| Zu diesem Heft Heft 4/2005 | |||||||||||||||||||
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Nach dem Ende des Kalten Krieges stellten krisenhafte Transformationsprozesse und eskalierende Konflikte in und außerhalb Europas auch die nicht unmittelbar betroffenen Staaten vor neue Herausforderungen. Viele sahen sich durch Entwicklungen in ihrer näheren oder weiteren Nachbarschaft Gefahren ausgesetzt, zu denen sie sich verhalten mussten, weil die traditionellen Ordnungsmächte ihnen dies nicht länger abnahmen. Eine Folge war, dass Staaten, in deren Politik solche Fragen nie eine Rolle gespielt hatten, plötzlich entscheiden mussten, ob - und wenn ja, in welcher Form - in akute (und nicht selten gewaltförmige) Auseinandersetzungen in anderen Staaten eingegriffen werden sollte. Auch in regionalen und internationalen Organisationen, in Staatengruppen und Bündnissen spielte das Thema der Intervention eine zusehends wichtigere Rolle. Während des Ost-West-Konfliktes hatten sich die Führungsmächte das Recht der einseitigen Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Länder ihres jeweiligen Blocks vorbehalten und das Thema Intervention gleichsam monopolisiert, explizit wie im Fall der Breschnew Doktrin (die 1968 die begrenzte Souveränität der sozialistischen Staaten postulierte) oder de facto wie im Fall der USA. Nach 1989 sahen sich auch mittlere und kleinere Staaten gezwungen, eine Position zur Frage souveränitätsbeschänkender Interventionen in anderen Ländern zu entwickeln. Der unilaterale Interventionismus der Großmächte wurde von einem multilateralen Interventionismus abgelöst. Mit Intervention wurde zunächst überwiegend militärisches Eingreifen assoziiert. Das war angesichts der Intensität und des Charakters der zentralen Konflikte, wie z.B. jener auf dem Balkan, nicht verwunderlich. Doch stellte sich bald heraus, dass militärische Mittel zur Beendigung oder Regulierung von Konflikten und zur dauerhaften Verhinderung von Gewalt nicht ausreichen, sondern dass dafür eine breite Palette nicht-militärischer Instrumente erforderlich ist, die nach der klassischen Ressortaufteilung in die Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik gehören. Die neuen Formen der Koordination und gemeinsamen Strategieentwicklung, die es mittlerweile in diesem Feld gibt, wo die Akteure bis vor kurzem strikt getrennt operierten, stellen gewiss eine beachtenswerte Innovationen dar, wie wir dem Aufsatz von Günther Maihold entnehmen können. Er warnt allerdings die Entwicklungspolitik davor, sich in diesem Prozess selbst zu überfordern. Durch ihre „Versicherheitlichung“ laufe sie letzlich Gefahr, Ressourcen und politischen Einfluss verlieren. Eine mindestens ebenso beachtenswerte Innovation sind die neuen Methoden, mit denen im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit versucht wird, Konflikte zusammen mit zivilen Akteuren und mit zivilen Mitteln zu verhindern, zu bearbeiten und zu bewältigen. Mit der vorliegenden Ausgabe von INTERNATIONALE POLITIK UND GESELLSCHAFT soll das Augenmerk auf diese neuen konfliktsensiblen Instrumentarien der zivilen Friedenskonsolidierung gelenkt werden. Sie zielen, wie Weller/Kirschner betonen, indes nicht darauf ab, Konflikte vollständig zu verhindern, zu verdrängen oder zu verunmöglichen. Ziel ist, Konflikte derart institutionell einzuhegen, dass ihre gewaltförmige Austragung verhindert wird. Mit den in der Praxis relevanten Ansätzen ziviler Konfliktbearbeitung setzt sich Thania Paffenholz auseinander, insbesondere mit dem Aid-for-Peace-Ansatz, an dessen Entwicklung die Autorin beteiligt war, und der von wichtigen Entwicklungsagenturen adaptiert wurde. Natascha Zupan, die Leiterin der Arbeitsgruppe Friedensentwicklung (der das BMZ, Durchführungsorganisationen und Wissenschaftler angehören) betont, dass die Entwicklung neuartiger konfliktsensibler Instrumente, darunter spezifische Planungs- und Managementwerkzeuge, bereits weit genug fortgeschritten sei, um die Evaluierung der Projektarbeit in Konfliktregionen unter Effizienz und Relevanzgesichtspunkten zu ermöglichen. Auf dem Weg dahin spielte für die Verfechter der neuen Ansätze ziviler Konfliktbearbeitung eine ebenso simple wie wichtige Einsicht eine Rolle, nämlich dass die Akteure mit ihren Aktivitäten auch Schaden anrichten können. Mary Anderson hat diesen Gedanken unter dem Etikett „do-no-harm-Prinzip“ methodisch gewendet und ein Analyseinstrumentarium entwickelt, das die nichtintendierten Folgen der Kooperation auf Projektebene kritisch in den Blick nimmt. Wenn internationale Hilfe eine der Konfliktparteien stärkt, oder wenn sie nicht verhindern kann, dass Ressourcen zum Kauf von Waffen genutzt werden, ist der Schaden leicht größer als der Nutzen. In den Aufsätzen von Adebajo, Wadle und Schukraft stehen Konflikte und Sicherheitsprobleme mit traditionell militärischen Konnotationen im Mittelpunkt. Analysiert werden die Fortschritte auf dem Weg zu einer afrikanischen Sicherheitsarchitektur und der europäische Beitrag. In akuten Kriegs- oder Bürgerkriegssituationen, wo die Strategien der Konfliktprävention und Friedenserhaltung gescheitert sind, wo Versuche der Deeskalation nicht zum Erfolg führen und die Akteure der Proliferation von Gewalt Vorschub leisten, müssen zunächst Bedingungen für den Einsatz von Instrumenten ziviler Konfliktbearbeitung geschaffen werden. Wenn solche Interventionen kollektiv erfolgen und sich an einem multilateralen Regelwerk orientieren, werden die Konflikte vermieden, die durch die einseitige Intervention in Konflikte entstehen können. Den Schwerpunkt ergänzend setzten sich Michael Dauderstädt und Marika Lerch mit der Problematik der Demokratieförderung auseinander. Armin Schäfer beschäftigt sich mit den Asymmetrien des europäischen Integrationsprozesses. Und Carsten Wieland zeigt, dass der islamische Fundamentalismus auf die Ethnisierung von Politik rekurriert. |
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