Jane Bolden: Dealing with Conflict in Africa. The United Nations and Regional Organizations
 
    
   Heft 1/2005  
    
  New York 2003
Palgrave Macmillan, xiii+325 S.
  
 

Mit dem Ende des Kalten Krieges ging eine nie da gewesene Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft einher, weltweit Truppen in Konfliktgebiete zu entsenden. Dieses Engagement jedoch ist nach den bitteren Erfahrungen in Somalia und Ruanda wieder erheblich zurückgegangen. "African solutions to African problems" - dies ist Ausdruck der seit Mitte der 1990er Jahre verfochtenen Strategie des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, wenn es um Konfliktmanagement auf dem afrikanischen Kontinent geht. Ein wichtiges Gestaltungsmerkmal dieser neuen Strategie ist die Rückbesinnung auf Kapitel VIII der VN-Charta und damit auf die gezielte Einbindung regionaler Organisationen in die Beilegung von Konflikten.

"It was [...] in Africa and because of Africa, that the retreat was the most keenly felt", so Jane Boulden. Der von ihr herausgegebene Sammelband widmet sich den Fragen, wie afrikanische Regionalorganisationen die internationale Gemeinschaft bei der Schaffung von Frieden und Sicherheit unterstützen und wie eine sinnvolle Arbeitsteilung beider Instanzen aussehen könnte. Die Herausgeberin verzichtet ausdrücklich darauf, die Ursachen der behandelten Konflikte zu analysieren und beschränkt sich stattdessen auf eine policy-orientierte, funktionale Beschreibung erstens der verschiedenen Interventionen beider Organisationsformen, zweitens der Kooperation beider Instanzen und schließlich drittens ihres Einflusses auf die Konfliktentwicklung.

Die Studie - Ergebnis des Forschungsprojekts "International Organisation and the Security Issues of the Post-Cold War Era" des Centre for International Studies an der Universität Oxford - vergleicht Theorie und Rhetorik der internationalen und regionalen Organisationen mit den praktischen Erfahrungen vor Ort. Dazu liefern im zweiten Teil des Buches sechs Fallstudien zu Konflikten in Liberia, Sierra Leone, Äthiopien/Eritrea, Sudan, Burundi und in der Demokratischen Republik Kongo das empirische Material.

Der erste Teil führt allgemeine theoretische und praktische Überlegungen zum Thema an. Den Auftakt bildet ein sehr lesenswertes Kapitel der Herausgeberin über die Afrika-Debatte im Sicherheitsrat im Kontext der VN-Operationen in Afrika, das die prekäre Partnerschaft der VN mit Afrika beleuchtet. Im Anschluss daran bieten Eric Berman und Katie Sams eine Bestandsaufnahme der in den Fallstudien vorkommenden regionalen Mechanismen zur Konfliktbearbeitung und ihres institutionellen Wandels. Die Beschreibung allein der institutionellen Seite der OAU/AU, ECOWAS, SADC, ANAD und IGAD,[1] ohne ein weiteres Argument damit zu verfolgen, lässt dieses Kapitel jedoch zu einem zu lang geratenen Glossar über Peacekeeping afrikanischer Regionalorganisationen verkümmern, das immerhin den notorischen Mangel an finanziellen, materiellen und politischen Ressourcen als prägende und lähmende Gemeinsamkeit all dieser Institutionen deutlich macht.

Anhand einer vergleichenden Analyse der regionalen Konfliktbearbeitung in West Afrika und in der Region der großen Seen versucht Clement E. Adibe im anschließenden Beitrag, ein allgemeines Konzept für die Kooperation der VN mit regionalen Organisationen in Afrika zu entwickeln. Um zur dringend erforderlichen kohärenten internationalen Strategie zu gelangen, schlägt Adibe einen "embedded multilateralism" (eingebetteter Multilateralismus) vor. Gemäß dieser institutionalisierten Koordinierung würden gestärkte Regionalorganisationen Waffenstillstände herbeiführen und im Anschluss daran die VN als Legitimierungsinstanz im Friedensprozess für die Wahrung humanitärer Prinzipien und internationalen Rechts sorgen sowie die Beendigung des Konflikts sichern. Die Schwierigkeiten dieses Ansatzes werden allerdings schon durch die in diesem Band vorliegenden Fallstudien verdeutlicht. Es stellt sich die Frage, ob die VN über die Legitimität, die sie den regionalen Friedensprozessen verleihen sollen, überhaupt verfügen. Halbherzige Interventionen und die "no comment"-Strategie des Sicherheitsrates, wenn afrikanische Staaten ohne internationales Mandat in Konflikte in Nachbarstaaten militärisch eingreifen (z.B. in Liberia oder Sierra Leone), verspielen das Vertrauen vieler Afrikaner in die VN. Der Bruch des Artikels 53 der Charta, wonach die Anwendung von Gewalt allein der Autorität des Sicherheitsrates unterliegt, hat die Legitimität der VN nachhaltig beeinträchtigt. Jane Boulden gibt zu bedenken, dass anders als beispielsweise beim NATO-Einsatz im Kosovo dieses widerrechtliche Handeln in Bezug auf Afrika keine Diskussionen hervorruft.

