Carol Brightman: Total Insecurity. The Myth of American Omnipotence
 
    
   Issue 2/2006  
    
  New York 2004
Verso, 268 S.
  
 

Carol Brightman, prominente Vertreterin der amerikanischen Linken, legt mit “Total Insecurity” eine kritische Auseinandersetzung mit dem Krieg im Irak vor. Das Buch ist jedoch mehr als eine Analyse der Außenpolitik der ersten Administration von George W. Bush. Immer wieder webt Brightman persönliche Erlebnisse und autobiographische Erinnerungen in ihre Argumentation ein. Die Autorin versucht so, theoretische Reflexionen durch konkretes Erleben zu unterfüttern, was ihr an einigen Stellen gut, an anderen weniger gut gelingt.

Brightmans Hauptthese ist, dass sich die Vereinigten Staaten aus einer Position der Schwäche heraus in ein unkalkulierbares militärisches Abenteuer gestürzt haben. Die Unfähigkeit der amerikanischen Regierung, einen sich stetig zu ihren Ungunsten entwickelnden Konflikt im Irak rechtzeitig zu beenden, hat zu einer dramatischen Verschlechterung der Machtposition der USA geführt. Die Vereinigten Staaten, so Brightman, haben infolge des Irakkrieges ihre führende Rolle in vielen wichtigen Bereichen eingebüßt: militärisch, da sie sich unfähig zeigen, den Irak zu befrieden; diplomatisch, da sie sowohl die Gefolgschaft weiter Teile ihrer europäischen Verbündeten als auch die Kontrolle über die Vereinten Nationen verloren haben; ökonomisch, da sie nicht zuletzt durch ihre militärischen Verstrickungen ein gigantisches Haushalts- und Handelsdefizit aufgebaut haben. Der „Mythos amerikanischer Allmacht“ ist demnach nicht nur schwer beschädigt, sondern zerstört. Die Verantwortlichen sind, so Brightman, zwar nicht ausschließlich, aber doch in erster Linie in der Administration von George W. Bush zu suchen.

Zudem sei die USA im Begriff, einen weiteren wichtigen Kampf zu verlieren: den „Petrodollar War“, also den Krieg zwischen US-Dollar und Euro als Leitwährung im internationalen Ölgeschäft. Hierin sieht Brightman eine wesentliche Ursache für die Entscheidung der Regierung Bush, Krieg gegen den Irak zu führen, da der Irak unter Saddam Hussein schon seit 2000 seine Ölgeschäfte im Rahmen des „Oil-for-food“-Programms nicht mehr in Dollar, sondern in Euro abgewickelt hatte. Brightman kommt wieder auf diesen „hidden war“ zurück. Für sie ist dieser Konflikt auch eine maßgebliche Begründung für eine weitere wichtige These des Buches: Der Krieg gegen den Terror diente demnach lediglich als Vorwand für die Invasion des Irak, die wahren Gründe seien ökonomischer Natur. Die Schaffung einer „psychology of insecurity“ (S. 9) aber hätte der Bush-Regierung die Möglichkeit gegeben, den internationalen Terror zur Rechtfertigung zweier Kriege (Afghanistan und Irak) heranzuziehen.

Schon auf den ersten Seiten zeigt sich allerdings eine große Schwäche des Buches. Einige Argumente und Thesen sind aufgrund der dynamischen Entwicklung, nicht nur des Irakkonfliktes, bereits von der Realität eingeholt und teilweise konterkariert worden. Besonders auffällig zeigt sich dies in verschiedenen Aussagen Brightmans bezüglich der zukünftigen Entwicklung der Europäischen Union als Gegenpart zu den USA. Die europäische Verfassung, in welcher Brightman ein offensives Bekenntnis zu einer von den Vereinigten Staaten unabhängigen gemeinsamen Außenpolitik der EU sieht, ist in weite Ferne gerückt. Die äußerst positiven Einschätzungen der Zukunft der gemeinsamen europäischen Währung sind ebenfalls eher fragwürdig. Selbst die kühnsten Optimisten können sich derzeit kaum einen baldigen Beitritt Großbritanniens zur Euro-Zone vorstellen, schon gar nicht „before the decade is out“ (S. 4).

Insgesamt ähnelt das erste Kapitel einer Anklageschrift gegen die, laut Brightman, in höchstem Maße gefährliche Politik der Bush-Administration. Hierbei kommen sowohl der „Patriot Act“ als auch Guantanamo zur Sprache. Das Ende der Gewaltenteilung wird ebenso beklagt wie die Beschneidung der Pressefreiheit und, schlussendlich, die Bedrohung von Freiheit und Demokratie durch die Maßnahmen einer durch die psychologischen Folgen der Anschläge des 11. September 2001 beinahe unangreifbaren Regierung. Gleichzeitig beurteilt Carol Brightman den Willen und die Fähigkeit zu einem breiten Widerstand innerhalb der amerikanischen Öffentlichkeit überaus skeptisch. Die Protestkultur der 1960er und 1970er Jahre, die „communities of dissent“, sind verschwunden (S. 18-19). Erst der „Wake-up-call“ des Irakkrieges könne nunmehr zu einer Rückkehr des „Dissent“ führen. Doch auch hier beurteilt Brightman die Lage eher pessimistisch.

