Politik und Gesellschaft Online
International Politics and Society 3/2001

 

Heidemarie Wieczorek-Zeul

Der Umbau zu einer neuen Weltordnung
Globale Strukturpolitik, Entwicklungspolitik und ihre praktischen Beiträge

Die fortschreitende Globalisierung schafft einen Handlungsbedarf, der weit über die Wirtschafts- und Finanzmärkte hinausgeht. Die Kommunikation (Internet) oder beispielsweise das Transportwesen oder der Tourismus haben sich bereits „globalisiert“; es „globalisieren sich“ unter den Maßstäben des Wettbewerbs auch Bereiche der Bildung, ein erheblicher Teil von Fernsehen, Film und Theater, sogar der Jugendkultur. Auch vom freiheitlichen Rechtsstaat und seinen aus der europäischen Aufklärung her abgeleiteten Grundlagen geht ein Globalisierungsdruck aus: seine Wertvorstellungen der Menschenrechte, Solidarität und soziale Verantwortung sind wesentliche Elemente, um mit den Herausforderungen und Chancen der Globalisierung umgehen zu können[1]. Rechtsstaatliche Grundlagen, die von der öffentlichen Gewalt demokratisch kontrolliert werden, sind ein Gebot für Frieden und Gerechtigkeit und damit eine der Grundvoraussetzungen der Sicherung von Menschenrechten und zivilisatorischer gesellschaftlicher Entwicklung.

Der Neoliberalismus, der die Lösung der globalen Probleme vollständig den Marktkräften überlassen will, kann diese Aufgaben nicht übernehmen. Es ist die Politik, die sich einem globalen Handlungsbedarf gegenüber sieht, der allein auf dem bisherigen Modell der Politik, der Demokratie im Einzelstaat, nicht zu bewältigen ist. Die Grundlagen der Politik haben sich im Rahmen der Globalisierungsprozesse verändert. Je mehr die Staaten gesellschaftlich und wirtschaftlich verflochten werden, desto weniger können sie ihre eigenen Probleme allein lösen. Keine Regierung kann heute allein das Weltklima schützen, den internationalen Terrorismus und Drogenhandel bekämpfen oder die breite Armut in Entwicklungsländern bekämpfen – um nur einige Beispiele zu nennen. Grenzüberschreitende und globale Entwicklungen im Rahmen der Globalisierungsprozesse haben somit den Bedarf der Politik an internationalen rechtlichen Regelwerken und Institutionen, multilateralen Kooperationsformen und –mechanismen erhöht; die Politik muss darauf antworten, um nicht ihre Gestaltungs­möglichkeit und Handlungsmacht zu verlieren. Was in den letzten Jahren unter den Stichworten „Global Governance“, „Transformation des National- zum Transnationalstaat“ oder Weltinnenpolitik diskutiert worden ist, hat Auswirkungen auf die Gestal­tung der internationalen Beziehungen eines Einzelstaates und somit auch Auswirkungen auf die Entwicklungspolitik. Sie ist eine wichtige Säule bei der Gestaltung der internationalen Beziehungen. Die Gestaltung der internationalen politischen Beziehungen braucht in den Globalisierungsprozessen eine Vision, um internationale Kooperationen nachhaltig zu stabilisieren. Dieses politische Konzept wirft Fragen der Finanzierung und Kostenverteilung auf, die sich in den nächsten Jahren noch markanter stellen werden. Doch eines steht schon heute fest: Investitionen in die internationale Entwicklungszusammenarbeit sind preiswerter als jedwede nachträgliche Schadensbeseitigung nach Kriegen und Konflikten.

Warum sind Strukturveränderungen in Entwicklungsländern erforderlich?

Was Staaten in der Vergangenheit nie gewesen sind, nämlich autarke Gemeinwesen, trifft in den gegenwärtigen Globalisierungsprozessen noch viel weniger zu. Die Entwicklungsländer stehen vor den Herausforderungen von Innovationen, um nicht weiter marginalisiert zu werden: wie die Industrieländer können auch sie die meisten Probleme nicht „im eigenen Haus“ lösen, und auch für sie gilt, dass sich die weltweiten Veränderungen mit der überlieferten Struktur souveräner Einzel- und Nationalstaaten letztlich nicht bewältigen lassen. Sie müssen sich befähigen bzw. durch in­ternationale Zusammenarbeit befähigt werden, den Anforderungen globaler Kooperationen gerecht zu werden, um in der Architektur einer neuen Weltordnung in partnerschaftlichen Kooperationen ihre eigenen Interessen wahrzunehmen.