Die Fallstudien des zweiten Teiles sind stilistisch unterschiedlich gut gelungen. Oft muss sich der Leser erst durch allzu ausführliche Konfliktchroniken arbeiten, bis er endlich zur eigentlichen Analyse der internationalen Kooperationsformen vordringt. Besonders lesenswert sind folgende drei Beiträge: Funmi Olonisakin beleuchtet den Bürgerkrieg in Liberia ab 1990 und schlussfolgert anders als Adibe, dass sich die VN gerade in den frühen Phasen der Konfliktbearbeitung hätten engagieren müssen, um später moralische Autorität ausüben zu können. Bei jenen, die den Waffenstillstand verlustreich erkämpft hatten, stieß der späte Einsatz der internationaler Truppen bitter auf. Darüber hinaus war es praktisch unmöglich, mit einem auf Monitoring beschränkten Mandat, einer Truppenstärke weit unter der ECOWAS-Eingreiftruppe (ECOMOG, ECOWAS Cease-fire Monitoring Group) und sicherheitstechnischer Abhängigkeit von ECOMOG den Friedensauftrag auszuführen. Wenn regionale Organisationen, so Olonisakin, die Autorität der UN einfach usurpieren können, füge dies der Legitimität der VN erheblichen Schaden zu und verhindere in der Folge die Aussichten auf eine dauerhafte Konfliktlösung.

Tatiana Carayannis' und Herbert F. Weiss' hervorragende Darstellung des Konfliktgeflechts der drei Kriege im Kongo zwischen 1996 und 2002 beleuchtet kritisch, wie sowohl regionale als auch internationale Organisationen Möglichkeiten der Konfliktentschärfung aus politischem bzw. finanziellem Kalkül nicht ergriffen, obwohl institutionelle Kapazitäten vorhanden gewesen wären. Zum einen verhinderte die fehlende Bereitschaft der VN, die finanziellen und möglicherweise politischen Kosten eines robusten Einsatzes zu übernehmen, dass deeskalierende Maßnahmen (z.B. Entwaffnung der Milizen) durchgeführt wurden. Die Rolle der VN beschränkte sich weitestgehend auf die Überwachung und Durchsetzung von Waffenstillständen und die Anwaltschaft für Menschenrechte. Zum anderen aber wären, so die Autoren, in einem Konflikt solchen Ausmaßes die VN die einzige Instanz, die durch frühes Eingreifen die Gewalt hätte beenden können, da die regionalen Abmachungen durch interne Machtkämpfe und Uneinigkeit blockiert waren bzw. konfliktverschärfend wirkten. In diesem Punkt war sich auch die SADC einig, dass eine internationale Intervention notwendig war. Ihre recht erfolgreichen Lobbyaktivitäten auf VN-Ebene könnten, so Carayannis und Weiss, Vorbild auch für andere Regionalorganisationen bei der Entwicklung effektiverer Mechanismen der Interessenvertretung bei den VN sein. Es läge allerdings eine gewisse Ironie darin, wenn die vermeintlichen Nutznießer der von den VN freigiebig überlassenen Verantwortung für Frieden und Sicherheit den Ball nun wieder zurückspielten.

Leenco Latas Studie zum Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea hebt die Komplexität vieler afrikanischer Konflikte und die daraus resultierenden suboptimalen Ergebnisse internationaler Einsätze hervor. Konflikte bilden oft komplizierte Mischformen der klassischen Kategorien "zwischenstaatlich" und "intern", weshalb auch herkömmliche Formen der Konfliktbearbeitung ihr Ziel verfehlen. Carayannis und Weiss sprechen in diesem Zusammenhang von einer neuen Dimension der Netzwerkbildung in Konflikten. Netzwerke überschreiten die Grenzziehung zwischen staatlich-nichtstaatlich, öffentlich-privat und international-intern, und überlagern sich zudem oft mit kriegserhaltenden Wirtschaftsnetzwerken. Diese Einbettung der Konflikte in transnationale Finanz- und Sicherheitsinteressen stellt eine enorme Herausforderung an internationales Konfliktmanagement in Afrika dar.

