Lyle Scruggs: Sustainable Abundance. Environmental Performance in Industrial Democracies
 
    
  Heft 4/2004 
    
 Cambridge 2003
Cambridge University Press, 252 S.
  
 

Seit Beginn der 1970er Jahre sind ökologisches Bewusstsein und Umweltpolitik vor allem in den Ländern des hochindustrialisierten "Nordens" zu einer wichtigen Größe moderner gesellschaftlicher Entwicklung herangereift. Die seither zustande gekommene Vielfalt der staatlichen und zivilgesellschaftlichen Bearbeitungsmuster der Thematik und das breite Spektrum umweltpolitischer Maßnahmen sind in den verschiedenen Staaten kaum zu überblicken. Und obgleich zahlreiche Probleme noch ungelöst und absehbare Katastrophen wie der Klimawandel noch keineswegs aufgehalten oder eingedämmt sind, kam es doch zu teilweise deutlichen Umsteuerungsmaßnahmen.

Nun gibt es zwar zahlreiche wissenschaftliche Studien über umweltpolitische Strategien und Instrumentarien, über einzelne Konzepte oder bestimmte Sektoren, über bestimmte Länder und ihre Umweltpolitik und es liegen diverse Ländervergleiche darüber vor. Was aber bisher fehlt ist eine systematische Untersuchung der Zusammenhänge zwischen den verschiedenen nationalen Situationen und Aktivitäten und deren realen und messbaren Effekten. Mit der aktuellen Veröffentlichung von Scruggs liegt nun eine solche Arbeit vor. Scruggs, der bislang komparative Studien im Bereich politischer Ökonomie und Korporatismus vorlegte, untersucht hier die Veränderungen zentraler Umweltindikatoren in siebzehn westlichen Industrieländern (Belgien, Dänemark, Deutschland/West, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Japan, Kanada, Niederlande, Norwegen, Österreich, Spanien, Schweden, Schweiz, USA) über den Zeitraum der letzten dreißig Jahre. Es geht ihm darum, "to assess empirically how well many of the existing explanations of cross-national variations in structures, attitudes, and institutions account for differences in actual environmental outcomes" (S. 205).

Umwelteffekte definiert Scruggs eingangs als "evidence of reductions in a variety of common and pervasive pollutants" (S. 4). Zu den Verschmutzungsparametern zählt er durch Menschen erzeugte Emissionen und wählt als exemplarische Indikatoren Schwefeloxyde, Stickoxyde, Erzeugung städtischen Mülls, Einsatz von Düngemitteln, Recyclingrate von Glas, Bevölkerungsanteil mit Brauchwasserbehandlungsanlagen und deren jeweiligen Veränderungen im Zeitraum von 1970 bzw. 1975 bis 1995. In Kapitel 2 begründet er seine Auswahl und erläutert die methodischen Spezifika für jeden einzelnen Parameter. In einzelnen Tabellen werden die jeweiligen Ausprägungen für die Länder aufgeführt. Für die komparative Klärung der Gründe für die unterschiedliche umweltbezogene Performanz aggregiert Scruggs die sechs Parameter zu einem "Comparative Environmental Performance Score" (S. 48ff). Zwei Formeln, die relative Reduzierungen berechnen, ermöglichen es, grobe Verzerrungen beim Ländervergleich weitgehend zu minimieren; bspw. werden für die Parameter Recyclingrate und Wasserbehandlung die jeweiligen Ausgangswerte gewichtet, weil gerade niedrige Ausgangsniveaus mit nur geringem Aufwand verbessert werden können, während weitere Verbesserungen auf höherem Niveau erfahrungsgemäß aufwändiger sind. Nach diesem Einordnungsverfahren sind (West)Deutschland, Schweden, Niederlande und Dänemark die in dieser Hinsicht erfolgreichsten Staaten. Der Autor diskutiert das damit entstandene Ranking mit Resultaten früherer Studien in diesem Themenfeld (darunter des "Environmental Sustainability Index" des World Economic Forum 2001). Die Länder sind weitgehend ähnlich eingeschätzt (S. 53).