Wie sich politisches Engagement entwickeln kann, ist Thema des stark autobiographischen zweiten Kapitels, „How It Was“. Hier beschreibt Brightman ihre Kindheit und Jugend unter dem Gesichtspunkt der politischen Selbstfindung. Für den Leser ist dieser Abschnitt recht kurzweilig, wenngleich seine Funktion für die Argumentationslinie des Buches nebulös bleibt. Recht drastisch und stellenweise amüsant sind die Einschätzungen Brightmans bezüglich wichtiger amerikanischer Politiker jener Zeit: John F. Kennedy – „a phoney“ (S. 30); Douglas MacArthur – „I hated him“ (S. 32); Adlai Stevenson – „an egghead“ (S. 36).

Inhaltlich deutlich klarer und zielstrebiger zeigt sich das folgende Kapitel, „Securing the Realm“, welches sich intensiv mit der Bush-Doktrin auseinandersetzt. Kern dieses Leitbildes der momentanen amerikanischen Außenpolitik ist für die Autorin die „National Security Strategy“ aus dem Jahr 2002. Dieses Papier stellt, so Brightman, auf Grundlage des Kampfes gegen den globalen Terror die weltweite militärische Handlungsmacht der Vereinigten Staaten als zentrale Forderung auf und zielt auf nichts weniger als „full spectrum dominance“ (S. 48). Präventive Aktionen sind hierbei nicht nur legitim, sondern notwendig. Militärische Schlagkraft und ökonomische Überlegenheit sind für Brightman zwei Seiten einer „neokonservativen“ Medaille. Schon seit 1998 konstatiert die Autorin eine parallele Entwicklung der Etablierung neokonservativer Denkmuster und der sukzessiven Eskalation im Irak. Der Irakkrieg ist insofern nicht nur Ausdruck dieser „grand strategy“, sondern vielmehr absolut notwendig zur Wahrung des „nationalen Interesses“ militärischer Überlegenheit. Die „wahren Gründe“ für den Waffengang, so Brightman, können entsprechend nicht allein im Terrorismus zu suchen sein; es sind die Sicherung weiterer Militärbasen im Nahen Osten, der direkte Zugang zum irakischen Öl, sowie die Stützung des US-Dollar im „hidden war“ gegen den Euro (S. 53). Es konnten sich also im Irakkrieg zwei wesentliche Initiativen der Außenpolitik der Bush-Regierung (Kampf gegen den Terror, Zugang zu Öl) auf unheilvolle Art verbinden lassen (S. 64).

Dieses Argument wird im Kapitel „Mounting War“ fortgeführt und erweitert. Hier zielt Brightman nochmals ausführlich auf die These des „underlying problem“ des „Dollar-War“ ab. Demnach werde zwar der militärische Konflikt im Irak ausgetragen, der eigentliche Krieg spiele sich jedoch hinter den Kulissen im Ringen um Ölförderverträge gegen Frankreich und gegen Russland ab (S. 107). Die Sicherung des „Petrodollar“ habe höchste Priorität und bestimme weite Teile des außenpolitischen Handelns der Vereinigten Staaten („the policy“, S. 109).

Kernstück des Buches sind die drei aufeinanderfolgenden Abschnitte „The Political Economy of Death I, II, III“. Hier versucht Brightman, in einer groß angelegten Argumentation die Verbindungen zwischen Privatwirtschaft, Politik und Militär aufzuzeigen und damit ihre These einer wesentlichen ökonomischen Dimension des Irakkrieges zu untermauern. Die Autorin zeigt einige interessante Punkte auf. So ist die Betrachtung über den vermeintlichen Widerspruch zwischen militärischer „Hard Power“ des Präventivschlages und neokonservativer „Soft Power“ des freien Marktes unter Rechtssicherheit äußerst lesenswert (S. 172). Das daraus entwickelte Bild der gleichsam „natürlichen Verbindung“ von Krieg und Gewinn ist allerdings, so Brightman, im Irak gescheitert. Die ökonomischen Hoffnungen haben sich nicht erfüllt, während die militärischen Kosten die Heimatwirtschaft der USA schädigen (S. 174-176). Der ständige und, per Definition durch die „National Security Strategy“, globale Krieg gegen den Terror habe zu einer dauerhaften Kriegsökonomie geführt. Diese kann aber nicht mehr lange aufrecht erhalten werden. Die „historische Unfähigkeit“ der Vereinigten Staaten, militärische Kampagnen rechtzeitig zu beenden, hat zu einer gefährlichen Eigendynamik geführt (S. 181). Die Regierung Bush, so das Argument, führe einen dauerhaften Krieg gegen die eigene Binnenwirtschaft („economic warfare against its own economy“, S. 183). Nur wenige mächtige Corporations profitieren, wohingegen der Großteil der amerikanischen Unternehmen die immer weiter steigenden Kosten der permanenten Kriegsführung schultern muss.