Der Umbau zu einer neuen Weltordnung und die internationalen Beziehungen des 21. Jahrhunderts werden wesentlich davon geprägt sein, inwieweit es gelingt, die Entwicklungsländer beim Aufbau tragfähiger wirtschaftlicher, sozialer und demokratischer Strukturen zu unterstützen, Armut deutlich zu mindern, das Bevölkerungs­wachstum zu bewältigen, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten sowie Konflikt- und Fluchtursachen zu beseitigen und wirksame Hilfe bei akuten Hungersnöten und Katastrophen zu leisten. Die folgenden Fakten belegen den wachsenden Druck, dem sich die Entwicklungsländer, aber auch die internationale Gemeinschaft ausgesetzt sehen:

  • Fast die Hälfte der Menschheit lebt mit weniger als zwei US-Dollar täglich in einer Armut, die die Würde des Menschen verletzt. Weltweit ist der Anteil der in absoluter Armut lebenden Menschen, die unter einem US-Dollar pro Tag verfügen, zwischen 1987 und 1999 zwar von 29 Prozent auf 26 Prozent gesunken. Die absolute Zahl ist mit fast 1,2 Milliarden Menschen aber gleich geblieben. Armutsfragen sind Verteilungsfragen, und damit politische Fragen: denn der Armutszustand ist auch Zustand der Recht- und Machtlosigkeit. Dabei ist die weltweite Ressourcenausstattung durchaus ausreichend, aber der Zugang ist extrem ungleich verteilt. Innerhalb vieler Entwicklungsländer ist die Kluft zwischen arm und reich weiter gewachsen. Im Übrigen: die Kategorien „arm“ und „reich“ lassen sich immer weniger der Sichtweise „Süd“ und „Nord“ zuweisen; der Weltentwicklungsbericht 2000/2001 weist nach, dass die Zahl der absolut Armen in Osteuropa und Zentralasien von 1,7 Millionen im Jahre 1987 auf 24 Millionen im Jahr 1998 angewachsen ist. Zugleich verfügen nach einer Studie des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) die drei reichsten Einzelpersonen über ein Vermögen, das größer ist als das Einkommen der 600 Millionen ärmsten Menschen in Entwicklungsländern.


  • Die Entwicklungsländer konnten seit 1973 ihren Anteil am Welthandel ausweiten – er betrug im Jahre 1997 etwa 28 Prozent. Den ärmsten Entwicklungsländern gelingt eine bessere Integration in die Weltwirtschaft jedoch nicht. Der Anteil Afrikas am Weltexport sank von 5,9 Prozent im Jahre 1980 auf 2,0 Prozent Im Jahre 1998 hatten die ärmsten Entwicklungsländer nur einen Anteil von 0,4 Prozent am Welt­handel. Weltweite Direktinvestitionen betrugen in diesen Ländern ebenfalls nur 0,4 Prozent.

  • Zugleich ist die Abkopplung der Entwicklungsländer in zukunftsweisenden Branchen bereits heute deutlich: von den 276 Millionen Internetnutzern – das sind we­niger als 5 Prozent der Weltbevölkerung – leben ca. 90 Prozent in den Industrieländern. In New York gibt es mehr Internetanschlüsse als auf dem gesamten afrikanischen Kontinent, in Finnland mehr als in Lateinamerika und der Karibik zusammen. Diese digitale Kluft muss überwunden werden, wozu erhebliche Investitionen in den Bereichen Bildung, Infrastruktur und Forschung erforderlich sind. Es darf nicht vergessen werden, dass ca. 880 Millionen Menschen noch immer Analphabeten sind.

Diese wenigen Beispiele und Tatsachen zeigen, dass nur dann ein höheres Maß an Integration und Kooperation in der Weltgemeinschaft erreicht werden kann, wenn diese fundamentalen Strukturdefizite insbesondere in den Entwicklungsländern und zu ihren Gunsten abgebaut werden. Dies gilt umso mehr, als die wesentlichen Konfliktlinien wie Armutskonflikte, ökologische Verteilungskonflikte oder ethnische Konflikte gewaltsam bzw. militärisch nicht zu lösen sind. Nur wenn es gelingt, diese Bedingungen zu verändern, können die Voraussetzungen für eine dauerhafte Integration der Entwicklungsländer in den Weltmarkt und deren Beteiligung an globaler Politik geschaffen werden. Die Fähigkeit zur Kooperation im internationalen System wird auch für Entwicklungsländer zur Fähigkeit, ihre interne und externe Souveränität so­wie Identität und Handlungsfähigkeit durchzusetzen. Ihre interne politische Legitimation spielt  dabei eine wichtige Rolle bei der Anschlussfähigkeit als internationale Kooperationspartner.

Von der Entwicklungshilfe zur globalen Strukturpolitik

Wenn es nicht gelingt, globale Zukunftsfähigkeit über einen Prozess multilateraler Verständigung und Vernetzung von lokalen, regionalen und globalen Ebenen und Ansätzen zu realisieren, ist auch die Zukunft der jetzt florierenden Industriegesellschaften gefährdet: als „Inseln“ in einer Welt, in der große Regionen sich selbst überlassen bleiben, werden sie – unter den modernen Bedingungen globaler Vernet­zung, internationaler Verkehrsströme und Kommunikation – auf Dauer nicht überleben können.

