Konzepte
zur „Ökologisierung“ der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik*
Margareta E. Kulessa / Jan
A. Schwaab
In der Diskussion über die Chancen und Risiken der wirtschaftlichen Globalisierung
und Liberalisierung gewinnen ökologische Aspekte zunehmend an Bedeutung,
was sich u.a. in der Forderung niederschlägt, die internationale Wirtschafts-
und Umweltpolitik stärker miteinander zu verzahnen. Das Anliegen dieses
Beitrags ist es, aufbauend auf der aktuellen Diskussion über wirtschaftliche
Globalisierung und Umweltschutz, konkrete Vorschläge der institutionellen
Verknüpfung von internationaler Wirtschafts- und Umweltpolitik zusammenfassend
darzustellen und kritisch zu beleuchten.
Zur Vereinbarkeit von Globalisierung und Umweltschutz
Die Chancen und Risiken der Globalisierung - verstanden als Zunahme
der ökonomischen Interdependenzen zwischen Staaten und Gesellschaften
(DGvL 1997, 50)
- werden bekanntermaßen höchst unterschiedlich eingeschätzt (Hoffmann
1999). Einerseits erhofft man sich Wohlfahrtsgewinne, die sich in einer
Erhöhung des Wirtschaftswachstums und damit einhergehend in einer weltweiten
Steigerung des Lebensstandards und einem Aufholen der Entwicklungsländer
niederschlagen (z.B. OECD 1997a; Minc 1998). Andererseits befürchten
Kritiker, dass durch die Globalisierung u.a. Massenarbeitslosigkeit,
Armut und die Marginalisierung der ärmsten Entwicklungsländer sowie
politische Instabilitäten verschärft werden (z.B. Forrester 1997; Martin
/ Schumann 1997). Vor allem aber wird ein allgemeiner Verlust staatlicher
Ordnungs- und Steuerungsfähigkeit problematisiert, der eine neue Architektur
der Politik erfordern würde, in der internationale Institutionen und
Regime kein Flickwerk sind, sondern zentraler Baustein einer "Global-Governance-Architektur"
(Messner / Nuscheler 1996, 21).
In der spezielleren Diskussion über Globalisierung und Umweltschutz,
die in jüngerer Zeit deutlich intensiviert wurde (z.B. OECD 1997b u. 1998;
Petschow et al. 1998), werden ähnlich kontroverse Positionen vertreten:
Die "Harmoniethese" postuliert, dass Umweltschutz und Globalisierung
uneingeschränkt miteinander vereinbar sind. Die Vertreter dieser These
heben insbesondere den Beitrag der Globalisierung zur Bewältigung von
Umweltproblemen hervor, der sich aus der Generierung höherer Einkommen
und der Diffusion umweltfreundlicher Produkte und Technologien und einer
verbesserten Allokation des Faktors Umwelt ergäbe. Sie favorisieren u.a.
aus diesem Grund eine Fortsetzung weltwirtschaftlicher Liberalisierung
(z.B. Bhagwati 1994; Gerken / Renner 1996, Pflüger 1999; OECD 1997a; Bhagwati
/ Srinavasan 1996). Mögliche Konflikte zwischen Umweltschutz und ökonomischer
Globalisierung seien durch eine konsequente Umweltpolitik, die externe
Effekte vollständig internalisiert, zu lösen. Dieser Auffassung liegt
üblicherweise ein neoklassisch geprägtes Außenhandelsmodell zugrunde,
in das die Umwelt als knapper Produktionsfaktor integriert wird und das
bei knappheitsgerechten Preisen eine optimale Allokation des Faktors Umwelt
impliziert. Eine institutionelle Verknüpfung von internationaler Wirtschafts-
und Umweltpolitik wird abgelehnt, da sie weder effektiv, noch effizient
sei (Siebert 1998, 181ff. u. 214f.).
Im Gegensatz zur "Harmoniethese" gehen verschiedene Autoren
von einer weitgehenden Inkompatibilität wirtschaftlicher Globalisierung
mit ökologischen Erfordernissen aus. Entsprechend wird eine Abkehr von
der weltwirtschaftlichen Liberalisierungsstrategie befürwortet (z.B. Daly
/ Goodland 1994; Korten 1997; PGA 1999). Zur Begründung wird im wesentlichen
angeführt, dass Liberalisierung / Globalisierung die Intensität und Verbreitung
umweltschädlicher Produktions- und Konsummuster verstärken, umweltbelastende
Transportströme hervorrufen und die wirtschaftliche Krisenanfälligkeit
der Regionen erhöhen. Außerdem verdränge die Liberalisierung insbesondere
in Entwicklungsländern umweltverträglich wirtschaftende Kleinproduzenten.
Vor allem aber werden der internationale Wettbewerbsdruck sowie die Transnationalisierung
der Unternehmen kritisiert, da sie den umweltschutzpolitischen Handlungsspielraum
erheblich reduzieren würden.
Schließlich gibt es eine Reihe von Autoren, die zwar grundsätzlich für
eine liberale Weltwirtschaftsordnung plädieren, damit sich positive Umweltwirkungen
der Globalisierung entfalten können; aber sie erachten gleichzeitig eine
"Ökologisierung" der Weltwirtschaftsbeziehungen für wünschenswert,
um mögliche negative Umweltwirkungen der Globalisierung zu reduzieren
(z.B. Petschow 1998). In Abgrenzung zu der Harmoniethese wird die Auffassung,
Globalisierung und Umweltschutz liessen sich auf dem Weg der Internalisierung
externer Effekte in vollständigen Einklang bringen, als hilfreicher, aber
zugleich realitätsferner Ansatz eingestuft. Da die Realität deutlich von
den zugrundeliegenden Annahmen neoklassischer Prägung abweiche, müsse
auch von der Ablehnung umweltpolitisch motivierter Beschränkungen der
internationalen Wirtschaftsströme Abstand genommen werden.
Begründungen für eine institutionelle Verknüpfung
von Weltwirtschafts-und Umweltpolitik
Verlangsamung der Internalisierung
Es ist nahezu unbestritten, dass im Umweltbereich erhebliche Internalisierungsdefizite
bestehen. Ihre Beseitigung ist außerordentlich zeitintensiv, da Umweltprobleme
und ihre Folgen erforscht sowie technische Probleme bei der Umsetzung
von Umweltschutzmaßnahmen beseitigt werden müssen. Darüber hinaus scheinen
Trial-and-error-Prozesse unumgänglich zu sein. Schließlich und vor allem
bedarf es bekanntlich eines langen Atems, um konkrete Umweltschutzmaßnahmen
politisch durchzusetzen. Dies gilt besonders im Falle globaler externer
Effekte, zu deren spürbarer Reduzierung es multilateraler Vereinbarungen
bedarf. Globalisierung macht eine Beschleunigung der Internalisierungspolitik
empfehlenswert, denn "intensified trade and investment could amplify
existing policy and market failures which underlie an already stressed
environment." (OECD 1997c, 12). Eine Beschleunigung der Internalisierungsprozesse
ist jedoch trotz des merklichen Globalisierungsschubs nicht zwingend
zu erwarten. Ganz im Gegenteil besteht sogar die Gefahr, dass sich die
Umsetzungs- und Durchsetzungsprobleme gerade aufgrund der ökonomischen
Globalisierung verstärken und sich der Internalisierungsprozess somit
verlangsamt. Die Gründe für eine Verlangsamung lassen sich im wesentlichen
der Diskussion über den Verlust an nationalstaatlicher Ordnungs- und
Steuerungsfähigkeit entnehmen, als dessen Hauptursachen die Transnationalisierung
der Unternehmen und der intensivierte Standortwettbewerb angesehen werden.
