LEONARDO MAUGERI:
The Age of Oil, The Mythology, History, and Future
of the World’s Most Controversial Resource


 
       
    Heft 3/2007  
     
  Westport, London 2006
Praeger Publishers, 340 S.
  
 

Zur Zeit gibt es wieder ein verstärktes Interesse an »Peak Oil« und seinen Implikationen. Insbesondere dann, wenn die Ölpreise ansteigen, taucht der Begriff in der Debatte um die Verfügbarkeit von Erdöl auf. Dabei geht es um die Frage, wann der Gipfel der Förderung erreicht ist, so dass die Verfügbarkeit des »schwarzen Goldes« tendenziell sinkt und sich sein Zeitalter unausweichlich dem Ende nähert.

In den fünfziger Jahren, kurz nachdem Erdöl insbesondere im Westen zum zentralen Brennstoff wurde, entwickelte der Geologe Marion King Hubbert sein »Peak Oil«-Modell. Die Erdölproduktion folgt demnach der typischen glockenförmigen Kurve, die statistischen Modellen zugrunde liegt. Für die USA war er damit relativ erfolgreich – eine Übertragung auf Ölreserven der Welt hat zu einigen Fehleinschätzungen und Neujustierungen geführt.

Leonardo Maugeri hat dies im Blick, wenn er in seinem Buch »The Age of Oil« die Geschichte und die gegenwärtige Situation der Ölindustrie reflektiert. Die Diskussion um ein Ende der verfügbaren Reserven begleitet sie seit ihren Ursprüngen im 19. Jahrhundert. Entsprechend wenig sollte man laut Maugeri auch heute auf die Gerüchte über ein baldiges Ende des Ölzeitalters geben. Noch immer seien die Voraussetzungen für eine globale Anwendung des »Peak Oil«- Modells nicht gegeben – die geologische Beschaffenheit der Erde und die erratischen Gesetze von Politik, Wirtschaft und Technologieentwicklung seien keinesfalls so bekannt, dass sie als operationalisierbare Variablen für ein statistisches Modell dienen könnten. Daraus erklärten sich die falschen Warnungen der Vergangenheit und die ungerechtfertigten Panikreaktionen der Gegenwart. Eingedenk dieser Irrtümer und der massiv vorhandenen nichtkonventionellen Vorkommen gibt es Maugeri zufolge auf absehbare Zeit genug Öl für alle.

Diese mehr oder weniger beruhigende Botschaft spiegelt sich auch in seiner zweiten These wider: Die Ölwirtschaft ist keinesfalls so zentralisiert, wie es Behauptungen über die Macht der opec und der ubiquitären Ölmultis glauben machen wollen. Der Wettbewerb lebt, und dies sichert die Versorgung mit Öl weiter ab. Auch das ist nicht neu: Die Geschichte des Erdöls als Ressource ist eine Geschichte der (gescheiterten) Versuche, den Zugang zu ihr vollständig zu kontrollieren.

Man sollte wissen, dass Maugeri in leitender Position für den italienischen Energiekonzern Eni tätig ist, das sechstgrößte notierte Ölunternehmen. Es wäre unfair, daraus zu schließen, er sei voreingenommen. Aber es erklärt die generelle Ausrichtung dieses Buches und mindert die Verwunderung über das, was der Autor leider ausgelassen hat.

»The Age of Oil« gliedert sich in zwei Teile, von denen der erste, »A History of an Unreliable Market«, den weitaus größeren Raum einnimmt. Maugeri skizziert darin die faszinierende Entwicklung der Ölindustrie von ihrem Beginn in den 1860er Jahren bis heute. Immer wieder bezieht er sich vor allem auf die USA als Ursprungsland der Ölwirtschaft und weltweit größte Ökonomie. Fesselnd reflektiert er den rasanten Aufstieg der Ressource, in deren Windschatten sich politische und wirtschaftliche Umwälzungen vollzogen.

In seinem Standardwerk »The Prize« (1991) hat Daniel Yergin knappe 800 Seiten für das benötigt, was Maugeri deutlich oberflächlicher in weniger als 200 Seiten abhandelt. Seinen Kernthesen entsprechend liegt der Schwerpunkt der Darstellung auf den immer wieder auftauchenden Alarmmeldungen über ein baldiges Ende des Ölzeitalters sowie auf den Monopolisierungs- und Zentralisierungsversuchen, die stets scheiterten – ob sie von Rockefellers Standard-Oil-Imperium (das 1911 zerschlagen wurde), von den »Seven Sisters« (den sieben westlichen Ölunternehmen, die am Beginn des 20. Jahrhunderts die nahöstlichen Reserven unter sich aufteilten) oder von der opec (die nie den Einfluss und die Einigkeit besaß, die ihr zugeschrieben wurden) ausgingen.