Ging die frühere Entwicklungshilfe davon aus, dass durch die Implementierung von Projekten in Ländern des Südens eine Modellwirkung zur Veränderung ihrer gesellschaftlichen Bedingungen ausgehen könne, so ist Entwicklungspolitik heute politischer geworden: Projekte allein reichen nicht aus, um Veränderungen von Strukturen erfolgreich vorzunehmen. Es wurde deutlich, dass nur durch eine Reihe von politischen Neuausrichtungen Veränderungen strukturpolitischer Art in Entwicklungsländern effektiv möglich, aber auch Strukturveränderungen in der internationalen Zusammenarbeit erforderlich sind.

Die Bundesregierung hat darauf mit dem Konzept der globalen Strukturpolitik reagiert: das Konzept der globalen Strukturpolitik geht davon aus, dass Armutsbe­kämpfung in Entwicklungsländern auf drei Pfeilern beruht:

  • auf der nationalen Politik der Entwicklungsländer,
  • auf der Veränderung der internationalen Rahmenbedingungen und
  • auf einer effizienten internationalen Entwicklungszusammenarbeit;

und dass Armutsbekämpfung ein alle Bereiche der Entwicklungspolitik überwölben­des Ziel ist – mit dem weiteren Verständnis von Armutsbekämpfung, wie ihn auch die Weltbank hat, security, empowerment, opportunity (Zugang  zu wirtschaftlichen Chancen). Einige Bespiele mögen jeweils genügen, um zu verdeutlichen, wie Refor­men und Veränderungen durchgesetzt werden können.

Nationale Politik der Entwicklungsländer

Auf der Ebene der nationalen Politik sind in vielen Entwicklungsländern politische Strukturreformen erforderlich. Für die Entwicklungsländer gibt es keine tragfähige dauerhafte Alternative zu internationaler Kooperation und damit zur Integration in die Weltwirtschaft. „Gute Regierungsführung“ bedeutet, Reformen in Politik und Wirtschaft durchzuführen und beispielsweise ihr Regierungshandeln transparent zu machen, die Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheidungsprozessen zu ermöglichen und aktiv zu fördern. Eine Finanz- und Wirtschaftspolitik, die auf Ar­mutsminderung ausgerichtet ist, gehört ebenso dazu wie ein stabiler makroökonomischer Rahmen – vor allem aber eine Politik der Förderung der Selbsthilfekräfte armer Bevölkerungsteile sowie die Sicherung sozialer Grunddienste und Sicherungssysteme. Wirtschaftliches Wachstum ist für den Entwicklungsprozess unverzichtbar. Aber es muss Wachstum sein, das der armen Bevölkerung zugute kommt. Verletzungen von Menschenrechten dürfen nicht nur aus politischen, sondern auch aus humanitären und ethisch-moralischen Gründen nicht hingenommen werden. Auch dafür haben die Entwicklungsländer Sorge zu tragen, um sich nicht letztlich aus der internationalen Kooperation tendenziell auszugrenzen. Die Festschreibung und Universalisierung der individuellen Menschenrechte in einem formalen Rechtssystem ist nicht nur eine der wichtigsten Errungenschaften in der nationalstaatlichen Entwicklung der Industrieländer gewesen, sondern ist heute für die Entwicklungsländer im Kontext der globalen Kooperation eine ihrer wichtigsten Aufgaben.

Die Leistungsfähigkeit des Staates muss erhöht, seine Verwaltung professionalisiert werden. Die Notwendigkeit von Effizienzsteigerungen im Management des öffentlichen Sektors und die Rechenschaftspflicht staatlicher Ausgaben sind Beispiele da­für, dass Politiker auch insoweit umlernen müssen. Hier geht es insbesondere um die Entpersonalisierung von staatlicher Herrschaft und um den Aufbau funktionstüchtiger, rational operierender Organisationen, die dazu beitragen, dass demokratische Partizipation ebenso ermöglicht und gefördert wird wie soziale Gerechtigkeit und eine konstruktive politische Konfliktkultur.

Veränderungen internationaler Rahmenbedingungen

Auf der Ebene der Veränderungen internationaler Rahmenbedingungen spielen die Diskussionen um Global Governance eine zentrale Rolle. Aus der Sicht der Entwicklungsländer klingt Global Governance oft wie eine Bedrohung, die auf die institutionelle Absicherung hegemonialer Macht der Industrieländer zu Lasten der Ent­wicklungsländer abzielt. Dies ist zwar – nicht zuletzt aus historischen Gründen – ver­ständlich, jedoch muss diese Haltung im Hinblick auf gemeinsame globale Zu­kunfts­fähigkeit überwunden werden. Wichtig ist: ohne die Kooperationsfähigkeit und –willigkeit der Entwicklungsländer lassen sich viele Probleme nicht lösen (z.B. Klima, Umwelt, Migration). Die Entwicklungsländer müssen dabei unterstützt werden, selber eigenständige Beiträge zu Global Governance zu leisten, die nur dann funktionieren kann, wenn sich globale, regionale, nationale und lokale Politikgestaltungen ergänzen. Auf der anderen Seite sind hier die Industrieländer, in denen durch unterschiedliche Interessenkoalitionen noch erhebliche Hindernisse dagegen beste­hen, gefordert, in einem globalen Multilateralismus langfristig wirksame Regeln, Kontroll- und Steuerungsmechanismen zu entwickeln, vor allem auf den Gebieten der Direktinvestitionen, des Wettbewerbs, der Arbeits- und Umweltstandards und der Korruptionsbekämpfung. Bei der Finanz- und Währungspolitik sind die entsprechenden Rahmenbedingungen zu setzen.