Für eine Stärkung von Kapitel VIII der Charta spricht, dass regionale Akteure eher als die internationale Gemeinschaft den politischen Willen aufbringen, in Konflikte in ihrer Nachbarschaft einzugreifen, da sie durch Flüchtlingsströme oder "spill-over"- Effekte selbst unmittelbar bedroht sind. Darüber hinaus sind sie besser mit den kulturellen Eigenheiten vertraut. Die andere Seite dieser Argumentation ist - so wird in mehreren Beiträgen diskutiert - , dass regionale Akteure weniger neutral sind und daher im Konfliktmanagement schnell der Parteinahme bezichtigt werden und so an Glaubwürdigkeit verlieren.

Der trotzdem für grundsätzlich richtig befundene Ansatz, afrikanische Regionalorganisationen stärker in die Konfliktbearbeitung zu integrieren, krankt gemäß der Herausgeberin aber am fehlenden Rahmen allgemeiner Kooperations- und Koordinierungsmechanismen. "African solutions to African problems" kann nicht bedeuten, die Verantwortung für internationalen Frieden und Sicherheit an institutionell ungefestigte und daher für Vereinnahmungen anfällige Regionalorganisationen abzutreten. Die Fallstudien in diesem Buch belegen, dass fehlende Koordinierung und Absprachen sowohl zwischen den Regionalorganisationen untereinander als auch mit den Vereinten Nationen dazu führen können, dass die Instanzen gegeneinander ausgespielt werden und so Konflikte gar vertiefen und verlängern. Boulden betont hier die Rolle der African Union, die theoretisch die Organisation wäre, um für bessere Koordination zu sorgen. In den untersuchten Fällen aber gelingt es der AU nicht, die Rolle des "zahnlosen Tigers" zu überwinden und konstruktiv zur Konfliktbeilegung beizutragen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Gründung des Friedens- und Sicherheitsrates der AU am 25. Mai 2004 künftig auswirken wird.

"Dealing with Conflict in Africa" ist ein insgesamt gutes Buch, das einen interessanten Beitrag zur Debatte über die Rolle der Regionalorganisationen in Afrika leistet, weil es mittels eines vergleichenden Fallstudienansatzes die jüngsten Entwicklungen (z.T. bis ins Jahr 2003) in Afrika verfolgt. Damit füllt es eine Lücke in der ansonsten eher theoretischen Forschungsliteratur. Der Fallstudien-Ansatz wagt die Probe aufs Exempel und rückt die konkreten Folgen der mitunter widerspruchsvollen VN-Konfliktpolitik ins Blickfeld. Stilistisch ist allerdings zu bemängeln, dass einige Beiträge zu deskriptiv ausfallen, sich im Kleinen verlieren und somit die Geduld des Lesers überstrapazieren.

Die Studie wartet nicht mit einem allgemeingültigen Konzept für kooperative Friedenssicherung in Afrika auf. Dem Leser wird ein informativer Zugriff auf die unterschiedlichen Facetten afrikanischer Konflikte und der regionalen wie internationalen "response" ermöglicht, der auf wiederkehrende Schwierigkeiten hinweist und die strukturellen Herausforderungen an eine verbesserte Kooperation zwischen den Vereinten Nationen und den regionalen Organisationen aufdeckt. Insofern kommt die Herausgeberin ihrem Anspruch nach "to draw some specific lessons from this experience with a view to informing future efforts". Jane Boulden schlussfolgert, dass verstärktes VN-Engagement in Afrika sowie eine klare Zuteilung der Führungsrolle vonnöten wären, um evidente konfliktverschärfende Folgen unzureichender Kooperation zu vermeiden: Solange bessere Koordinierungsmechanismen fehlen, sollten entweder die VN die Führung übernehmen und konsequent ausführen oder aber diese Aufgabe einer regionalen Organisation überlassen.

[1]Organization of African Unity/African Union, Economic Community of West African States, South African Development Community, Treaty of Non-Aggression Assistance and Mutual Defence, Intergovernmental Authority on Development.

 

Franziska Riegelmann, Berlin

     
      
 
   << zurück Rezensionen/ Übersicht
 
 
     
© Friedrich Ebert Stiftung  net edition: Gerda Axer-Dämmer| 01/2005   Top