Nr: 18
Name: Themen und Perspektiven

Wie können sich Bürger_innen direkt an der Kommunalpolitik beteiligen?

„Die Gemeindebürger wählen den Gemeinderat und mit der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen den ersten Bürgermeister“. Artikel 17 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern legt die demokratische Grundlage für die Arbeit und die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten gewählter Vertreter_innen in den kommunalen Gremien.

Für die Bürger_innen gibt es allerdings mehr Möglichkeiten als nur die Wahl alle sechs Jahre, um die Politik auf kommunaler Ebene mitzugestalten und mitzubestimmen. Die Gemeindeordnung sieht dafür verschiedene Instrumente vor, die in den Artikeln 18, 18 a und 18 b erläutert werden..

Die Bürgerversammlung

In jeder Gemeinde haben die (ersten) Bürgermeister_innen mindestens einmal pro Jahr eine Bürgerversammlung einzuberufen, bei der die Gemeinde betreffende Angelegenheiten erörtert werden. Der Gemeinderat kann auch eine häufigere Durchführung beschließen.

Zusätzlich muss eine Bürgerversammlung innerhalb von drei Monaten stattfinden, wenn das mindestens 5 Prozent der Gemeindebürger_innen unter Angabe der Tagesordnung schriftlich beantragen. In Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohner_innen sinkt diese Quote auf 2,5 Prozent. In größeren Kommunen sollen Bürgerversammlungen dezentral in verschiedenen Gemeindeteilen anberaumt werden.

Bei diesen öffentlichen Veranstaltungen genießen gemäß Artikel 18 der Bayerischen Gemeindeordnung grundsätzlich alle Gemeindeangehörigen, also alle in dieser Kommune lebenden Personen, ein Mitspracherecht. Stimmberechtigt sind hingegen ausschließlich die Gemeindebürger_innen, also nur jene Personen, die auch an der Kommunalwahl teilnehmen dürfen.

Bei jeder Bürgerversammlung können Anträge eingebracht werden, über die die Anwesenden abstimmen. Erhalten die Anträge eine Mehrheit, werden sie zu Empfehlungen, die im Gemeinderat innerhalb von drei Monaten behandelt werden müssen.

Bürgerbegehren und Bürgerentscheid

Seit dem 1.Oktober 1995 sind nach einem erfolgreichen Volksentscheid kommunale Bürgerbegehren und Bürgerentscheide möglich. Bis Ende 2017 fanden in Bayern 2.412 Bürgerbegehren und 1.786 Bürgerentscheide statt.

Die Bürger_innen können in ihrer Kommune bzw. ihrem Landkreis mit einem Bürgerbegehren einen Bürgerentscheid über „Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises“ beantragen. Zunächst benötigen Initiativen eine bestimmte Anzahl von Unterschriften aus dem aktuellen „Bürgerverzeichnis“ der Kommune.

Die Gemeindeordnung legt in Artikel 18 a fest, dass ein Bürgerbegehren in Gemeinden

bis zu    10.000 Einwohnern von mindestens    10 v.H.,
bis zu    20.000 Einwohnern von mindestens    9 v.H.,
bis zu    30.000 Einwohnern von mindestens    8 v.H.,
bis zu    50.000 Einwohnern von mindestens    7 v.H.,
bis zu    100.000 Einwohnern von mindestens    6 v.H.,
bis zu    500.000 Einwohnern von mindestens    5 v.H.,
mit mehr als    500.000 Einwohnern von mindestens    3 v.H.

der Gemeindebürger_innen unterschrieben sein muss.

Die Landkreisordnung schreibt für Kreise bis 100.000 Einwohner_innen Unterschriften von mindestens 6 v.H., im Übrigen von mindestens 5 v.H. der Kreisbürger_innen fest.

Ist das Quorum erreicht, hat der Gemeinderat bzw. Kreistag innerhalb eines Monats über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu entscheiden. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, müssen die Wähler_innen  innerhalb von drei Monaten über diesen Bürgerentscheid abstimmen. Die Frage ist so zu formulieren, dass sie mit Ja oder Nein beantwortet werden kann.

Seit 2016 ist auch ein „Briefwahl-Bürgerentscheid“ möglich. Kommunen können in einer Satzung festlegen, dass alle Abstimmungsberechtigten zusammen mit der Benachrichtigung über einen Bürgerentscheid auch Briefabstimmungsunterlagen erhalten. In der Stadt Pfaffenhofen a. d. Ilm stieg die Beteiligung bei zwei Bürgerentscheiden mit dieser neuen Abstimmungsmöglichkeit auf durchschnittlich 60 %..

Bei einem Bürgerentscheid ist die gestellte Frage in dem Sinn entschieden, in dem sie von der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen beantwortet wurde. Ein Bürgerentscheid ist erfolgreich, wenn in Gemeinden bis zu 50.000 Einwohner_innen mindestens 20 Prozent, bis zu 100.000 mindestens 15 Prozent und in Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohner_innen mindestens 10 Prozent der Stimmberechtigten für das Anliegen abgestimmt haben.

Beispiel: X-Stadt hat 40.000 Einwohner_innen und will im Ortsteil Glücksfeld ein neues Baugebiet ausweisen. Da diese Fläche seit jeher der Naherholung dient, gibt es Widerspruch und es kommt zu einem Bürgerentscheid über die Frage: „Soll im Ortsteil Glücksfeld ein neues Baugebiet entstehen – ja oder nein?“

Abstimmungsberechtigt in X-Stadt sind 30.000 Personen. Der Bürgerentscheid ist dann entschieden, wenn eine der beiden Antworten von mindestens 6.000 Wahlberechtigten (= 20 %) angekreuzt wurde. Das Baugebiet ist also nur abgelehnt, wenn mindestens 6.000 Stimmberechtigte mit „Nein“ votiert haben.

An das Ergebnis des Bürgerentscheids ist der Gemeinderat nur für ein Jahr gebunden.

Der Bürgerantrag

Die Gemeindeordnung kennt noch den „Bürgerantrag“. Unterschreibt ein Prozent der Gemeindebürger_innen einen Antrag an den Gemeinderat, muss er innerhalb von drei Monaten dort behandelt werden.

Weitere Informationen erhalten Sie hier:

https://www.fes.de/kommunalakademie/grundwissen-kommunalpolitik

Bei Fragen und Rückmeldungen wenden Sie sich gerne an die KommunalAkademie Bayern:

https://www.fes.de/regionalbuero-regensburg

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