Eines der bislang noch bestehenden großen Hindernisse sind die Verschlechterungen der Terms of Trade für die Entwicklungsländer, die, wie es die letzten Monate gezeigt haben, nicht nur von den hohen Ölpreisen, sondern auch einem drastischen Verfall der Rohstoffpreise betroffen sind – ein Verlust, der für das Jahr 2000 auf 5,4 Milliarden US-Dollar allein für die afrikanischen Ländern, für die der Weltbank die Daten vorliegen, geschätzt wird. Es ist wichtig und unverzichtbar, dass sich die Terms of Trade dauerhaft zu Gunsten der Entwicklungsländer verändern und verbessern. Beispielsweise sind rund 70 Prozent aller afrikanischen Länder Rohstoffexporteure. Um wirtschaftliches Wachstum zu fördern, müssen sie eine Chance haben, ihre Produkte auf den Märkten der Industrieländer absetzen zu können, die noch immer Restriktionen und Zölle erheben. Zwar fordern die Industrieländern bei allen passenden Gelegenheiten die Entwicklungsländer auf, ihre Märkte zu öffnen, doch muss dies auch umgekehrt geschehen. Die Bundesregierung wollte mit der EU-Kommission dafür sorgen, dass den 48 ärmsten Entwicklungsländern freier Zugang zu den EU-Märkten verschafft wird. Denn ihnen muss die Chance gegeben wer­den, ihre eigene Landwirtschaft zu entwickeln und sich aus der Rolle bloßer Rohstoffexporteure befreien zu können. Aber das Schicksal der sog. Lamy-Initiative zeigt, dass sich bornierter Agrarprotektionismus immer noch in der EU durchsetzt. Deshalb kommt es ganz besonders auf die Entscheidung an, ob die EU-Zuckermarktordnung unverändert als planwirtschaftliches Instrument zulasten der Entwicklungsländer und der Verbraucher fort besteht oder ob es endlich gelingt, diesem perversen System ein Ende zu setzen.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind Fragen der regionalen Zusammenarbeit. Zu den Veränderungen in den internationalen Rahmenbedingungen, die globale Kooperation unter den hier beschriebenen Prämissen ermöglichen, gehören regionale politische Kooperationen, wie z.B. die Europäische Union (EU). Die in der EU gemachten Erfahrungen können in der Zusammenarbeit mit anderen überstaatlichen regionalen Zusammenschlüssen (z.B. Asean, Mercosur, SAARC, SADC)[2] zu konkreter Gestaltungskraft verhelfen. Was an Kompromissen, gemeinsamen Regelungen und Lösungen geschaffen wurde, kann eine Plattform für globale Verständigung bilden, auch und gerade im Hinblick auf die politischen Debatten um die Möglichkeiten Europas, handlungsfähiger Partner in der Weltpolitik zu werden. Auch in diesen Debatten spielt die Entwicklungspolitik eine wichtige Rolle, für die durch die Bundesregierung eine EU-Gesamtkonzeption angeregt wurde und bei deren Ausarbeitung Deutschland wesentlich beteiligt war. Auch haben die zuständigen Entwicklungsministerinnen und –minister u.a. dafür Sorge getragen, dass die inhaltlichen Konzeptionen der EU-Entwicklungszusammenarbeit mit der Entschuldungspolitik in Verbindung stehen[3] und mit den Verfahren und Instrumenten der Bretton-Woods-Institutionen konzertiert werden.

Besonders deutlich werden Formen und Möglichkeiten der effektiven Veränderung internationaler Rahmenbedingungen im Rahmen der Entschuldung der ärmsten Entwicklungsländer. Es ist aufgrund unserer Initiative beim Kölner G7-Gipfel gelungen, eine Armutsbekämpfungsstrategie durchzusetzen, bei der die Partnerländer gemein­sam mit den multilateralen Institutionen Weltbank und Internationaler Währungsfonds an der Armutsminderung arbeiten. Dabei werden die bisherigen (makroökonomischen) Aufgaben des IMF und die entwicklungspolitischen Aufgaben der Weltbank mit­einander verzahnt – ein übrigens absolut neuer Vorgang in der Geschichte der Bretton-Woods-Institutionen. Dabei werden Schulden nicht einfach erlassen, sondern an nachweisbare Anstrengungen der Entwicklungsländer gekoppelt, Armut in ihren Län­dern zu reduzieren.