Es wird erwartet, dass sich die Tätigkeit der Unternehmen angesichts
der technischen Entwicklung im Kommunikations- und Transportbereich
und der weltweiten Öffnung der Märkte zunehmend transnationalisiert.
Hieraus lässt sich die Befürchtung ableiten, dass einzelstaatliche Umweltschutzmaßnahmen
Wanderungsbewegungen der Industrie in Länder mit niedrigeren Umweltstandards
auslösen (UNDP 1997, 111f.). Das bedeutet wiederum, dass die volkswirtschaftlichen
Kosten der Abwanderung (Kapitalabbau, Beschäftigungs- und Anpassungsprobleme
usw.) in das politische Entscheidungskalkül eingehen müssen und die
Durchsetzbarkeit von Umweltschutzmaßnahmen verringert wird. Folge ist,
dass weniger hohe Umweltziele gesetzt werden. Bei globalen Umweltproblemen
führt die Industrieflucht darüber hinaus dazu, dass einzelstaatliche
Umweltpolitik weitgehend ineffektiv wird. Analytische Überlegungen und
empirische Hinweise sprechen allerdings dafür, dass die Transnationalisierung
der Unternehmen systemintern begrenzt ist (Hirsch-Kreinsen 1997; Doremus
et al. 1998). Ebenso fehlen bislang empirische Belege für die These,
dass Umweltpolitik zu Industrieflucht führt (Esty/Gentry 1997; Adams
1997; WTO 1998a, 54f.). Andererseits sagen die empirischen Studien zur
Industrieflucht wenig über zukünftige Entwicklungen aus. Außerdem kann
es ungeachtet wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Politikversagen im
Sinne einer Paralyse der Umweltpolitik im Standortwettbewerb der Nationen
kommen. Umweltschutzziele können systematisch zugunsten strategischer
außenwirtschaftspolitischer Ziele geopfert werden (Ulph 1996; Weida
1998, 292f.). Es wird dann in Kauf genommen, dass sich die Preissignale
immer weiter von den tatsächlichen Umweltknappheiten entfernen. In der
Dynamik könnte diese Politik sogar dazu führen, dass sich die Länder
gegenseitig durch immer geringere Umweltschutzanforderungen unterbieten
(UNDP 1997, 112). Während diese Eskalation (Race to the bottom) u.a.
aufgrund des gestiegenen Umweltbewusstseins der Bevölkerung eher unwahrscheinlich
ist, mehren sich seit den 80er Jahren die Anzeichen für eine Verschleppung
und Verwässerung von umweltpolitischen Vorhaben (Political
drag) besonders in umweltpolitisch bisher relativ fortschrittlichen
Ländern.
Globaler Strukturwandel zwischen Industrie- und Entwicklungsländern
Die sich wandelnde Arbeitsteilung zwischen "Nord" und "Süd"
ist ökologisch bedeutsam, da ein großer Teil der verbliebenen Umweltressourcen
im Süden liegt, sein bis dato geringer Anteil am globalen Ressourcenverbrauch
steigt und weil die Entwicklungsländer i.d.R. laxere Umweltschutzbestimmungen
als der Norden aufweisen (OECD 1997a, 122f.; Biermann 1998, 334ff.).
Gegenwärtig zeichnen sich komplementäre Tendenzen des Strukturwandels
in Nord und Süd ab. In den Industrieländern wird der Aufstieg des Dienstleistungssektors
zum vorherrschenden Wirtschaftsbereich beobachtet, während in etlichen
Entwicklungsländern die Industrialisierung zunimmt. Diese Entwicklung
fand parallel zur Globalisierung statt und dürfte sowohl Motor als auch
Auswirkung der Globalisierung sein. Für den Fall, dass die Globalisierung
weiter anhält, ist mit noch stärkeren Tendenzen zur Tertiarisierung
und Hochtechnologisierung im Norden und zur Industrialisierung im Süden
zu rechnen. Die These, dass die Industrieländer im Zuge der Globalisierung
ihre Umweltverschmutzung exportieren und den Süden als Abfallhalde verwenden,
mag übertrieben sein (Petschow et al. 1998, 238f.). Aber auch wenn die
Industriegüterproduktion in den Entwicklungsländern überwiegend für
den Verbrauch im Süden selbst bestimmt ist, weist die These auf verschiedene
umweltpolitische Probleme hin, die der Strukturwandel in Entwicklungsländern
aufwirft. Dazu zählt, dass eine so intensive Nutzung der Umweltgüter,
wie sie die Industrieländer betrieben haben, angesichts ökologischer
Knappheiten nicht auf die gesamte Weltbevölkerung ausgedehnt werden
kann. Da aber die Globalisierung diesen Prozess begünstigt, steigt die
Notwendigkeit des Gegensteuerns.
Die Bedeutung außenwirtschaftlicher Vorgänge für
die Umweltpolitik
Die
Interdependenz zwischen natürlicher Umwelt und außenwirtschaftlichen Vorgängen
hat in den letzten Jahrzehnten infolge der Globalisierung zugenommen.
So bedeuten gestiegene Handelsquoten für das einzelne Land, dass ein wachsender
Teil des produktionsbedingten Ressourcen- und Umweltverzehrs für den Export
stattfindet und ein wachsender Teil der konsumtiv bedingten Umweltbelastungen
auf den Verbrauch importierter Güter zurückzuführen ist. Dadurch beeinflussen
Weltmarktbedingungen in steigendem Maße mittelbar den Zustand der natürlichen
Umwelt im Inland. Umgekehrt gehen vom Produktions- und Konsumverhalten
besonders der größeren Volkswirtschaften über den Weltmarkt zunehmend
Rückwirkungen auf die exterritoriale Umwelt aus. Hinzu kommt, dass sich
Umweltbelastungen immer schwerer einzelnen Nationen und Individuen zuordnen
lassen. Je verwobener die Volkswirtschaften, desto schwieriger ist es,
zuverlässige quantitative Aussagen über den "ökologischen Rucksack"
(BUND / Misereor 1996, 133ff.) der einzelnen Länder bzw. Menschen zu treffen.
