DSCHINGIS KHAN

Das riesige Mongolenreich (1300-1400)

Mongolischer Reiter in der Steppe Asiens

In der europäischen Geschichtsschreibung wird das Mittelalter gerne durch die Kreuzzüge definiert. Global betrachtet fanden die Kämpfe um Jerusalem zwischen Christen und Muslimen jedoch eher am Rande statt. Die Bühne, auf der die Weltordnung verhandelt wurde, lag weiter östlich.
     Die nomadischen Steppengesellschaften eroberten unter Dschingis Khan ab dem 12. Jahrhundert von Zentralasien aus fast den gesamten asiatischen Kontinent und verbreiteten überall Angst und Schrecken. In ihren Feldzügen drangen sie über den Kaukasus und Balkan bis Wien und Skandinavien vor. Von der Wüste Gobi aus reichte die Expansion über Persien und Mesopotamien bis nach Ägypten, zum Himalaya, bis nach China und Südostasien.
     Im 13. Jahrhundert kontrollierten sie ein Weltreich, das über die größte zusammenhängende Landausdehnung in der Geschichte verfügte. Es brachte Zentralasien drei Jahrhunderte der Stabilität und des Wohlstands.

So könnte Dschingis Khan ausgesehen, gelebt und gekämpft haben
Das größte zusammenhängende Reich auf Erden war das mongolische. Ihre Hauptstadt Cambalic, „Stadt des Khan“, ist noch heute eine der größten der Welt: Peking
Diese Miniatur aus dem frühen 15. Jahrhundert zeigt Dschingis Khan im Kampf

Das Erfolgsrezept der Eroberungsfeldzüge von Dschingis Khan und den Steppenvölkern bestand weniger darin, fremde Gebiete einfach zu überrennen, wie es in der Geschichtsschreibung oft dargestellt wird.
     Was die Macht und Ausdehnung der Herrschaft sicherte, war vielmehr, dass die mongolischen Reiterstämme geplant und geduldig vorgingen, strategische Bündnisse schlossen und Beute und Reichtümer großzügig unter den Anhängern verteilten. Dschingis Khan war also mit denselben Prinzipien erfolgreich wie vor ihm die Perser oder die Muslime unter Mohammed. Ein wichtiger strategischer Schachzug war beispielsweise, die Uiguren westlich von China einzugliedern, indem Dschingis Khan eine seiner Töchter mit deren Stammesführer verheiratete. Die Kultur der Uiguren, ihre Sprache, das Alphabet, die Schriftgelehrsamkeit, spielte eine wichtige Rolle für die Mongolen. Schreiber und Beamte wurden in den mongolischen Dienst aufgenommen.
     Im späten 13. Jahrhundert kapitulierte auch der letzte Teil von China vor dem Vorwärtsdrängen der Mongolen nach Südosten. Ein Enkel von Dschingis Khan rief sich als chinesischer Kaiser aus und gründete dort, wo das alte Zhongdu stand, eine neue Stadt, die zur Hauptstadt des riesigen Reiches werden sollte, das sich nunmehr vom Pazifik bis zum Mittelmeer erstreckte: Peking. Mit einer Kriegsführung, die technisch immer auf dem neuesten Stand war, konnten Städte schnell eingenommen werden. Die Loyalität der neuen Untertanen sicherten sich die Steppennomaden, indem sie zerstörte Städte schnell wieder aufbauten, Kunst, Kultur und Handwerk förderten und die Produktion von Gütern wiederbelebten.
     Die einzigen, die in der Lage waren, den Mongolen auf ihrem Weg zur Weltherrschaft die Stirn zu bieten, waren Männer, die selbst aus der zentralasiatischen Steppe stammten. Im Westen hatten die Mamluken das Kalifat in Ägypten unter ihre Herrschaft gebracht. Dorthin kamen sie ursprünglich als Militärsklaven, die aus nomadischen Stammesverbänden nördlich des Schwarzen Meeres verschleppt worden waren. Der Showdown im Kalifat war nicht einfach ein Kampf um die Vormacht, sondern „der Triumph eines politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Systems“, bemerkt Frankopan.

„Die Schlacht um die mittelalterliche Welt wurde zwischen Nomaden aus Zentral- und aus Ostasien ausgefochten.“

Die Hagia Sophia erzählt von der Begegnung zwischen West und Ost in Konstantinopel: Erst war sie byzantinische Kirche, dann Moschee im Osmanischen Reich, heute ist sie Museum

Die Mongolen legten den wirtschaftlichen Grundstein für das nächste Reich, das aus ihrem hervorging und noch länger halten sollte: das Osmanische Reich. Im Jahr 1299 wurde es gegründet, erst 1922 war es am Ende. Das Osmanische Reich war die muslimische Großmacht, die im europäischen Raum vom 16. bis weit ins 19. Jahrhundert hinein mit den christlichen Mächten Spanien, Portugal, Großbritannien, dem Heiligen Römischen Reich oder Frankreich um die politische, wirtschaftliche, militärische oder kulturelle Vormacht rang. Und dabei das gesamte östliche und südliche Mittelmeer dominierte.
     Die Geschichte der beiden Großreiche verdeutlicht eines: Wie entscheidend es für die Nachwelt sein kann, dass Historiker gefördert werden, die ein günstiges Bild ihres jeweiligen Reiches entwerfen. Was wir heute von der Vergangenheit der Mongolen wissen, entnehmen wir ausschließlich der Geschichtsschreibung von denjenigen, die den Schrecken festhielten. Andere Quellen haben wir nicht.