Maugeri ignoriert in seiner Darstellung keinesfalls die Problematik der Abhängigkeit vom Erdöl und erwähnt auch die Verbrechen, die inszenierten und geförderten Putsche, die begangen wurden, um die Versorgung sicherzustellen. Der Sturz des iranischen Premierministers Mohammad Mossadegh durch die cia im Jahr 1953 stellt einen brutalen Höhepunkt dar.

Der zweite Teil, »Misperceptions and Problems ahead«, wirkt dagegen wie eine Sammlung von Essays, die sich lose um die These gruppiert, dass das Ende des Ölzeitalters noch nicht gekommen sei. Maugeri reflektiert aktuelle Entwicklungen, wie die wachsende Nachfrage aus China und Indien und das vermehrte Aufkommen staatlicher Ölunternehmen aus Schwellenländern, die die private Energiewirtschaft unter Druck setzen. In diesem Abschnitt kommt die Schwäche des Buches am stärksten zur Geltung: das Beharren auf der Unersetzlichkeit von Erdöl und der Unwillen, ein Ende des Ölzeitalters als realistisches politisches Ziel zu akzeptieren.

So fertigt Maugeri das Potenzial erneuerbarer Energien auf mittlere Sicht als »wishful thinking« ab, weil die technischen Voraussetzungen noch nicht gegeben seien. Dies geschieht in einem Nebensatz; die energiepolitische Diskussion hätte jedoch mehr verdient. Daran, dass die Förderung unkonventioneller Ölvorkommen technisch möglich, rentabel und wünschenswert sei, lässt er übrigens keinen Zweifel.

Auch die aktuellen Fehltritte der Ölindustrie behandelt Maugeri nur sehr peripher. Die Diskussionen um das Brent-Spar-Debakel (in all seiner Ambivalenz) und die Verstrickungen von Shell in Nigeria seien als nur zwei Beispiele genannt, die in »The Age of Oil« unberücksichtigt bleiben. Die Ölindustrie ist so heftig in die Kritik geraten, dass ihr zumindest aus Sicht der Industrienationen nicht nur durch »Peak Oil«, sondern auch durch den Wunsch, auf ökologisch und politisch sauberere Energieformen zurückzugreifen, auf lange Sicht der Garaus droht.

Schwach bleibt ebenso Maugeris sehr kurze Erläuterung, warum amerikanische Ölfirmen kein Interesse am Irak-Krieg gehabt hätten. Sein Argument ist, dass die Konzessionen zur Förderung nach dem Krieg neu verteilt werden und die Infrastruktur neu aufgebaut werden müsse. Dies sei nicht im Interesse der Ölwirtschaft. Aber ist das wirklich wahr? Das Ende Saddam Husseins bedeutet immerhin auch das Ende jeglicher Embargos und schafft die Gelegenheit, die Ölindustrie im Irak voll zu entwickeln (unter der Voraussetzung von Sicherheit und politischer Stabilität). Maugeri provoziert mit dieser recht unausgegorenen Argumentation mehr Fragen, als dass er Antworten zu geben weiß.

Auch seine Kritik am Ziel der Unabhängigkeit von Ölimporten, wie sie jüngst von us-Präsident Bush artikuliert wurde, greift zu kurz. Es ist richtig, dass derartige Bekenntnisse ohne konkrete Maßnahmen (insbesondere eine »Carbon Tax«) wenig Sinn machen. Aber im Vergleich zu Nixon, der 32 Jahre zuvor ähnliche Ziele verkündete, hat die Diskussion vor dem Hintergrund des Klimawandels und des durch Ölgelder finanzierten islamischen Terrorismus eine neue Qualität erreicht, die Maugeri nicht ausreichend reflektiert. Er erkennt zwar an, dass der Ölverbrauch in den Industrienationen sinken wird, aber insgesamt ist seine Perspektive zu stark durch die historische Beständigkeit der Ölversorgung geprägt, als dass sie die politischen Implikationen dieser Entwicklung voll erfassen möchte.

Es ist sehr zu begrüßen, dass Maugeri seine durch die Energiewirtschaft geprägte Perspektive in so gebündelter und hervorragend zu lesender Form mitteilt. Dieses Buch ergänzt die Debatte um »the world’s most controversial ressource« in hervorragender Weise und ist sowohl als geschichtliche Darstellung als auch als deutliche Artikulation eines kontroversen Standpunktes zu empfehlen, wenn auch mit politischer Vorsicht zu genießen.


Thomas Mättig,
Monterey Institute of International Studies,
Monterey (Kalifornien)

     
      
 
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