Das weltwirtschaftlich hervorgerufene Zuordnungsproblem macht sich besonders
in der durch Verteilungskämpfe geprägten internationalen Politik zum Schutz
globaler Umweltgüter bemerkbar (
Biermann
1998). Insgesamt wird es angesichts der fortschreitenden wirtschaftlichen
Integration immer schwieriger, die Wirksamkeit und die Kosten einzelstaatlicher
Umweltschutzmaßnahmen abzuschätzen, da Reaktionen im Ausland in die Analyse
einbezogen werden müssen.
Für die nationale Ebene sind mittlerweile
eine Reihe von Nachhaltigkeitsstrategien konzipiert worden, die für eine
integrative Ökologisierung von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik plädieren
(Bartmann 1996). Da die Komplexität der Wechselwirkungen zwischen Weltwirtschaftsbeziehungen
und Umweltschutz im Zuge der Globalisierung weiter ansteigen dürfte, werden
integrative Ansätze auch auf internationaler Ebene angedacht. Eine Fusion
von internationaler Wirtschafts- und Umweltpolitik ist allerdings gerade
aufgrund der Komplexität der Zusammenhänge nicht praktikabel. Stattdessen
werden Wege gesucht, die Komplexität auf eine technisch und politisch
praktikable Ebene herunterzubrechen. Konkret wird im folgenden zum einen
die Integration umweltpolitischer Erfordernisse in die Welthandelsordnung
und die Gestaltung der internationalen Investitionsbeziehungen diskutiert;
zum anderen wird die stärkere Berücksichtigung weltwirtschaftlicher Zusammenhänge
in internationalen Umweltschutzvereinbarungen beleuchtet.
Zur “Ökologisierung“
der internationalen Handelsordnung
Grundsätzliche Vorbemerkungen
Die aktuelle Diskussion über eine "Ökologisierung" der Weltwirtschaftsordnung
rankt sich im handelspolitischen Bereich um das Allgemeine Zoll- und
Handelsabkommen (GATT) und die Welthandelsorganisation (WTO) (Helm 1995;
Knorr 1997), die im Jahr 1995 an die Stelle des alten GATT - 47 trat.
Die WTO-Vereinbarungen regeln außer dem internationalen Warenhandel
(GATT' - 94) den Handel mit Dienstleistungen (GATS) und den internationalen
Schutz geistiger Eigentumsrechte (TRIPS).
Einige Autoren sprechen bereits dann von einer "Ökologisierung"
der WTO, wenn das Regelwerk die Vertragsstaaten nicht daran hindert, Maßnahmen
zu ergreifen, die zum Schutz der Umwelt notwendig sind (z.B. Kulessa 1995,
281ff.; Helm 1995, 121ff.). Von dieser Seite werden sog. Ausnahmeklauseln
in den jeweiligen Abkommen als grundsätzlich ausreichend erachtet.
Eine weitere Auffassung von einer ökologisierten Welthandelsordnung schließt
unilaterale Handelsbeschränkungen gegen sog. Ökodumping mit ein. Damit
ist gemeint, dass Länder den Import von Produkten beschränken dürfen,
bei deren Produktion bestimmte Umweltstandards (Production and Process
Method Standards: PPMS) nicht eingehalten werden (z.B. WWF 1991). Werden
hierbei internationale Mindeststandards zugrundegelegt, wird dies hier
als “Ökoklausel“ oder synonym als die Forderung nach Umweltstandards im
internationalen Handel bezeichnet. Demgegenüber verstehen wir unter Öko-Ausgleichsmaßnahmen,
dass ein Land den Import von Produkten beschränkt, die unter laxeren PPMS
als einheimische Produkte hergestellt wurden.
Behindern GATT/WTO die Umweltpolitik?
Die Prinzipien von GATT und WTO orientieren sich an den Postulaten der
Handelsliberalisierung und Nicht-Diskriminierung. Die Freihandelsprinzipien
werden jedoch durch mehrere Ausnahmeregelungen durchbrochen, um u.a. dem
ebenfalls konstituierenden Prinzip der Souveränität der Mitgliedstaaten
zu entsprechen. So wird jedem Mitgliedstaat durch Artikel XX(b,g) des
GATT grundsätzlich das Recht zugesichert, nach eigenem Ermessen das Leben
und die Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze zu schützen sowie erschöpfbare
Ressourcen zu erhalten. Dass damit auch der Schutz der Umwelt im weiteren
Sinne gemeint ist, wird durch die Präambel der WTO bekräftigt, in der
von dem "Ziel einer dauerhaften Entwicklung ..., die den Schutz und
die Erhaltung der Umwelt ... umfasst" gesprochen wird. Das Souveränitätsprinzip
bedeutet aber nicht, dass die Umweltpolitik bzw. Gesundheits- und Verbraucherschutzpolitik
losgelöst von GATT/WTO agieren kann, sondern die multilaterale Handelsordnung
schränkt den Handlungsspielraum durchaus ein. Im folgenden werden verschiedene
Restriktionen anhand von Fallbeispielen illustriert.
EU-Verbot von hormonbehandeltem Rindfleisch
In der EU ist der Einsatz bestimmter natürlicher und künstlicher Hormone
bei der Rinderaufzucht seit Ende der 80er Jahre beschränkt, um Fleischkonsumenten
vor etwaigen gesundheitlichen Risiken zu schützen. Entsprechend ist der
Import von Rindfleisch in die EU verboten, bei dessen Produktion Wachstumshormone
Anwendung finden. Die USA und Kanada halten das Einfuhrverbot für unvereinbar
mit den WTO-Vereinbarungen. Sie bestreiten weniger, dass die Importbeschränkungen
notwendig sind, um den bestehenden EU-Standard durchzusetzen. Vielmehr
greifen sie zuvorderst das Hormonverbot an sich an, da es der wissenschaftlichen
Grundlage entbehre und die Selektivität des Verbots eine verschleierte
Handelsbeschränkung darstelle. Sie stützen sich dabei im wesentlichen
auf das Übereinkommen über sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen (SPS),
das beim Abschluss der Uruguay-Runde (1993/94) vereinbart wurde und das
GATT - 94 ergänzt. Nach ergebnislosen Verhandlungen zwischen den USA und
der EU wurde im Jahre 1996 auf Antrag der USA ein WTO-Schiedspanel errichtet.
Das Panel erklärte das Importverbot ein Jahr später für unzulässig.
Daraufhin legte die EU Berufung ein. Im Ergebnis entschied auch die Berufungsinstanz
in ihrem Bericht (1998) gegen die EU, weil sie keine ausreichenden wissenschaftlichen
Indizien für die Gesundheitsschädlichkeit des hormonbehandelten Rindfleisches
vorgelegt hätte.
