Nr: 10
Name: Die Gemeinden und ihr Geld

Was ist kommunale Wirtschaftsförderung

Inhalt:

  • Gewerbeansiedlung
  • Tourismusförderung als ein Beispiel von Wirtschaftsförderung
  • Notwendige Investitionen

Prof. Gunnar Schwarting, Verwaltungswissenschaftler 


Was ist kommunale Wirtschaftsförderung?


Für die nachhaltige Entwicklung einer Gemeinde ist eine stabile wirtschaftliche Basis erforderlich.

Als erstes geht es darum, möglichst viele Arbeits- und Ausbildungsplätze am Ort zu bieten. Wo attraktive Arbeitsplätze vor Ort sind, da ist der Trend zur Abwanderung - gerade von jüngeren Menschen - kleiner. Gleichzeitig soll damit die hohe Belastung der Beschäftigten und der Umwelt durch das Pendeln zur Arbeit verringert werden.

Ein zweiter wichtiger Aspekt für kommunale Wirtschaftsförderung ist, dass die Gewerbesteuer eine der zentralen Ertragsquellen der Gemeinden ist. Betriebe am Ort bedeuten daher in der Regel ein höheres Steueraufkommen, das zusätzlich für die Gemeinde zur Verfügung steht.

Ansiedlung von Betrieben: Flächennutzung und Steuerwettbewerb

Wirtschaftsförderung war in der Vergangenheit oft auf die Ansiedlung neuer Betriebe gerichtet:

  • Das setzt zunächst voraus, dass für neue Betriebe überhaupt Flächen zur Verfügung stehen.

  • Dazu muss eine vorausschauende Planung betrieben werden; denn die Gewerbeflächen müssen zuvor auch noch erschlossen werden.

  • Allerdings muss die Planung realistisch bleiben - sonst hat die Gemeinde Kosten für erschlossene Gewerbeflächen zu tragen, für die es keine Nachfrage gibt.


Die Ansiedlung neuer Betriebe ist nicht ganz einfach; denn die Zahl der Unternehmen, die einen neuen Standort suchen, ist begrenzt. Kritisch ist es, wenn Unternehmen, die an anderer Stelle in der Region aktiv sind, "angelockt" werden sollen:

  • Waren früher ein niedriger Grundstückspreis oder die Übernahme der Erschließung durch die Gemeinde übliche Methoden der Wirtschaftsförderung, so ist dies mittlerweile nach den Regeln des europäischen Beihilferechts nahezu ausgeschlossen.

  • In jüngerer Zeit ist aber mit der Höhe des Gewerbesteuer Ansiedlungspolitik versucht worden. Der Extremfall waren Gemeinden (z.B. Norderfriedrichskoog in Schleswig-Holstein), die mit einem Hebesatz bei der Gewerbesteuer von Null geworben haben. Das ist inzwischen nicht mehr zulässig.


Doch niedrige Hebesätze, die deutlich unter dem Durchschnitt liegen, werden auch heute noch genutzt. Mit diesem Vorgehen hat Monheim bei Düsseldorf zahlreiche Betriebe aus der Region in das Stadtgebiet geholt. Mit Verweis auf einen niedrigen Hebesatz hat die Deutsche Börse ihren Sitz von Frankfurt nach Eschborn begründet.

Regional betrachtet, ist das oft ein "Nullsummenspiel". Viele Gemeinden, gerade in Rheinland-Pfalz, können sich einen solchen Hebesatzwettlauf übrigens gar nicht leisten.

Verkehrsanbindung und Telekommunikationsnetze

Abgesehen von der Steuerbelastung muss für Unternehmen, die sich ansiedeln wollen, auch die Infrastruktur "stimmen":

  • Sie benötigen eine Anbindung an das überörtliche Verkehrsnetz (Bundesstraßen, Autobahnen oder auch Bahnanschluss).

  • Sie brauchen qualifizierte Arbeitskräfte, und

  • sie erwarten - immer bedeutsamer - einen Anschluss an ein leistungsfähiges Breitbandnetz für "schnelles Internet" (Stichwort Digitalisierung).


Ohne eine gute Infrastruktur nützt auch ein niedriger Hebesatz als Anreiz zur Ansiedlung nichts mehr.