Das Kapitel „The Political Economy of Death II“ widmet sich ausschließlich der „Privatisierung der Verteidigungs-, Energie- und Außenpolitik“ (S. 183). Es ist der überzeugendste und argumentativ stärkste Abschnitt des gesamten Buches. Brightman zeigt hier eindrucksvoll die wachsende Bedeutung der PMCs, der „private military companies“, auf. Privatfirmen wie Halliburton oder DynCorp haben demnach in einem schleichenden Prozess immer mehr militärische Aufgaben übernommen und so das Pentagon bei „heiklen Unternehmen“ entlastet, jedoch den amerikanischen Steuerzahler durch teilweise horrende Rechnungen belastet (S. 184). Es habe sich nunmehr eine neue „Drehtür“ zwischen dem „military-industrial complex“ und der politischen Ebene entwickelt, deren prominentester Vertreter der derzeitige Vizepräsident und ehemalige Vorstandsvorsitzende von Halliburton, Richard Cheney, ist. Die Konsequenzen dieser zunehmenden personellen Vermischung und Interessenverquickung sind, so Brightman, verheerend. Die fehlende Transparenz und Kontrolle führe zu einem Verlust des staatlichen Gewaltmonopols. Hier entwickelt sich nach Carol Brightman „the workshop of the classic fascist regime“ (S. 189) – eine sehr drastische Aussage, der nicht unbedingt zuzustimmen ist.

Überhaupt sind die teilweise recht harschen Schlussfolgerungen nicht immer Ausdruck einer unvoreingenommenen (gibt es das?? Deshalb besser: einer unvoreingenommenen) Sichtweise der Autorin. Dass das Buch aus einem sehr persönlichen und damit selbstredend politisch eingefärbten Blickwinkel geschrieben wurde, wird allerdings auch nicht verneint. Im Gegenteil. Wenn Carol Brightman im Kapitel „Making Waves“ ihre Arbeit in der Anti-Kriegs-Bewegung der Organisation „MoveOn.org“ beschreibt, beinhaltet das mehr als nur ein klares Statement. Gleiches gilt für ihre spezielle Verbindung zu Vietnam. Brightman war während des Vietnamkrieges eine prominente Kriegsgegnerin und Herausgeberin des „Viet-Report“, auch hat sie das Land während der Auseinandersetzungen bereist. Im Irak ist sie, wie sie offen eingesteht, nicht gewesen (S. xviii). Nicht nur deshalb aber wirken einige der von ihr gezogenen Parallelen sehr konstruiert. Zudem krankt das Buch an einem entscheidenden Defizit: Es gelingt Brightman nicht, überzeugende Alternativen aufzuzeigen. Die Frage nach dem „Was nun?“ kann auch sie nicht beantworten. Ob der vorgeschlagene „schnellstmögliche Rückzug“ tatsächlich die versprochene Heilswirkung hätte, scheint selbst der Autorin fraglich. Ihre Kernaussage ist dennoch klar und deutlich: „The Iraq war is the wrong war against the wrong enemy at the wrong time“ (S. 225).

Im Epilog trägt Carol Brightman nochmals die verschiedenen Vorwürfe gegen die Politik der Regierung Bush zusammen. George W. Bush schade nicht nur den USA, sondern vor allem der Stabilität weltweit (S. 229). Die Vereinigten Staaten, so Brightman, haben den Respekt Europas und die Kontrolle über die UNO verloren. Sie stehen vor ihrem größten Handelsdefizit, verlieren den Krieg im Irak und führen einen ineffektiven Kampf gegen den globalen Terror. Zudem haben sie ihre Glaubwürdigkeit durch die Vorfälle im Gefängnis von Abu Ghraib beschädigt. Der amerikanische Mythos der vorherbestimmten Allmacht, der mit der „City upon a Hill“ begann und sich im „Manifest Destiny“ erfüllte, ist beendet. Die USA haben, so die zentrale Schlussfolgerung Brightmans, selbstverschuldet an Strahlkraft und Einfluss verloren (S. 238).

Brightmans Engagement und ihre Leidenschaft sind auf jeder Seite des Buches präsent. Es ist eine lohnende und kurzweilige Lektüre und zeigt die vielen Fragen, die der Irakkrieg auch und gerade in Amerika aufgeworfen hat. Für eine politikwissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik sind jedoch andere Werke mehr zu empfehlen.

Pierre Gottschlich
Universität Rostock

     
      
 
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