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Politik und Gesellschaft Online
International Politics and Society 3/1999

Vorläufige Fassung / Preliminary version

STEFAN BRÜNE
Erfolgskontrolle in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit
Hamburg 1998
Deutsches Übersee-Institut, 271 S.

„Über Entwicklungspolitik läßt sich trefflich streiten"- so leitet Stefan Brüne einen Sammelband ein, der in zwölf Beiträgen die Theorie und Praxis der Erfolgskontrolle in der Entwicklungszusammenarbeit darstellt.

Gegenstand der Erfolgskontrolle: Entwicklungspolitik. In wenigen Politikfeldern wird über deren Sinn und Unsinn öffentlich so viel diskutiert wie in der Entwicklungspolitik. Es gibt kaum etwas, das Entwicklungshilfe nicht leisten soll: Hilfe für die Ärmsten, Besserstellung der Frauen, Schutz der Umwelt, Verteidigung der Menschenrechte, Förderung der Demokratie, Überwindung des Hungers, Friedenssicherung oder wirtschaftliche Entwicklung. In diesem „Steinbruch flexibel gewählter Ansprüche" kann sich jeder wiederfinden, gleich welcher politischer Couleur und persönlicher Glaubensfragen. Entsprechend komplex ist die Bandbreite der Kritik an der Entwicklungszusammenarbeit. Fundamentalkritiker sehen Entwicklungshilfe als ein Instrument der Reichen. Einheimische Strukturen würden zerstört und die Macht der korrupten Eliten gestärkt, die als Statthalter der Interessen der Geberländer fungierten. Nach liberalen Ordnungsvorstellungen verhindert Hilfe, die nichts kostet, grundsätzlich Eigeninitiative und kann nicht zu Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit führen.

Der Skepsis stehen die eindrucksvollen Bilanzen der Geberorganisationen gegenüber: 63 Prozent ihrer Projekte evaluiert die Weltbank als erfolgreich, die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) verzeichnet bei den seit 1988 geprüften Projekten eine durchschnittliche Erfolgsquote von 71 Prozent, eine Erfolgsquote von über 80 Prozent errechnet die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ).

Das Gemeinsame aller Kritiker und Befürworter ist die chronische Überschätzung der realen Möglichkeiten von Entwicklungshilfe: 1996 wurden weltweit nur 58 Mrd. US Dollar für Entwicklungshilfe ausgegeben, was etwa der Hälfte der Ausgaben der westlichen Allianz für den zweiten Golfkrieg entspricht. Selbst wenn die Entwicklungshilfegelder in einigen Staaten eine erhebliche Größe im Budget darstellen (Mosambik 69 Prozent, Tansania 39 Prozent des BSP), sieht ein Autor in der Entwicklungspolitik zu einem Großteil „öffentlichkeitsabhängige symbolische Politik".

Probleme der Evaluierung. Die Evaluierungspraxis steht vor einer Reihe von Herausforderungen, wenn in einem derart komplexen Politikfeld eine systematische Erfolgskontrolle etabliert werden soll. Ein Grundproblem ist die Frage, was gilt als „Erfolg"? Erst wenn diese Frage beantwortet ist, kann über die Methode der Erfolgskontrolle entschieden werden. Gilt als Erfolg „Rentabilität", werden betriebswirtschaftliche Verfahren benötigt. Für die Messung von „Wachstum" sind Sektoranalysen erforderlich und für „entwicklungspolitische Relevanz" müssen gesellschaftliche Fragen einbezogen werden. Letztlich ist die Definition des Erfolgs eine politische Wertung und damit selten objektiv nachvollziehbar.

Der zweite Problembereich ist die Entdeckung und Messung von Kausalzusammenhängen. Fast immer leidet eine Erfolgskontrolle an einem Mangel an Informationen darüber, was ein Projekt tatsächlich bewirkt hat. Dies scheint noch am ehesten in der technischen Zusammenarbeit oder bei der Frage nach effizientem Projektmanagement lösbar. Die meisten Bewertungen von Projekten sind daher eher „Projektprüfungen". Je gesellschaftspolitischer die Zielsetzungen jedoch sind, desto schwerer wird der Zusammenhang von Fördermaßnahme und Wirkung. Statistische Verfahren sind Momentaufnahmen und erfassen kaum dialektische Wechselwirkungen, die zu Selbstbewußtsein führen können oder zu der positiven Erfahrung, sich in einer Gruppe zu organisieren.

Der Evaluierer steht außerdem vor dem Problem mangelnder Transparenz der Zielsetzungen von entwicklungspolitischen Maßnahmen. Versteht man Entwicklungspolitik als Interessenpolitik, so verfügen die Akteure auf der Geber- und Nehmerseite jeweils über eine „hidden agenda", die sich hinter den offiziell deklarierten Projektzielen verbirgt. Viele Geberländer „betreiben ihr Hilfsgeschäft wie einen Geheimdienst" und zeigen geringe Bereitschaft, ihre Entscheidungsprozesse den Verfahren der Bewertung und Wirkungsmessung zu offenbaren. Aber auch die Zunft der Evaluierer verfolgt ihr Eigeninteresse. Das Ziel heißt „Anschlußverträge", was den Projekten kalkulierbare Kritik bringt und einen für beide Seiten nützlichen Klientelismus entstehen läßt. Denn die Institution, die eine Evaluierung zuläßt, steht vor dem Dilemma zwischen Wahrheit und Werbung. In Zeiten knapper öffentlicher Gelder verstärkt sich der Rechtfertigungszwang und der Druck zur positiven öffentlichen Darstellung: Evaluierungsberichte vermengen sich mit Marketing für die Selbsterhaltung.