Die sog. HIPC-Initiative[4]  sorgt dafür, dass in allen Ländern, die die IDA-Konditionen[5] erfüllen und Zugang zu entsprechenden Mitteln haben, operative Armutsbekämpfungsstrategien verankert werden können. Diese zur Zeit laufenden Prozesse, die nicht kleingeredet werden dürfen, binden alle Geber in eine Kooperation mit den HIPC-Entwicklungsländern ein, wobei betont werden muss, dass die Ländern selber in einem breit angelegten partizipatorischen Prozess, in dem die Zivilgesellschaft beteiligt wird, diese Strategien erarbeiten und verantworten sollen. Diese Konzentrierung stellt in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit eine absolute Neuerung dar. Wir erwarten in der Zukunft nicht nur eine Verbesserung der Koordination der Geber, sondern auch die Harmonisierung von Verfahrensweisen, damit sich die Entwicklungsländer nicht mehr unterschiedlichen Kriterien der Geberländer stellen müssen. Es ist gelungen, eine Politik zu verwirklichen, die die Veränderung internationaler Rahmenbedingungen bewirkt, nämlich Schuldendienst und eine effektive Entwicklungszusammenarbeit miteinander zu verbinden.

Die Staats- und Regierungschefs haben beim Millenniums-Gipfel in New York 2000 die beim Weltsozialgipfel in Kopenhagen 1995 vereinbarten internationalen Entwicklungsziele bestätigt, um die weltweite Armut bis zum Jahre 2015 um die Hälfte zu reduzieren. Dies ist ein zentraler Baustein zur Schaffung einer neuen globalen Ordnung und gewiss eine ungeheure Herausforderung nicht nur für die politischen Systeme der Industrieländer (und hier werden weiterhin entsprechende Finanzierungsmechanismen zu diskutieren sein), sondern vor allem eine Herausforderung für die Kooperation der internationalen Gemeinschaft, also auch der Entwicklungsländer.

Die internationale Entwicklungszusammenarbeit

Auch auf der Ebene der Entwicklungszusammenarbeit sind Veränderungen vorgenommen worden. So hat die deutsche bilaterale Entwicklungszusammenarbeit Abschied genommen vom Gießkannenprinzip und deutliche Prioritäten gesetzt, ohne den Anspruch aufzugeben, globale Strukturpolitik mit zu gestalten. Konkret: die Bundesregierung wird die Effizienz und damit ihren Anteil an der internationalen Entwicklungszusammenarbeit dadurch steigern, dass sie die bilaterale, multilaterale und die EU-Entwicklungspolitik miteinander verzahnt. Das bedeutet, dass die Anzahl der Kooperationsländer verringert, regionale Schwerpunkte gebildet und inhaltliche Schwerpunkte bei den Ländern definiert wurden, in denen die Entwicklungszusammenarbeit tätig ist. In Zahlen ausgedrückt: hat Deutschland in den vergangenen Jah­ren 118 Entwicklungsländer durch bilaterale öffentliche Entwicklungszusammenarbeit gefördert, konzentriert sie sich jetzt auf rund 70 Länder.

Das zentrale Ziel der Entwicklungspolitik ist ein ganzheitlicher Ansatz der Regional-, Länder- und Sektorpolitik, die globale strukturpolitische Aufgaben ebenso mit einschließt wie die Kohärenz mit anderen Politikbereichen und die Mitgestaltung der multilateralen Politik.  Hinsichtlich der bilateralen und multilateralen Zusammenarbeit verschränken sich beide Instrumente immer mehr zu integrativen Kooperationsformen, d.h. sie bestehen nicht nebeneinander, sondern ergänzen sich miteinander. Die deutschen Durchführungsorganisationen wie die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), aber auch andere, sind bei einer Reihe von Prozessen bei der Erstellung von Konzepten für die Armutsbekämpfungsstrategien (Poverty Reducation Strategy Paper) in den Entwicklungsländern beteiligt, die im Rahmen der Entschuldung solche Papiere erstellen. Konkret: hier werden Beiträge geleistet, um den partizipatorischen Ansatz zu unterstützen, um Bevölkerungsgruppen zu unterstützen und zu motivieren, ihre Vorstellungen einzubringen und an den jeweiligen Diskussionen über Armutsminderung teilzunehmen.

Die globalen Prozesse erfordern internationale, effizient arbeitende Organisationen. Am Beispiel der Weltbank lässt sich zeigen, dass die Wirkung internationaler Zusammenarbeit sich außerordentlich erhöhen lässt, obwohl sich Reformbemühungen auch hier als Daueraufgabe stellen. Noch immer werden Stimmen laut, die die Bretton-Wood-Institutionen als Instrumente des Neoliberalismus bewerten und ihre Neuausrichtung für Aufgaben der Armutsminderung nicht genügend wahrnehmen. Die Weltbank spielt aber in der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit eine zentrale Rolle und die Entschuldungsinitiative und die darauf folgende Armutsbekämpfungsstrategie sind Zeichen eines neuen Denkens.