Der Alltag einer Wirtschaftsförderung ist heute vor allem dadurch geprägt, den Unternehmen bei ihren konkreten Anliegen, z.B. bei einer Betriebserweiterung oder der Genehmigung einer neuen technischen Anlage zu helfen.

Die Wirtschaftsförderung ist damit eine Art "Kümmerer-Stelle". Sie soll die Unternehmer_innen durch die zuständigen Behörden führen und mit ihnen gemeinsam nach Lösungen suchen. Wirtschaftsförderung ist damit eine Querschnittsaufgabe innerhalb der Verwaltung; im ländlichen Raum ist diese oft auch bei der Kreisverwaltung angesiedelt.

Herausforderung: Einkaufsmöglichkeiten

Eine zweite Aufgabe ist noch schwieriger. Nahezu alle Innenstädte und Ortskerne in Deutschland leiden unter einem Schwund des Einzelhandels:

  • In vielen Dörfern hat inzwischen der letzte Bäcker geschlossen.
  • In den Städten stehen abseits der Top-Lagen viele Geschäftslokale leer oder werden von Billigläden übernommen.

Das lässt sich auf verschiedene Ursachen zurückführen. Viele Ladeninhaber finden keine Nachfolger und sie sehen sich außerdem einer zunehmenden Konkurrenz des Internethandels und des Handels "auf der grünen Wiese" gegenüber.

Die Wirtschaftsförderung (in größeren Städten manchmal auch eine gesonderte Management-Stelle für die Innenstadt) muss versuchen, Immobilienbesitzer_innen von einer angemessenen Mietgestaltung zu überzeugen, andererseits Start-Ups im Einzelhandel im Zusammenwirken mit der Industrie- und Handelskammer (IHK), Gewerbevereinen vor Ort und anderen Institutionen zu unterstützen.

Dabei geht es nicht nur darum, den Start zu erleichtern und Fördermöglichkeiten zu kennen; sondern es ist auch wichtig, das Unternehmen in der Folgezeit zu begleiten. Denn viele Start-Ups scheitern an administrativen Hürden (Steuern, Sozialversicherung u.a.).

In kleineren Orten kann z.B. auch die Gründung eines genossenschaftlich organisierten und ehrenamtlich geführten Dorfladens in Betracht kommen.

Die Wirtschaftsförderung einer Kommune ist aber nicht nur Anlaufstelle; sie benötigt auch ein umfassendes Netzwerk:

  • Die Leute in der Wirtschaftsförderung brauchen Aufgeschlossenheit gegenüber den Anliegen der Betriebe und Unternehmen und die Bereitschaft, auf die Personen und Organisationen in der Gemeinde zuzugehen, die für das wirtschaftliche Leben am Ort wichtig sind.

  • Vor allem müssen sie "zweisprachig" sein; d.h. sie sollen sowohl von den Unternehmern als auch von der Verwaltung verstanden werden.

  • Damit nehmen sie eine Sonderstellung innerhalb der Verwaltung ein und es ist wichtig, dass sie die Unterstützung der "Hausspitze" (Bürgermeisterin oder Bürgermeister) haben.

Ein Beispiel für Wirtschaftsförderung: Tourismus

Rheinland-Pfalz ist ein Land mit vielen touristischen Attraktionen. Der Tourismus ist daher für viele Regionen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor:

  • Die Rheinland-Pfalz-Tourismus GmbH und die regionalen Tourismusorganisationen bewerben den Urlaub in Rheinland-Pfalz weltweit.

  • Erfolgreich kann die Tourismuswerbung aber nur sein, wenn die touristische Infrastruktur vor Ort "stimmt". Die Gemeinde muss daher ständig im Gespräch mit Hotellerie und Gastronomie sein und versuchen, deren Arbeit zu unterstützen. Gemeinsam können touristische Events geschaffen werden.

  • Für das "Weinland" Rheinland-Pfalz ist die Kooperation mit den Winzer_innen und ihren Organisationen ein guter Anknüpfungspunkt.

  • Ganz wichtig ist aber auch die örtliche Tourismus-Information; hier muss die Gemeinde selbst aktiv werden. Die Stelle sollte kompetent besetzt und geöffnet sein, wenn die Gäste Auskünfte benötigen.

  • Da die Tourist-Info in vielen kleineren Gemeinden ehren- oder nebenamtlich betrieben wird, ist das eine große Herausforderung.

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