Der "Hormonstreit" zwischen den USA, Kanada und der EU schwelt
weiter. Ungeachtet seines konkreten Ausgangs macht der Konflikt eines
deutlich: Das SPS-Abkommen eröffnet die Möglichkeit, umwelt- bzw. gesundheitspolitische
Ziele in Frage zu stellen und überträgt handelsrechtlichen Gremien die
Kompetenz, darüber zu entscheiden, ob wissenschaftliche Grundlagen das
Ziel rechtfertigen. Dadurch entstehen Unsicherheiten für die Regierungen,
die sie im verbraucher- und umweltschutzpolitischen Bereich zögerlicher
machen dürften, da die Wahrscheinlichkeit eines WTO-Konflikts und seiner
Folgekosten nunmehr bereits bei der Zielformulierung in die Kosten-Nutzen-Analyse
einfließen werden. Verwässerungstendenzen dieser Art können im Zusammenhang
mit drohenden Handelskonflikten zwischen den USA und der EU über gentechnisch
modifizierte Lebensmittel und Organismen beobachtet werden. Es geht erneut
um Produkte, deren umwelt- und gesundheitspolitische Unbedenklichkeit
aus US-amerikanischer Sicht belegt ist, die von der EU-Bevölkerung hingegen
als ökologisch und gesundheitlich riskant eingeschätzt werden.
Das SPS-Abkommen der WTO birgt nicht zuletzt wegen seiner dehnbaren Formulierungen
die Gefahr, die Durchsetzbarkeit und Umsetzung umwelt- und verbraucherschutzpolitischer
Maßnahmen zu erschweren. Die EU mag über die wirtschaftliche und politische
Macht verfügen, um den Vorstößen der USA einschließlich potentieller Handelssanktionen
zu trotzen oder Kompensationen an die USA zu leisten. Im Falle kleinerer
Handelspartner ist es hingegen wahrscheinlicher, dass sie im Zweifelsfalle
die Konfliktvermeidung dem Vorsorgeprinzip vorziehen. Iinternationale
Umwelt- und Gesundheitsstandards durch die handelspolitische Hintertür
zu „Top ceilings“ zu werden drohen. Zumindest aber wird ein „Race to the
top“ durch die WTO-Bestimmungen wesentlich unwahrscheinlicher.
Der Schutz exterritorialer Ressourcen:
Von Thunfischen und Delphinen, Garnelen und Schildkröten
Ein anderer Sachverhalt als beim "Hormonstreit" liegt vor, wenn
Importbeschränkungen nicht zum Schutz der Gesundheit der inländischen
Bevölkerung, sondern zum Schutz exterritorialer Ressourcen ergriffen werden
und dazu dienen sollen, das Ausland zu umweltfreundlicheren Produktionsmethoden
zu bewegen. Dies war der Fall in dem mittlerweile berühmten Thunfischstreit
zwischen Mexiko und anderen auf der einen, und den USA auf der anderen
Seite zu Beginn der 90er Jahre. Hintergrund des Streits ist ein amerikanisches
Gesetz zum Schutz von Meeressäugetieren, das vorschreibt, dass die US-amerikanische
Thunfischflotte im Ostpazifik nicht mehr als 20.500 Delphine jährlich
töten oder verletzen darf. Da jedoch Mexiko und andere Anrainerstaaten
keine vergleichbare Politik aufwiesen, führten die USA ein Importverbot
für Thunfischprodukte aus diesen Ländern ein. Das Embargo sollte erst
aufgehoben werden, wenn die jeweiligen ausländischen Flotten entweder
ähnlichen Auflagen unterworfen werden, oder wenn sie nachweisen konnten,
im Durchschnitt nicht mehr als die 1,25-fache Zahl an Delphinen zu töten
als Schiffe der US-Flotte. Wenig später wurde die Importbeschränkung auf
Thunfischeinfuhren aus Ländern ausgedehnt, die als Zwischenhändler für
„Non-dolphin-safe“-Thunfisch gelten, darunter auch EU-Staaten.
Zwei aufeinanderfolgende GATT-Panels befassten sich mit dem Thunfischimportverbot
und kamen jeweils zu dem Ergebnis, dass es GATT-inkonform sei.
Dennoch blieb die Frage offen, ob das US-Importverbot Bestand gehabt hätte,
wenn es direkt an dem importierten Thunfischprodukt und der jeweils angewandten
Fangmethode angesetzt hätte anstatt sämtliche mexikanische Thunfischprodukte
zu treffen (
Jones 1999, 412f.).
Seitdem sind mehr als fünf Jahre verstrichen, ohne dass die Bestimmungen
des GATT seitens der Mitgliedstaaten präzisiert oder gar reformiert wurden.
Dieses Versäumnis machte sich u.a. in dem Garnelenstreit zwischen den
USA und mehreren asiatischen Staaten (Indien, Malaysia, Pakistan, Thailand)
bemerkbar, der in seiner Struktur dem Thunfischstreit ähnelt. Die USA
schreiben einheimischen Shrimpfischern vor, dass sie sog. "Turtle
excluder devices"
verwenden. Das ergänzende Importverbot sieht in der Praxis so aus, dass
nur noch Shrimps aus Ländern eingeführt werden dürfen, die in schildkrötenfreien
Gewässern fischen oder die ihrer Garnelenwirtschaft die gleichen Auflagen
vorschreiben wie die USA. Im Jahr 1997 wurde ein WTO-Panel auf Antrag
der genannten asiatischen Länder errichtet, dem sich verschiedene afrikanische
Länder anschlossen. Der Panelbericht vom Mai 1998 bewertete das Importverbot
als GATT-widrig, da es ausländischen Staaten das US-amerikanische Gesetz
mittels Handelssanktionen zu oktroyieren versuche und dadurch das multilaterale
Handelssystem grundsätzlich gefährde.
Die umweltpolitische Notwendigkeit der Maßnahmen wurde nicht geprüft.
Die Berufungsinstanz widersprach im Oktober 1998 diesem Vorgehen, bewertete
das Importverbot im speziellen Fall aber ebenfalls als GATT-widrig, da
seine konkrete Ausgestaltung dem Nichtdiskriminierungs- und Konsultationsgebot
der WTO diametral zuwiderlaufe.
Alles in allem ist die Vereinbarkeit von Handelsbeschränkungen zur Abwehr
grenzüberschreitender Umweltbelastungen mit dem Regelwerk der WTO nicht
eindeutig geklärt. Im Falle globaler Umweltgüter, bei denen der territoriale
Bezug nicht oder nur äußerst indirekt gegeben ist, lässt sich über die
WTO-Konformität allenfalls spekulieren. Grundsätzlich ist zu bemängeln,
dass die WTO-Mitglieder bis dato keine umweltpolitisch akzeptable Lösung
für diese offenen Fragen gefunden haben. Angesichts der Verschärfung grenzüberschreitender
und globaler Umweltbelastungen sowie der zunehmenden realwirtschaftlichen
Verflechtung der Länder wächst aber die umweltpolitische Notwendigkeit,
die Bestimmungen von GATT/WTO zu reformulieren.
Sind WTO - Ökoklauseln notwendig im Zuge der
Globalisierung?