Strukturveränderungen und Kohärenzziel

Entscheidend ist, dass sich die Grundmuster der internationalen Politik beim Übergang der Interdependenz zur Globalisierung fundamental verändern. Die Handlungsfähigkeit der einzelnen Staaten kann nur noch gemeinsam gesichert werden. Die Mitgestaltung der globalen Strukturpolitik durch Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit bedeutet, wohlverstandene nationale Eigeninteressen mit einem internationalen Interessenausgleich zu verbinden. Das hat zur Folge, dass Problemlösungs­konstellationen gemeinsam zwischen den einzelnen Politikfeldern gesucht und Lösungen gefunden werden müssen. Die Bundesregierung begreift Entwicklungspolitik als gesamtpolitische Querschnittsaufgabe. Einige Beispiele mögen genügen:

·        Zwar haben nationale bzw. regionale militärische Sicherheitsinteressen weiterhin eine notwendige und legitime Funktion; dennoch müssen diese Interessen mit den Interessen von globalen Kooperationspartnerschaften in Verbindung gebracht werden. So z.B. könnte ein gewaltiger Fortschritt durch Umlenkung der Rüstungsausgaben erreicht werden. Wenn jährlich nur ca. 40 Milliarden US-Dol­lar für Armutsbekämpfungsprogramme statt für Armeen aufgewendet würden, könnte die gesamte Weltbevölkerung innerhalb von etwa 10 Jahren Zugang zu den sozialen Grunddiensten wie Bildung, Gesundheitsversorgung und Ernährung, Trinkwasser und sanitäre Einrichtungen haben. Im Übrigen: Die leichte Verfügbarkeit von Kleinwaffen macht die gewaltsame Austragung von Konflikten – gerade in Entwicklungsländern – häufig erst möglich. Um bewaffnete Konflikte zu stoppen, müssen der illegale Transfer von Kleinwaffen unterbunden und die Länder unterstützt werden, die diese Waffen einsammeln. In der EU ist auf deutsche Initiative hin eine Entscheidung zur Kleinwaffenproblematik erfolgt, was zur Folge hatte, dass die Entwicklungsländer durch entwicklungspolitische Förderung bei der Kontrolle und Vernichtung von Kleinwaffen unterstützt werden konnten. Gleichzeitig zeichnet sich immer mehr die Notwendigkeit ab, frühzeitig die Scherheitssektoren in den Entwicklungsländern auf die Verpflichtung zur Demokra­tie zu orientieren, bevor immer mehr „Gewaltökonomien“ in zerfallenden Entwicklungsländern entstehen.

·        Mit der Aufnahme des BMZ als Mitglied im Bundessicherheitsrat und dem dort verabschiedeten Gesamtkonzept „Krisenprävention und Konfliktbeilegung“ wurden die Aufgaben  und Funktionen der Entwicklungspolitik verankert. Die politischen Grundsätze für Rüstungsexporte vom Januar 2000 unterstreichen die Absichten der Bundesregierung, durch Begrenzung und Kontrolle des Rüstungsexports zu Friedenssicherung und zur Gewaltprävention beizutragen.

·        Seit September 2000 sieht die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesregie­rung eine entwicklungspolitische Regelprüfung von Gesetzesvorhaben vor: Bevor der Entwurf einer Gesetzesvorlage dem Kabinett zum Beschluss vorgelegt wird, ist er dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zuzuleiten, das prüft, ob Belange von entwicklungspolitischer Bedeutung berührt werden.

·        Die Bundesregierung setzt sich für eine Berücksichtigung der Interessen und der besonderen Situation von Entwicklungsländern in der neuen Welthandelsrunde der World Trade Organization (WTO) ein. Da sich durch die Globalisierung der Ökonomie der Systemwettbewerb zwischen den Nationalstaaten verschärft hat, sind Sozial- und Umweltregulierungsstandards in Produktion und Handel erforderlich, sowohl um die Menschen als auch die Umwelt vor Ausbeutung zu schüt­zen. Wird dieser Wettbewerb nicht in internationale Regelwerke eingebettet, drohen weitere Deregulierungs- und Unterbietungswettläufe, die bisherige sozial- und umweltpolische Errungenschaften aushebeln.

Interessenkonflikte und Hindernisse

Die Modernisierung der demokratisch-kapitalistischen Industriegesellschaften im Kontext der Entwicklung einer globalen Architektur internationaler Kooperationen stößt noch immer auf erhebliche Widerstände, die von Interessenkonflikten geprägt sind und von denen hier zwei Beispiele diskutiert werden sollen: der gleichberechtigte Zugang aller Länder zu den internationalen Märkten und die Ökologisierung der wirtschaftlichen Produktion.

Die gescheiterte Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) im Jahre 1999 in Seattle machte die tiefgreifenden Konflikte zwischen den Handelsinteressen der Industrie- und Entwicklungsländer deutlich. Am Beispiel der „Trade Related Intellectual Property Rights“ (TRIPS), also Gesetzen zum Schutz geistigen Eigentums, die – nach der Uruguay-Runde - als Bestandteil des WTO-Abkommens eingeführt bzw. überprüft werden sollten, lassen sich die unterschiedlichen Interessen darstellen. Dazu zählen z.B. künstlerische Werke, das Design von Produkten, Markennamen, Copyrights und Patente auf Erfindungen.