Die Probleme sind jedoch nicht neu, sondern stellen sich überall dort, wo nicht Preise und Märkte zur Objektivierbarkeit der Ergebnisse führen. In den USA ist die Evaluierung politischer Maßnahmen längst ein eigenes Forschungsgebiet. In Deutschland gibt es weder eine den USA vergleichbare Evaluierungsforschung, noch trägerübergreifende systematische Erfolgskontrollen in der Wirtschafts-, Sozial- oder Entwicklungspolitik.

Methoden der Evaluierung. Mittels entsprechender Methoden versucht die Evaluierungsforschung, das Problem von „viel Kritik – aber wenig profundes Wissen" einzugrenzen. Die Bedeutung von empirischer Arbeit verdeutlicht Richard Stockmanns Definition von Evaluierung: „systematische Anwendung empirischer Forschungsmethoden". Demnach reichen individualistische Mikrobetrachtungen, z.B. im Stile Brigitte Erlers („Tödliche Hilfe"), nicht aus. Solchen personenbezogenen, emotionalen Bewertungen fehlt der konzeptionelle Rahmen und damit eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Makroanalysen mit Aggregatsdaten zeigen die Entwicklung von Globalindikatoren wie Wachstum, Arbeitslosigkeit oder Lebensbedingungen. Der hohe Aggregationsgrad verwischt jedoch den Zusammenhang zwischen Entwicklungshilfe und Wirkung. Mit Globalindikatoren läßt sich alles und nichts belegen, je nachdem, ob relative, absolute, statische, dynamische, regionale oder sektorale Indikatoren ausgewählt werden. Ähnliches gilt auch für internationale Regressionsanalysen.

Die Beiträge aus der Evaluierungspraxis beim Deutschen Entwicklungsdienst (DED), der Evangelischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe (EZE), bei GTZ, KfW, Misereor, Weltbank und Welthungerhilfe geben einen Einblick in den herrschenden Methodenboom der Erfolgskontrolle. Jeder Typus von Entwicklungszusammenarbeit hat ein spezifisches Evaluierungskonzept. Für alle Organisationen hat die Bedeutung von Erfolgskontrolle zugenommen und es wird zumindest eine regelmäßige und systematische Selbstevaluierung vorgenommen.

Zu unterscheiden ist die Evaluierungspraxis der finanziellen und technischen Zusammenarbeit und die der kirchlichen und personellen Kooperation. Wo Darlehen in Millionenhöhe vergeben werden, muß die Geberseite eine quantifizierbare Erfolgsmessung über den Einsatz der öffentlichen Mittel vorlegen. Dabei lassen sich drei Arten unterscheiden. Die laufende Projektüberwachung (monitoring) betrifft Planerfüllung, Effektivität und Effizienz des Managements. Bei projektübergreifenden Sektor- und Länderstudien („cluster audits") wird versucht, sich aus der isolierten Betrachtungsweise des Projektes zu lösen und in der Betrachtung von Programmen eine bessere Vergleichbarkeit zu erzielen und externe Effekte einzufangen. Die „impact evaluation" wird etwa drei Jahre nach Projektende durchgeführt und mißt, was von den Projektergebnissen übrig geblieben ist.

Die Evaluierungen der kirchlichen und personellen Zusammenarbeit verfolgen in der Regel einen anderen Ansatz. Evaluierungen sind weniger ein Kontrollinstrument, sondern eher ein Teil der Projektarbeit und der inhaltlichen Auseinandersetzung. Selbstevaluierungen der Partnerorganisationen sollen dem Partner helfen und sind zugleich eine Bildungsmaßnahme. Bei der Evangelischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe werden Wirkungsstudien unabhängig von einer Weiterfinanzierung durchgeführt. So soll die offene und kritische Auseinandersetzung gesichert werden. Bei allen Organisationen wird dem Partnerschaftsgedanken - einer größtmöglichen Partizipation der Zielgruppe bei der Evaluierung - Priorität eingeräumt. Empirisch-statistische Verfahren sind die Ausnahme.

Zusammenfassend kann die vorliegende Analyse trotz der Uneinigkeit über die verschiedenen Methoden als ein eindeutiges Plädoyer für Evaluierungen in der Entwicklungszusammenarbeit gesehen werden. Die entscheidende Frage, ob Entwicklungshilfe durch Evaluierungen auch verbessert wird, wird von den Autoren durchgängig bejaht. Demnach kann und sollte die Erfolgskontrolle eine Verbesserung der Planungs- und Implementierungsperspektive der Entwicklungsorganisationen, eine stärkere Berücksichtigung der Zielgruppe und einen Wandel von der Planungs- zur Verhandlungskultur bewirken. Die optimale Evaluierung bewirkt ein neues Führungsverständnis: Steuerung zur Selbststeuerung steht vor Kontrolle. Den Helfern und Experten soll der prozessuale Charakter der Zusammenarbeit vermittelt werden, indem die Arbeit vor Ort als ein gemeinsamer Leistungs- und Lernprozeß gesehen wird. Aus der Vielzahl der durchgeführten Evaluierungen der technischen Zusammenarbeit werden in der Studie offenere Vorgaben, häufigere Anpassungen, Programme statt Projekte und Geberkoordination als Empfehlungen für eine bessere Entwicklungszusammenarbeit genannt.

Norbert Eder
Friedrich-Ebert-Stiftung
Bonn


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