Vor allem verschiedene Umweltschutzverbände plädieren seit längerem für
Ökoklauseln in der WTO und lehnen eine (weitergehende) Liberalisierung
des Welthandels ohne eine Verankerung von Umweltstandards in der Welthandelsordnung
ab (z.B. Greenpeace, WWF). Verschiedene westliche Regierungen unterstützen
die Integration von Ökoklauseln in die WTO (z.B. Frankreich, die USA und
Deutschland, Handelsblatt v. 16.3.99). Das radikalste Konzept einer Ökoklausel
sieht vor, dass alle Länder, die am internationalen Handel partizipieren
möchten, bestimmte Umweltstandards bei der Herstellung von Gütern (PPMS)
einhalten müssen. Dieser Ansatz ist jedoch nicht nur mit erheblichen praktischen
Problemen behaftet, sondern kaum ein Land dürfte bereit sein, ein derart
hohes Maß an umwelt- und ressourcenpolitischer Souveränität an die WTO
abzutreten. Außerdem ist die Welthandelsorganisation für die resultierenden
Aufgaben weder konzipiert noch geeignet (Jones 1999, 423ff.).
Am verbreitetsten ist der Vorschlag, die Ökoklausel auf den originären
Bereich der WTO, d.h. den Handel mit Waren zu begrenzen. Das würde bedeuten,
dass sich die Mitgliedstaaten der WTO verpflichten, nur Waren zu exportieren,
deren Herstellung gewissen Umweltstandards genügen. Das Konzept ist jedoch
begrenzt praktikabel. Das größte Problem stellt die Festlegung der Standards
dar (wie, was und durch wen). Es entspräche der Funktionsweise der WTO
am ehesten, wenn eine Ökoklausel Länder dazu ermächtigen würde, den Import
von Gütern zu beschränken, die den Mindeststandards nicht genügen. In
Analogie zum bestehenden Streitschlichtungsverfahren müsste dem Exportland
dann die Möglichkeit eingeräumt werden, die Zulässigkeit der Maßnahme
in einem Streitschlichtungsverfahren prüfen zu lassen.
Das Konzept der Ökoklauseln ist vielfach kritisiert worden (Weida 1997,
291ff.). So wird u.a. befürchtet, dass sie angesichts ihrer Praktikabilitätsdefizite
protektionistisch missbraucht werden. Außerdem wird bemängelt, dass weltweit
einheitliche Umwelt(mindest)standards Handels- und Reallokationsbarrieren
darstellen, die aus umweltökonomischer Sicht nicht nur entbehrlich, sondern
kontraproduktiv sind. Den erheblichen Problemen und Risiken steht die
Erwartung gegenüber, dass Ökoklauseln möglichen negativen Umweltfolgen
der Globalisierung entgegenwirken können. Einschränkend ist jedoch erstens
zu berücksichtigen, dass mit Ökoklauseln nur ein kleiner Teil der weltweiten
Umweltprobleme erfasst würde. Zweitens stellen Ökoklauseln für die internationale
umweltökonomische Arbeitsteilung Barrieren dar, die konzeptionell zwar
gewollt sind, aber für einzelne Länder den Verzicht auf umweltentlastende
Effekte der Globalisierung bedeuten können. Schließlich ist realistischerweise
davon auszugehen, dass die international "konsensfähigen" handelspolitischen
Umweltstandards ein relativ niedriges Niveau aufweisen werden, das allenfalls
Entwicklungsländer zu einer Erhöhung ihres Umweltschutzniveaus (im Exportsektor)
zwingt. Die Politik des Standortwettbewerbs zwischen den Staaten der Triade,
innerhalb derer sich die Globalisierung bzw. Regionalisierung hauptsächlich
abspielt und deren Unternehmen primär untereinander konkurrieren, dürfte
von der Ökoklausel unbeeinflusst bleiben.
Öko-Ausgleichsmaßnahmen zum Schutz der internationalen Wettbewerbsfähigkeit
Die Forderung nach Importbeschränkungen zur Abwehr von sog. Ökodumping
ist im Laufe der Diskussion differenzierter geworden. Anfangs plädierten
einzelne Umwelt-, Gewerkschafts- und Unternehmensverbände in den Industrieländern
dafür, die Antidumping-Bestimmungen des GATT soweit auszudehnen, dass
Länder den Import von Gütern beschränken können, die unter schlechteren
als den inländischen Umweltschutzbedingungen hergestellt wurden. Zur Begründung
wurden der Schutz der einheimischen Produktion vor umweltpolitisch induzierten
Wettbewerbsnachteilen und die Verhinderung eines „Race to the bottom“
angeführt (WWF 1991, 13f.; Gore 1993, 343). Mittlerweile ist diese allgemeine
Forderung kaum noch anzutreffen, da die Annahme, dass unterschiedlich
hohe Umweltstandards die - wie immer auch definierte - handelspolitische
Wettbewerbsfähigkeit
einer Volkswirtschaft spürbar beeinflussen, theoretisch umstritten ist
und einer empirischen Grundlage entbehrt. Außerdem hat nicht zuletzt die
entwicklungspolitische Perspektive dazu beigetragen, zum einen die Legitimation
umweltpolitisch begründeter Antidumping-Maßnahmen zu hinterfragen und
zum anderen das große Missbrauchspotential einer Regelung aufzuzeigen,
die es einem Land überlässt, den Import von Gütern zu beschränken, die
unter (vermeintlich) anderen als den eigenen Umweltschutzbedingungen hergestellt
wurden (Wiemann 1992; Vossenaar/Jha 1997, 21ff.). Die Definitions- und
Messprobleme wären ebenfalls erheblich (Kulessa 1995, 106ff. u. 248ff.).
Würden Umweltschutzmaßnahmen regelmäßig mit der Protektion der betroffenen
Wirtschaftszweige einhergehen, besteht außerdem die Gefahr, dass dies
der Schrumpfung umweltintensiver Branchen im Inland entgegengewirkt und
der umweltpolitisch an sich gewünschte ökologische Strukturwandel gebremst
wird. Außerdem senkt Außenschutz erfahrungsgemäß den Innovationsdruck
auf die Unternehmen, so dass die dynamische Effizienz der Umweltpolitik
leidet.