So war z.B. die Patentierung von Saatgut und Medikamenten Gegenstand der Überprüfungen. Die Ausdehnung von Patenten oder ähnlichen Schutzsystemen in Entwicklungsländern kann erhebliche Auswirkungen auf die Ernährungssicherung in Entwicklungsländern haben. Denn durch die Erhebung von Patentgebühren durch internationale Konzerne können Weiterzüchtungen von Saatgut oder deren technologische Weiterentwicklung in Entwicklungsländern selber nicht durchgeführt bzw. voran gebracht werden. So musste Indien auf die verbesserte Züchtung von Baumwollpflanzen verzichten, weil ein patenthaltender internationaler Konzern unbezahlbare Lizenzgebühren verlangte. Ein anderes Beispiel ist die Patentierung von Arzneimitteln, die ihre wirksame Verbreitung in Entwick­lungsländern unmöglich machen würde.  So kostet ein wirksames Medikament für die Behandlung von Hirnhautentzündungen in Kenia mit Patentschutz 14 US-Dollar am Tag, während es in Thailand – ohne Patentschutz – nur 0,70 US-Dollar kostet. Internationale Pharmakonzerne nehmen ihre Interessen wahr und wehren sich gegen zwei mögliche Alternativen, die aber als Ausnahmeregelungen mög­lich sind: Entwicklungsländer vergeben – unter Aussetzung des Patentschutzes - selbst Lizenzen für Medikamente, um Medikamente billiger produzieren zu lassen; oder die Entwicklungsländer genehmigen Parallelimporte, um Hersteller verschiedener Länder unter Konkurrenzdruck zu billigeren Preisen zu bewegen.  Gegen solche Alternativen sind Lobbyisten der Pharmakonzerne u.a. bei der EU-Kommission vorstellig geworden.

Widerstände gibt es auch beim Thema Umweltschutz bzw. Ökologisierung der Marktwirtschaft. Es ist schon lange – spätestens seit der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio 1992 – in das internationale Bewusstsein gedrungen, dass die Fortsetzung industrieller Produktion zu den alten Technologien beim wirtschaftlichen Wachstum der Entwicklungsländer den Klimawandel dramatisch beschleunigen würde.  Im Prinzip geht es auf internationaler Ebene, also auch unter Einbezug der Entwicklungsländer, um eine doppelgleisige Strategie, die sowohl auf die Formierung einer sozialökologischen „Weltgesellschaft“ (mit entsprechenden politischen Regimen, die teilweise schon in Bereichen der Bekämpfung der Ausbreitung der Wüsten oder im Klimabereich existieren) wie auch auf die Vermarktung von ökologischen Produkten, wie z.B. alternativen Energien, auf Weltmärkten setzt. Mit Nachdruck muss dabei das Ziel verfolgt werden, eine Reduktion des Verbrauchs fossiler Energien durch Einsparung und Effizienzsteigerung, die Entwicklung und internationale Vermarktung von neuen Umwelttechnologien und die Umsetzung logistischer Konzepte (z.B. Ausbau des öffentlichen Verkehrswesens) vorzunehmen. Wie schwer dies politisch umsetzbar ist, zeigen beispielsweise die schwierigen Verhandlungen um das „Kyotoer Protokoll“.

Neue Partnerschaften für globale Zukunftsfähigkeit

Das Missverhältnis zwischen der Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit für die Sicherung globaler Zukunftsfähigkeit und der schwache Stellenwert, der ihr gegenwärtig in den politischen Systemen eingeräumt wird, zeigt, dass der Zusammenhang zwischen Entwicklungszusammenarbeit und ihr Beitrag für die Entwicklung einer neuen globalen politischen Architektur noch immer nicht begriffen wird. So z.B. liegen die wirtschaftliche Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft oder Präventionen von Krisen und Konflikten auch im Sicherheitsinteresse der westlichen Demokratien. Auf der anderen Seite sind im Zuge der Globalisierung Prozesse globaler politischer Willensbildung ohne die Beteiligung der internationalen Zivilgesellschaft nicht mehr denkbar. Das bedeutet konkret, dass etwa Wirtschaft und Industrieunternehmen oder entwicklungs- und umweltpolitisch agierende Nichtregierungsorganisationen als wichtige Akteure der internationalen Entwicklungszusammenarbeit ihre Rollen spielen.

