Maiyegun, Leiter der Abteilung Soziale Angelegenheiten der Kommission der Afrikanischen Union: „Es muss darum gehen, Migration zu managen und ihre Vorteile wahrzunehmen. Man kann die Gründe für Migration nicht eliminieren.“

Die Lösung: Freihandel plus bilaterale Abkommen?

Der europäische Fokus auf Fluchtverhinderung scheint gescheitert, insbesondere bilaterale Rückführungsabkommen, wie auch die Bundeskanzlerin sie auf ihrer Reise abermals vorgeschlagen hat, seien der falsche Weg. „Statt strukturellen Entwicklungshemmnissen mit multilateralen Ansätzen Rechnung zu tragen, werden sie einen Keil treiben zwischen afrikanische Nachbarländer“, zeigt sich Elisabeth Braune überzeugt. Die von der Bundeskanzlerin auf ihrer Reise ebenfalls beworbenen Freihandelsabkommen mit einigen Ländern des Kontinents werden die Lage eher verschlimmern, weil sie regionale Ansätze und Lösungen behindern. „Dieses Vorgehen entlässt außerdem Europa aus seiner Mitverantwortung, beispielsweise durch unfair gestaltete Handels- und Rohstoffpolitik“, fügt Braune an. Vorbilder für eine fortschrittliche Migrationspolitik finden sich derweil in Afrika selbst: Südafrika und Uganda beispielsweise. Letzteres verleiht Geflüchteten unbürokratisch einen Status und erlaubt ihnen Bodennutzung zum Eigenbedarf. Um von diesen Beispielen zu lernen müsste Europa aber vor allem eines tun, sagt Elisabeth Braune: Wirklich zuhören und in einen offenen strategischen Dialog treten. So könnte eine Migrationspolitik in Europa gelingen - jenseits der Abschottung.

Ansprechpartner in der Friedrich-Ebert-Stiftung:

Elisabeth Braune


Ansprechpartnerin

Marie Meier

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Marie.Meier(at)fes.de