Inzwischen steht vielmehr das Konzept des Grenzausgleichs für Umweltabgaben
und seine WTO-Konformität im Mittelpunkt der Diskussion (WWF 1995; WTO
1997; Jenzen 1998, 321ff.). Grundgedanke ist, dass Umweltabgaben, die
auf einheimische Produkte erhoben werden, quasi in die "Bezollung"
importierter Produkte integriert wird. Ausgangspunkt der Überlegung ist,
dass GATT/WTO zwar eine abgabenrechtliche Schlechterstellung ausländischer
Produkte gegenüber gleichartigen inländischen Produkten verbietet, aber
nicht zu einer Besserstellung verpflichtet. Damit Abgaben, die im Inland
erhoben werden, nicht zu einer Benachteiligung einheimischer Produkte
führen, bedarf es folglich eines Mechanismus, der eine äquivalente Besteuerung
des ausländischen Produkts ermöglicht. Diese Funktion erfüllt der am Bestimmungsland
orientierte Grenzausgleich, der - mit umgekehrtem Vorzeichen - ebenfalls
angewendet wird, um inländische Güter bei der Ausfuhr von internen Abgaben
zu entlasten. Es ist nahezu unumstritten, dass Importgüter mit sämtlichen
Produktsteuern, die im Land gelten, belastet bzw. Exportgüter entlastet
werden dürfen. Mittlerweile herrscht außerdem weitgehend Konsens, dass
Produktabgaben an der Grenze tariflich ausgeglichen werden dürfen unabhängig
davon, ob das gleichartige inländische Produkt wegen seiner (umweltschädlichen)
Eigenschaften oder wegen seiner Herstellung besteuert wird. Nun ist es
aber aus Gründen der ökologischen Effizienz und Praktikabilität häufig
angezeigt, abgabenpolitisch nicht am Endprodukt anzusetzen, sondern z.B.
unmittelbar dort, wo die Umweltbelastung entsteht. Entsprechend stellt
sich die Frage, ob Grenzausgleichsmaßnahmen auch dann WTO-konform sind,
wenn das inländische Endprodukt lediglich indirekt durch nationale Umweltabgaben
belastet wird. Dies können produktionsprozessbedingte Abgaben sein, die
der Produzent direkt zahlen muss oder Abgaben auf Betriebsmittel (z.B.
Rohstoffe), die in das Produkt einfließen. Obwohl die Frage seit längerem
auf der Agenda des WTO-Ausschusses "Handel und Umwelt" steht,
herrscht nach wie vor Unklarheit über die Interpretation der relevanten
GATT-Vereinbarungen (WTO 1998b). Während die Diskussion über den Ausgleich
produktionsprozessbedingter Umweltabgaben nicht sonderlich weit fortgeschritten
ist, mehren sich die Stimmen, dass Abgaben auf Betriebsmittel ("input
taxes") an der Zollgrenze ausgleichsfähig sein sollten (Jenzen 1998,
332ff.). In diese Richtung deuten auch diverse Panel-Entscheide des Streitschlichtungsorgans
von GATT/WTO zum Grenzausgleich.
Die hier letztlich gemachte Unterscheidung zwischen Inputabgabe und Emissionsabgabe
ist aus ökologischer Sicht allerdings zunächst schwer nachvollziehbar,
zumal Emissionsabgaben ja gleichgesetzt werden können mit Inputabgaben
auf das fragliche Medium (z.B. saubere Luft, Wasser etc.). Die Unterscheidung
wird jedoch vor dem Hintergrund verständlich, dass sie nicht speziell
für umweltpolitische Abgabentypen gemacht wurde. Sie soll vielmehr verhindern,
dass das liberale Handelsregime dadurch ausgehebelt wird, dass die Staaten
jedwede beliebige nationale Abgaben (Einkommen- und Körperschaftsteuer,
Sozialabgaben usw.) in den Grenzausgleich integrieren.
Außerdem wirft die Bestimmung der Höhe des Grenzausgleichs in der Praxis
erhebliche Zurechnungsprobleme auf, wenn Produktionssteuern einbezogen
werden, die anders als Abgaben auf Inputs nicht in einer einigermaßen
festen und quantifizierbaren Relation zum Endprodukt stehen.
Immer mehr Staaten erheben sog. Ökosteuern (z.B. CO
2-Abgaben)
bzw. erwägen ihre Einführung. Somit wächst die Dringlichkeit, die WTO-Regeln
für den Grenzausgleich interner produktionsprozessbezogener Abgaben klar
zu definieren. Die Aufgabe lässt sich jedoch nur bewältigen, wenn zwischen
umwelt- und außenwirtschaftspolitischen Zielsetzungen ein Kompromiss gefunden
wird. Ein Erfordernis ist, dass die Kriterien für ausgleichsfähige Produktionsabgaben
auf Umweltabgaben im engsten Sinne beschränkt bleiben und streng eingegrenzt
werden, was die Zurechenbarkeit der Abgabe auf das Endprodukt und die
Höhe des Ausgleichs betrifft. Andernfalls werden einem abgabenpolitischen
Protektionismus Tür und Tor geöffnet und die Allokationsgewinne der internationalen
Arbeitsteilung erheblich schrumpfen (Felke 1998, 117ff.). Im Zusammenhang
mit dem Grenzausgleich für Exporte (Entlastung) muss zwischen den Wirkungen
auf die ökologische Effektivität der Abgabe und den Auswirkungen auf die
internationale Wettbewerbsfähigkeit der belasteten Unternehmen abgewogen
werden. Es widerspricht der ökologischen Zielsetzung, dass Schadstoffemissionen
bei der Exportgüterproduktion nicht besteuert werden. Andererseits erleichtert
der Ausgleich die Durchsetzbarkeit von Ökosteuern und dürfte somit einer
Paralyse der Umweltpolitik entgegenwirken. Allerdings fördert der Ausgleich
die Exporttätigkeit im allgemeinen und die der umweltintensiv produzierenden
Branchen im besonderen. Es ist fraglich, ob die Effekte dem Ziel einer
international optimalen (Umwelt-)Allokation dienlich sind.
Umweltverträglichkeitsprüfung
handelspolitischer Vereinbarungen
Ein umfassendes Konzept zur institutionellen Integration umweltpolitischer
Erfordernisse in die Welthandelsordnung stellt der Vorschlag dar, alle
(neuen) handelspolitischen Abkommen einer "Umweltverträglichkeitsprüfung"
(UVP) zu unterziehen und ggfs. durch umweltschutzpolitische Maßnahmen
zu flankieren und/oder die Vereinbarungen zu modifizieren (WWF 1998 u.
1999). Analytisch können zwei Elemente der UVP unterschieden werden: Zum
einen interessieren die umweltpolitischen Implikationen der institutionellen
Regelungen eines Handelsabkommens, und zum anderen geht es um die wesentlich
anspruchsvollere Aufgabe, abzuschätzen, welche ökologischen Wirkungen
davon ausgehen, dass sich Handels- und Produktionsströme aufgrund des
Handelsabkommens quantitativ und qualitativ verändern.
Ein Beispiel für institutionell bedingte Defizite liefert u.E. das SPS-Abkommen
der WTO, dessen umweltpolitisch hinderliche Wirkung oben im Zusammenhang
mit dem „Hormonstreit“ skizziert wurde. Andererseits enthält das SPS-Abkommen
aber auch umweltpolitisch begrüßenswerte Elemente. So wird explizit festgehalten,
dass nationale sanitäre und phytosanitäre Normen, die internationalen
Standards entsprechen, mit der WTO per se vereinbar sind (SPS Art. 3.2).