Die Partnerschaft der Entwicklungspolitik mit der Wirtschaft ist ein wichtiger Baustein für die globale Strukturpolitik. Hier geht es keineswegs um die vordergründige Überlegung, dass die Wirtschaft zurückgehende staatliche Entwicklungsfinanzierung gleichsam kompensieren soll. Vielmehr bedeutet Entwicklungspartnerschaft mit der Wirtschaft, dass auch die (internationale agierende) Wirtschaft in ihren Aufgaben und Zielen nicht umhin kommt, sich mit globalen und regionalen gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen auseinander zu setzen und in ihrer Handlungslogik entsprechend reagiert: denn die zukünftigen Voraussetzungen für Steuerungs- und Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften auf Weltmärkten erfordern eine ökonomische Rationalität, die sowohl Marktkräfte stärkt, als auch zur Herstellung von sozialem Ausgleich und Gerechtigkeit beiträgt und ökologische Risiken  vermeidet. Dies liegt nicht nur im Interesse der Wirtschaft selber, um ihre Handlungslegitimität auf internationalen Märkten zu sichern, sondern ist auch Teil der Stabilität partnerschaftlicher Kooperationen in einer globalen Weltordnung.

Wenn Entwicklungspolitik globale Strukturpolitik ist, spielen Organisationen der internationalen Zivilgesellschaft, wie z.B. entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisationen, als Plattformen für Informations- und Meinungsaustausch eine wichtige Rolle auch für die Politik: sie bzw. die politischen Systeme müssen sich in kontinuierlicher Kommunikation mit ihnen befinden. Der Erfolg zivilgesellschaftlicher Organisationen basiert auf einer Verbindung von demokratischer Partizipation, politischer Effizienz und hoher Motivation. Ihre Stärken liegen sowohl darin, dass sie sich mit Themen wie Welthandel, Weltfinanzmärkten, der nationalen und internationalen Finanzpolitik, der Klima- oder Biodiversitätspolitik befassen, als auch in der Bewusstseinsbildung und Herstellung eines gemeinsamen Problemverständnisses sowie im In-die-Pflicht-Nehmen von Regierungen, sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern. Sie beeinflussen die öffentliche Wahrnehmung von globalen Problemen und mo­bilisieren Unter­stützung oder Widerstand in der Öffentlichkeit. In vielen Fällen bilden sie strategische Allianzen mit Privatunternehmen wie z.B. im Bereich des Ressourcen- und Energieverbrauchs. In allen zentralen Bereichen internationaler Probleme und Konflikte sind international vernetzte Nichtregierungsorganisationen aktiv: Armut, Umwelt, Verschuldung, Welthandel, Menschenrechte, Kinderarbeit, Gewalt gegen Frauen, Flüchtlinge, Korruption, Rüstungs- und Waffenexporte, etc.. Ihre zum Teil beachtliche Professionalität und Vernetzung ermöglichen, dass sie auf Missstände schnell und effektiv reagieren. So z.B. die Entschuldung der ärmsten Entwicklungsländer, eigenes Engagement der Zivilgesellschaft und fortschrittlicher Regierungen, das den Internationalen Währungsfonds (IWF) verpflichtet, künftig die sozialen Folgen seiner Programme zu berücksichtigen und im Hinblick auf die armutsmindernden Strategien eng mit der Weltbank zusammenzuarbeiten.

Politische Macht und politisches Handeln im 21. Jahrhundert basieren nicht mehr auf der Beherrschung regionaler Territorien oder auf der Höhe des Rüstungsetats, sondern auf den strategischen, organisatorischen, wissensbasierten und auf gemeinsame Problemlösung ausgerichtete Kompetenzen, um komplexe Interaktionen zu erkennen und diese zu steuern sowie mitzugestalten. Dies gilt ebenso für die Politik wie für die verschiedenen Akteure in der Gesellschaft wie Wirtschaft, Wissenschaft, Kirchen, oder Nichtregierungsorganisationen. Die Lösung von solchen hier skizzierten Zukunftsfragen hängt also in großem Maße davon ab, wie sich Verantwortungs­bewusstsein, Offenheit und Toleranz in den Gesellschaften der Industrieländer verankern und entwickeln. Mit den Worten von Bundespräsident Johannes Rau: „Die nächste Generation wird uns daran messen, wie weit wir der wichtigen Aufgabe dieser Welt gerechtgeworden sind: weltweit eine Kultur des Friedens und der Gerechtigkeit zu schaffen“.



[1] Berliner Kommuniqué „Modernes Regieren im 21. Jahrhundert“ 02./03.06.2000 Berlin

[2] Asean (Assoaciation of South-East Asian nations); Mitglieder: Indonesien, Malaysia, Singapur, Thailand, Brunei, Philippinen, Vietnam, Mercosur (Mercado Comun del Cono Sur) = Gemeinsamer Markt im südlichen Lateinamerika; SAARC (South Asian for Regional Cooperation); SADC (Southern African Development Community)

[3] EU-Ministerratsbeschluss „Entwicklungspolitik der europäischen Gemeinschaft“ – Erklärung des Rates und der Kommission vom 10. November 2000, insb. Punkt 16

[4] HIPC = High Indebted Poor Countries

[5] IDA = International Development Association. In diesem Geberkreis werden Kredite zu Vorzugskonditionen, die deutlich unter den Marktpreisen liegen, an Entwicklungsländer vergeben. Dazu zählen z.Z. 36 Entwicklungsländer, weitere 80 können unter Umständen hinzukommen.


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