DIETMAR HERZ:
Die Amerikaner im Krieg. Bericht aus dem Irak im vierten Kriegsjahr


 
       
    Heft 3/2007  
     
  München 2007
Verlag C. H. Beck, 160 S.
  
 

Blutiges Chaos, nicht enden wollende Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten und das katastrophale Scheitern der amerikanischen Strategie – was der Politikwissenschaftler Dietmar Herz, Inhaber des Lehrstuhls für Vergleichende Regierungslehre an der Universität Erfurt, an Erkenntnissen über die gegenwärtige Lage des Irak schreibt, klingt nur zu bedrückend vertraut. So mancher seiner Kollegen hat sich in den letzten Jahren über die Fehler der Bush-Administration in ihrem Versuch, den Irak durch militärisches Eingreifen erst zu befreien und dann zu demokratisieren, geäußert. Ungewöhnlich, zumal für einen Wissenschaftler, ist hingegen die Quelle seiner Ausführungen: persönliche Anschauung im Krisengebiet selbst. Vier Wochen verbrachte Herz im Winter 2006/2007 im Auftrag der Süddeutschen Zeitung an den Kriegsschauplätzen im Zweistromland, um »den Konflikt zu verstehen und die amerikanische Politik und Strategie
zu beurteilen« (S. 26).

Und so begleitet der Autor als »Embedded Political Scientist« die amerikanischen Truppen nach Bagdad, Samarra sowie Tigrit, beschreibt das unwirkliche Leben in der »grünen Zone« der irakischen Hauptstadt und spricht mit Amerikanern und Irakern, Soldaten wie Zivilisten. Auf diese Weise entsteht ein anschaulicher, teils auch spannender Erlebnisbericht aus einem Land, das in einem Strudel der Gewalt zu versinken droht und in dem Sicherheit zur begehrtesten »Ware« überhaupt geworden ist.

Herz lässt keinen Zweifel daran, dass die us-Strategie in einer Sackgasse steckt. Militärisch setzten sich die Amerikaner zwar stets durch, aber der dauerhafte Aufbau ziviler Einrichtungen sei durch die katastrophale Nachkriegsplanung völlig misslungen. Den gi’s macht der Autor keinen Vorwurf, er beschreibt sie als umgänglich und motiviert, den Irakern zu helfen. Aber die strategische Unfähigkeit der Regierung in Washington, ihre ideologische Verblendung, sei für viele der jungen Soldaten ein »Todesurteil«. Erst langsam sei in Washington ein Umschwenken auf einen »realistischeren« Kurs zu erkennen, nicht zuletzt durch die Entlassung von Donald Rumsfeld und die Berufung von David Petraeus zum neuen Oberbefehlshaber der Koalitionstruppen. Dieser setze verstärkt auf eine enge Zusammenarbeit mit den Irakern, um die Sicherheitslage in den Ballungszentren zu verbessern. Gleichwohl weiß auch Herz keinen anderen Weg aus der festgefahrenen Situation im Zweistromland als den mühseligen und langwierigen Aufbau ziviler Strukturen. Ein baldiger Rückzug der usa würde jedenfalls zu unabsehbaren Folgen führen – auch für Europa.

So vertraut dieser Tenor von Herz’ Bericht im Großen und Ganzen ist, präsentiert der Autor gleichwohl einige interessante, bisher eher unbekannte Aspekte über den Kriegsalltag im Irak. So zeichnet er das Bild zweier »Welten«, voneinander nahezu vollständig getrennt: zum einen die in sich autarke Welt der amerikanischen Lager und der »grünen Zone« in Bagdad mit Fast-Food-Läden und westlichem Komfort, bevölkert nicht nur durch westliche Soldaten, sondern auch durch die Angestellten privater Sicherheitsunternehmen aus aller Herren Länder. Zum anderen die irakische Welt außerhalb der Camps, in die sich die gi’s von Zeit zu Zeit für Patrouillen und Einsätze bewegen und in der der Feind überall lauern kann. Eine flächendeckende Kontrolle oder gar Befriedung des Landes kann so allerdings kaum erreicht werden. Die Logistik erfolgt fast ausschließlich über Lufttransporte und gepanzerte Konvois bei Nacht. Den übergroßen Rest der Zeit bestimmt Warten, teils nervenaufreibend, oft schlicht ermüdend.

Für einen Wissenschaftler ist es wahrlich ungewöhnlich, sich den Gefahren eines militärischen Konflikts unmittelbar auszusetzen. Dies dürfte auch nach Herz’ bemerkenswert wagemutigem Ausflug aus dem Elfenbeinturm so bleiben. Dass es gelingt, durch persönliche Anschauung vor Ort ein »wirkliches« Verständnis der irakischen Kriege zu erhalten, mag durchaus zutreffend sein; wirklich neuartige Erkenntnisse wissenschaftlicher Qualität – jenseits interessanter Details und Beobachtungen – vermag Herz jedoch leider nicht daraus abzuleiten. Im Resultat ist sein Essay den Texten »eingebetteter« Journalisten sehr ähnlich, woran auch seine historisch-politikwissenschaftlichen Erläuterungen über die Ursachen des Konflikts und die Geschichte des Irak wenig ändern. Diese wirken mitunter sogar wie Füllmaterial, um die Erlebnisse des Autors vor Ort, am 23. März 2007 bereits im Magazin der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht, auf Buchlänge zu strecken. So bleibt der traurige und niederschmetternde Eindruck eines Krieges, in dem es auf Seiten der Amerikaner vor allem die ganz jungen Soldaten sind, die ihr Leben lassen. Herz benennt sie namentlich, wobei ihre Zahl durch die der toten Iraker noch bei weitem überschritten wird. Die Vereinigten Staaten haben den Konflikt 2003 ausgelöst, stoppen können sie die Gewaltspirale mittlerweile nicht mehr. Dies belegt Herz’ interessanter Bericht erneut, ohne zugleich die eigene Disziplin zu revolutionieren.


Robin Rüsenberg,
Berlin

     
      
 
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