Damit wird der jeweiligen Fachebene (z.B. Codex-Alimentarius-Kommission
von FAO/WHO) Vorrang vor freihandelspolitischen Postulaten eingeräumt.
Das Übereinkommen über technische Handelshemmnisse wählt einen ähnlichen
Ansatz hinsichtlich international vereinbarter technischer Normen (Art.
2.5 des Übereinkommens). Eine quantitativ-empirisch ausgerichtete UVP
ist im Vergleich zu diesem mehr oder weniger abstrakten Abklopfen von
Vertragstexten extrem aufwendig und methodisch kaum befriedigend zu bewältigen.
Die Bemühungen der USA und Kanadas, die Wirkungen des nordamerikanischen
Freihandelsakommens (NAFTA) auf die jeweils nationale Umwelt zu untersuchen,
zählt zu den ersten umfassenderen Ansätzen dieser Art. Die EU hat im vergangenen
Jahr eine Studie mit dem Ziel in Auftrag gegeben, ein System für die UVP
handelspolitischer Maßnahmen und Abkommen zu entwickeln und anzuwenden
(Kirkpatrick et al. 1999). Darüber hinaus haben vor allem UN-Organisationen
Länderstudien erstellt, in denen sektorale Handelsvereinbarungen (z.B.
Agrarhandel) im Vordergrund stehen (insb. UNCTAD, UNEP). Die vorliegenden
Untersuchungen können den einzelnen Ländern bei der Entscheidung helfen,
konkreten Liberalisierungsabkommen zuzustimmen bzw. auf ihre Modifikation
zu drängen. Es besteht aber sowohl erheblicher Forschungs- als auch politischer
Handlungsbedarf bis ein brauchbarer methodischer Untersuchungsrahmen für
multilaterale Handelsabkommen entwickelt und umgesetzt sein wird, der
eine globale UVP ermöglicht. UVPs können trotz aller Unvollkommenheit
dazu beitragen, dass umweltpolitische Erfordernisse in der internationalen
Handelspolitik zukünftig stärker berücksichtigt werden. Länder- und sektorspezifische
UVPs führen möglicherweise auch dazu, dass Länder umweltschutzpolitische
Sicherheitsplanken parallel zur außenwirtschaftlichen Liberalisierung
implementieren. Das setzt wiederum voraus, dass das Handelsabkommen diese
vorsorgende Umweltpolitik nicht behindert.
Zwischenfazit
Die inhaltliche Diskussion über die Integration umweltpolitischer Elemente
in die WTO ist vergleichsweise weit gediehen. Wenngleich das erforderliche
Ausmaß der "Ökologisierung" umstritten ist, steht weitestgehend
fest, dass Reformbedarf besteht. Eine - wie auch immer gestaltete - Ökologisierung
der WTO allein reicht jedoch in vielerlei Hinsicht nicht aus die internationalen
Wirtschaftsbeziehungen mit umweltschutzpolitischen Erfordernissen in Einklang
zu bringen. Ergänzend wird daher über eine "Ökologisierung"
der Direktinvestitionen diskutiert.
Zur "Ökologisierung" internationaler Investitions-
und Technologieströme
Im Bereich des internationalen Kapital- und Technologietransfer steckt
die Diskussion über eine institutionelle Verankerung umweltpolitischer
Elemente in internationale Wirtschaftsabkommen in den Kinderschuhen, wenngleich
der unverbindliche Verhaltenskodex der OECD für multinationale Unternehmen
zum Schutz der Umwelt im Gastland auffordert. Darüber hinaus wächst seit
Beginn der 90er Jahre die Zahl der Unternehmen, die umweltpolitische Selbstverpflichtungen
bei Direktinvestitionen in Entwicklungsländern eingehen. Es fehlt jedoch
eine systematisch herausgearbeitete ordnungspolitische Vorstellung darüber,
wie ein umweltpolitisch akzeptables internationales Investitionsregime
gestaltet werden könnte. Ein Grund hierfür ist, dass es im Gegensatz zur
Welthandelspolitik kein multilaterales Abkommen über Direktinvestitionen
gibt. Als jedoch in den Kreisen von Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden
Näheres darüber bekannt wurde, dass die OECD-Staaten seit 1995 über die
Errichtung eines Multilateralen Abkommens über Investitionen (MAI) verhandelten,
setzte eine Ökologisierungsdiskussion ein, die jener im Zusammenhang mit
GATT/WTO ähnelt (WEED/Germanwatch 1998; Polaris Institute 1998). Mittlerweile
wurden die MAI-Verhandlungen zwar ausgesetzt, da aber eine Wiederaufnahme
der Verhandlungen in der OECD oder ihre Verlagerung in die WTO zu erwarten
ist, stellt sich weiterhin die Frage nach einer Ökologisierung eines multilateralen
Investitionsabkommens.
Die Vorschläge für institutionelle Ergänzungen einer liberalen Weltinvestitionsordnung
lassen sich im wesentlichen fünf Kategorien zuordnen (Kulessa/Schwaab
1998, 48f.):
Dies gilt besonders für multilaterale Abkommen zur Bekämpfung globaler Umweltschäden,
denen nicht alle Staaten beigetreten sind. Insbesondere Handelsbeschränkungen
gegenüber Staaten, die nicht Mitglied des betreffenden Umweltabkommens,
aber der WTO sind, können jedoch mit den Bestimmungen der WTO kollidieren,
da sie die Handelsrechte beschneiden und einzelne WTO-Mitglieder diskriminieren
(Jones 1999, 430).
Internationale Umweltabkommen und GATT/WTO
Der WTO-Ausschuss für Handel und Umwelt beschäftigt sich seit Jahren ohne
konkretes Ergebnis mit dem Verhältnis zwischen multilateralen Umweltabkommen
und den WTO-Bestimmungen. Da bislang noch kein diesbezügliches Streitschlichtungsverfahren
beantragt wurde, existiert auch kein unmittelbar relevanter Panel-Entscheid.
Die Berichte zum Thunfisch- und Garnelenstreit lassen indes erkennen, dass
Handelsbeschränkungen im Rahmen internationaler Umweltschutzvereinbarungen
grundsätzlich wohlwollender gegenübergestanden wird als nationalen Alleingängen.
Dennoch erscheint es zur Vermeidung von Unsicherheiten und zwischenstaatlichen
Konflikten notwendig, dass die Zulässigkeit von umweltpolitischen Handelsbeschränkungen
auf der Basis multilateraler Umweltschutzabkommen explizit in der Welthandelsordnung
verankert wird. Es bliebe allerdings zu konkretisieren, welchen Kriterien
ein plurilaterales Umweltschutzabkommen genügen muss, um als multilaterales
Abkommen von den WTO-Bestimmungen ausgenommen zu werden.
