Nr: 20
Name: Themen und Perspektiven

Was ist kommunale Sozialpolitik?

Artikel 20 Absatz 1 unseres Grundgesetzes legt fest: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“. Das Prinzip der Sozialstaatlichkeit bildet eine der tragenden Säulen der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. 

Das Prinzip der Sozialstaatlichkeit

In einem Urteil von 1975 präzisierte das Bundesverfassungsgericht, dass sich aus dem verfassungsrechtlichen Auftrag des Grundgesetzes die Sicherstellung einiger grundlegender Fürsorgepflichten des Staates gegenüber seinen Bürger_innen ergeben. Darunter fallen nicht nur die grundlegende Existenzsicherung (Wohnen, Kleidung, Essen, gesundheitliche Versorgung), sondern auch soziokulturelle Teilhabemöglichkeiten für alle Mitglieder der Gesellschaft.

Unter diesen Voraussetzungen wird Sozialpolitik zu einem der zentralsten und zugleich komplexesten Politikfelder. Es umfasst zahlreiche Aufgaben und Leistungen, definiert Träger und Empfänger und bestimmt das Leben Einzelner, wie kaum ein anderer politischer Bereich.

Die vier „A“s kommunaler Sozialpolitik

Die Umsetzung sozialpolitischer Maßnahmen auf kommunaler Ebene lässt sich in vier Kernaufgaben gliedern:

1.    „A“ufwachsen:
Die Bedingungen von Heranwachsenden verbessern, Kinder-  und Jugendrechte schützen und durchsetzen, Familien stärken, Bildung fördern.

2.    „A“rmut:
Armut verhindern und bekämpfen, Chancen(gleichheit) fördern, soziale Gerechtigkeit umsetzen und gesellschaftsübergreifende Inklusion ermöglichen.

3.    „A“lter:
Die Herausforderungen des demografischen Wandels und eine alternde Gesellschaft so gestalten, dass aus „Alter“ nicht „Altersarmut“ wird.

4.    „A“rbeit:
Trotz beschränkter kommunaler Handlungsspielräume gilt es, die Arbeitsmarktchancen und Arbeitsbedingungen vor Ort mitzugestalten und Beschäftigung zu ermöglichen bzw. zu fördern.

Diese vier Kernbereiche werden von weiteren zentralen Aufgaben flankiert. Sie umfassen soziale und nachhaltige Maßnahmen zur Stadtentwicklung, Stärkung und Förderung des bürgerschaftlichen Engagements, die Verbesserung von Zuwanderungs- und Integrationsbedingungen sowie die Umsetzung gendersensibler Gleichstellungspolitik.

Umsetzung kommunaler Sozialpolitik

Die Gemeinden und Städte sind die erste und unmittelbare politische Ebene, mit der Bürger_innen in besonderen sozialen Lagen zu tun haben. So sind es die Sachverständigen, Entscheidenden, Sozialarbeiter_innen oder andere Vertreter_innen sozialer Träger, an die sich Menschen wenden, die sozialer Unterstützung bedürfen. Sie sind es, die im Sinne der allgemeinen Daseinsvorsorge zur Hilfeleistung aufgefordert und unmittelbar mit den Folgen verfehlter Politik anderer Ebenen konfrontiert werden.

Die Durchführung sozialpolitischer Maßnahmen beruht auf dem Subsidiaritätsprinzip. So ist für die Sozialgesetzgebung vielfach der Bund oder das Land zuständig. Zwar nehmen die Kommunen sozialpolitische Aufgaben auch in eigener Verantwortung wahr, sie sind aber vorwiegend im „übertragenen Wirkungskreis“, das heißt, ausführend tätig.

Die kommunalen Ebenen, die in Bayern dabei mitwirken, sind als überörtliche Träger die Bezirke, und als örtliche Träger die Landkreise, die kreisfreien Städte, aber auch die kreisangehörigen Gemeinden. Letztere bieten beispielsweise Rentenberatung vor Ort an und sind bei der Wohnungssuche behilflich.

Wie auch in anderen Politikfeldern bestimmt die finanzielle Leistungsfähigkeit den Handlungsspielraum einer Stadt oder Gemeinde im eigenen Wirkungskreis. So sind Kommunen insbesondere in den Bereichen der Jugendfürsorge, der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, in der Bildungspolitik, im Bereich der Altenhilfe und -pflege oder bei Integrationsfragen der erste Ansprechpartner für die Bürger_innen. Dabei übersteigt der Bedarf nicht selten die finanziellen Möglichkeiten einer Kommune.

Enge Kooperation mit weiteren Akteuren

Auch deshalb sind heute zahlreiche Städte und Gemeinden auf die Zusammenarbeit mit Wohlfahrtsverbänden wie Caritas, Diakonie und Arbeiterwohlfahrt, Kirchen, Gewerkschaften oder bürgerschaftlich organisierten Vereinen wie die „Tafel“ angewiesen, um die Versorgung ihrer Bürger_innen gewährleisten zu können.

Voraussetzung für die erfolgreiche Arbeit all dieser Akteure ist eine umfassende Abstimmung und gute Kooperation von Haupt- und Ehrenamtlichen. Gerade das unermüdliche Engagement der vielen zehntausend ehrenamtlichen Helfer_innen in Bayern macht in vielen Gemeinden Stadtteilarbeit, Nachbarschaftshilfe und Betreuungsangebote überhaupt erst möglich. Der Einsatz dieser Menschen bereichert den Alltag in unseren Kommunen und stärkt das soziale Miteinander.

Eine erfolgreiche Sozialpolitik erfordert  nicht zuletzt auch die enge Abstimmung mit den Landkreisen und Nachbarkommunen sowie den Trägern der Pflichtleistungen nach dem SGB wie den Kranken-, Arbeitslosen-, und Pflegeversicherungen.

Der Sozialstaat in Deutschland basiert auf den Prinzipien von Solidarität, Subsidiarität und Partnerschaft. Wer den „vorsorgenden Sozialstaat“ als Zukunftsmodell verwirklichen möchte, muss die kommunale Ebene der Sozialpolitik stärken und ihre Möglichkeiten weiter verbessern.

Weitere Informationen erhalten Sie hier:

https://www.fes.de/kommunalakademie/grundwissen-kommunalpolitik

Bei Fragen und Rückmeldungen wenden Sie sich gerne an die KommunalAkademie Bayern:

https://www.fes.de/regionalbuero-regensburg

Text-Download