Das Spannungsverhältnis zwischen internationalen Umweltschutzabkommen und
WTO beschränkt sich nicht auf unmittelbar handelsbeschränkende Abkommen,
sondern betrifft darüber hinaus die Biodiversitätskonvention (1992). Ihr
Verhältnis zum WTO-Abkommen über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums
(TRIPS), das weniger ein Handelsabkommen und vielmehr eine Vereinbarung
zur Universalisierung bestimmter Copyright- und Patentstandards darstellt,
ist nach wie vor unklar. Das TRIPS sieht bestimmte Regelungen zur Sicherung
der privaten Eigentumsrechte an Pflanzensorten vor und fordert (implizit)
die weltweite Patentierbarkeit von Produkten, die aus natürlich vorkommenden
Arten gewonnen werden (Brühl/Kulessa 1998, 11ff.). Diese Standards kollidieren
möglicherweise mit der Biodiversitätskonvention, zu deren Prinzipien u.a
der angemessene Zugang (für alle) zu genetischen Ressourcen und die gerechte
Aufteilung der sich aus der Ressourcennutzung ergebenden Vorteile zählen
(Brühl/Simonis 1999). Hier sollte angesichts der unterschiedlichen Gewichtigkeit
der Ziele u.E. der Grundsatz gelten, dass multilaterale Nachhaltigkeitsvereinbarungen
Vorrang vor weltwirtschaftspolitischen Abkommen haben. Dies gilt u.E. umso
mehr, als die meisten Entwicklungsländer TRIPS weniger aus Überzeugung unterzeichnet
haben, sondern um im Gegenzug Handelserleichterungen zu erzielen und um
unilateralen Handelssanktionen seitens der USA zuvorzukommen.
Zudem sprechen nicht allein ökologische, sondern auch handelspolitische
Argumente für internationale Umweltabkommen zur Regulierung umweltschädlicher
Handelsströme und ihren Vorrang gegenüber GATT bzw. WTO. Der Abschluss handelsbeschränkender
Umweltabkommen kann sogar im Eigeninteresse einer liberalen Welthandelspolitik
liegen, da die Akzeptanz von liberalen Handelsprinzipien in der Öffentlichkeit
umso höher sein dürfte, je eher sie sich vor umwelt- bzw. gesundheitsschädlichen
Handelsströmen geschützt fühlt. So wird bspw. am International Institute
for Sustainable Development vermutet, dass der überraschende Abschluss des
bereits tot gesagten Biosafety-Protokolls im Januar 2000 nicht zuletzt als
Reaktion der westlichen Regierungen auf die Proteste gegen die WTO-Ministerkonferenz
in Seattle und ihr Scheitern zu deuten ist: „So soon after Seattle, and
in the glare of public attention generated by activist NGOs, key governments
clearly had no desire to undermine progress on a treaty that so directly
aimed to protect the environment and build capacity in developing countries
- and certainly not in the name of trade interests.„ (Cosbey/Burgiel 2000,
15)
Zusammenfassende Bemerkungen und Ausblick
Weltwirtschaftliche Liberalisierung und die zunehmende Verflechtung der
Staaten bergen die Gefahr, dass die Durchsetzungsfähigkeit und Effektivität
einzelstaatlicher Umweltinnen- und Umweltaußenpolitik gemindert wird. Für
die Umweltpolitik ergeben sich daraus neue Herausforderungen und Anpassungsnotwendigkeiten.
Einerseits legt die internationale Reaktionsverbundenheit der Volkswirtschaften
nahe, dass weltweite Umweltschutzvereinbarungen erforderlich sind, um die
interne Durchsetzbarkeit und/oder die Effektivität einzelstaatlicher Umweltschutzmaßnahmen
sicherzustellen. Da aber etliche Entwicklungsländer nicht von sich aus bereit
sind, wirtschaftliche Ziele dem Umweltschutz unterzuordnen, drängen verschiedene
Stimmen im "Norden" darauf, Umweltstandards in weltwirtschaftlichen
Abkommen zu verankern, in denen die Industrieländer eine ungleich größere
Verhandlungsmacht gegenüber dem "Süden" aufweisen als auf der
Ebene der internationalen Umweltpolitik (Biermann 1998, 348f.). Andererseits
zeigen aber die geographischen Strukturen der Weltwirtschaftsaktivitäten,
dass die Globalisierung und der Standortwettbewerb schwerpunktmäßig innerhalb
der Kontinente (Regionalisierung) und der Industrieländer-Triade stattfinden.
Daraus ergibt sich, dass die Spielräume für die Umweltpolitik größer sind
als gelegentlich suggeriert wird. Die Dominanz der Industrieländer im Globalisierungsprozess
und die Regionalisierung deuten auf die Option, regionale und plurilaterale
Umweltschutzvereinbarungen zu intensivieren, z.B. im Rahmen von EU, NAFTA,
OECD (Jones 1999, 426f.).
Da ein Großteil der Güterimporte sowie fast alle zufließenden Auslandsinvestitionen
im Süden aus den Industrieländern stammen, kann insbesondere der "Norden"
im Zuge der Globalisierung durch die Diffusion relativ umweltschonender
Produkte und Technologien und durch seine Vorreiterfunktion einen signifikanten
Beitrag für eine zukunftsfähige wirtschaftliche Entwicklung im "Süden"
leisten, ohne Gefahr zu laufen, die Entwicklungschancen durch Protektionismus
zu mindern.
Wenn eine effektive nationale Umweltpolitik aufgrund von „Spillovers“, Industriewanderungen
oder handelsstrategischem Interesse auszubleiben droht, ist die regionale
und globale Ebene gefordert, Maßnahmen zu ergreifen, damit negative Umweltwirkungen
der Globalisierung nicht überhand nehmen. Dies betrifft unter Umständen
auch Umweltprobleme, die traditionell in den Regelungsbereich nationaler
Umweltbehörden fielen. Subsidiaritäts- und Effizienzüberlegungen sprechen
zwar für eine Internalisierung auf der jeweils untersten Ebene (Zimmermann
/ Kahlenborn 1994, Sautter 1998), aber wenn der Wettbewerb um (vermeintliche)
Standortvorteile umweltpolitisch ruinöse Züge annimmt, muss ggf. auch bei
nationalen Umweltproblemen auf die internationale Ebene ausgewichen werden.
Vor dem Hintergrund, dass die Globalisierung Industrialisierungstendenzen
im "Süden" verstärkt, müssen auch die Entwicklungsländer in den
Prozess der Vereinbarung von Standards zur Vermeidung lokaler bzw. nationaler
Umweltschäden eingebunden werden. In diesem Zusammenhang erscheinen wiederum
regionale Umweltschutzabkommen geeignet, da der schärfste Standortwettbewerb
de facto intraregional bzw. innerhalb der Ländergruppen (Entwicklungs-,
Schwellen- und Industrieländer) stattfindet. Außerdem dürften Länder ähnlichen
wirtschaftlichen Entwicklungsstandes eher als die gesamte Staatengemeinschaft
in der Lage sein, adäquate Umweltstandards zu definieren und sich auf diese
zu einigen.
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