Auf der Basis bisheriger Arbeiten zu ähnlichen Fragestellungen fokussiert Scruggs seine Analyse auf drei Erklärungszusammenhänge, die er in einzelnen Kapiteln ausführlich darlegt. Erstens geht er der Relevanz von Wirtschaftswachstum nach. Hier prüft er zwei sich (scheinbar) widersprechende Thesen. Die erste lautet, dass der Strukturwandel moderner Gesellschaften dazu führe, dass trotz Wachstums immer weniger Umweltverschmutzung erfolge, was u.a. auf der Fähigkeit beruhe, Umweltschutz zu finanzieren. Die zweite These lautet, dass Wachstum aufgrund erhöhten Ressourcenumsatzes (insbesondere Rohstoffe und Energie) zu höherer Umweltbelastung führe. Bei näherer Betrachtung zeigt sich nach Einschätzung von Scruggs, dass beide Thesen die Realität jeweils nur unzureichend abzubilden in der Lage sind. So zeigen sich teilweise verschiedene Ausprägungen bei unterschiedlichen Umweltindikatoren: während die Wasserqualität häufig mit zunehmendem Volkseinkommen steigt, wächst zugleich die Belastung durch Kohlendioxide (gemessen nach prozentualer Veränderung). Vor allem aber ist teilweise ein Zusammenhang zwischen hohem Pro-Kopf-Einkommen und geringer Umweltperformanz festzustellen, und zwar bei Staaten mit hohen Pro-Kopf-Einkommen - zu Beginn der Untersuchungszeitraums, d.h. 1975 - wie Kanada, Schweiz und USA. Demgegenüber lässt sich ein positiver Zusammenhang bei Staaten mit geringerem und moderatem Pro-Kopf-Einkommen feststellen, wozu Irland, Spanien, Dänemark und (West)Deutschland gehören. "This supports, to varying degrees, both the claims of those who maintain that wealth is beneficial for environmental quality and those who suggest that, beyond a certain point, wealth is counterproductive to good environmental performance" (S. 76). Scruggs meint daher, "the income-performance relationship among these rich countries has an inverted-U shape" (S. 76). In diesem Erklärungskontext erörtert Scruggs auch die Einflussfaktoren geografische Größe eines Landes und die Bevölkerungsdichte. In Kombination haben nach Auffassung von Scruggs beide eine gewisse Erklärungskraft: "Small, densely populated countries tend to have better performance than large, sparsely populated ones" (S. 9).

Der zweite Erklärungszusammenhang bezieht sich auf öffentliche Meinung und umweltpolitische Mobilisierung. Hier zeigt sich überraschender Weise und entgegen bisherigen Annahmen eine nur geringe Korrelation dieser Faktoren zu positiven Umwelteffekten: "There is not much evidence that cross-national differences in levels of environmental mobilization affect actual environmental outcomes among the advanced democracies, once one takes into account that at least some of the increase in environmental mobilization is 'produced' by higher levels of national wealth" (S. 120).

Schließlich untersucht Scruggs als dritten Erklärungszusammenhang die Ausprägung und Relevanz wirtschaftlicher und politischer Institutionen. Hierunter fasst er die jeweiligen nationalen Charakteristika von Produzentenorganisationen und Umweltinitiativen und deren Beziehungsmuster zu staatlichen Institutionen, und darüber hinaus ihre Rolle in der Formulierung und Implementation von Politik. Dabei stellt er fest, "that the organisation of economic interests and the relationship between such interests and the government is systematically associated with environmental performance" (S. 207). Demnach sind gut organisierte Interessenverbände und ein hohes Maß an konsensueller Politik und Implementierung in ihrer ökologischen Leistungsfähigkeit weitaus besser als nur schwach organisierte, fragmentierte und stärker konfrontativ funktionierende Systeme.

Mit diesem Ergebnis korrespondierend lautet Scruggs Erkenntnis, dass zentralisiertere demokratische politische Institutionen - also neokorporatistische Systeme und Strukturen - zu besseren ökologischen Resultaten führen als fragmentierte politische Autoritäten. Die in entwickelten Demokratien für den Bereich Umweltpolitik erforderlichen unterschiedlichen Formen der Regulierung bedürfen seines Erachtens der Einbeziehung des Knowhow und der Handlungsbereitschaft der "Verschmutzer" und der Koordination zwischen den regulierenden und den regulierten Akteuren. "By providing means to overcome collective action problems, promote consensus between regulators and polluters, and promote and implement those environmental policies in a manner that is cost-effective, corporatist institutions belie the claims of many of their critics that they are incompatible with strong environmental protection. The evidence presented here strongly supports this argument" (S. 160). Diese bilanzierende Aussage gewinnt der Autor durch eingehende Vergleiche zwischen den verschiedenen Faktoren und Thesen mittels Regressionsanalysen. Und so resümiert der Autor: "The results for the positive impact of corporatist institutions are particularly robust. Countries characterized by more encompassing producer interests and consensus-based policy-making are generally associated with better environmental performance, whereas countries with more pluralist forms of economic interest organization and policy making are robustly associated with poorer performance" (S. 203).

Besonders hervorzuheben ist, dass Scruggs seine methodische Vorgehensweise sehr gut nachvollziehbar darlegt und in einem besonderen Kapitel "Checking the Robustness of the Results" (S. 191ff) mittels Regressionsanalysen seine Hypothesen, Resultate und Interpretationen gegenüber weiteren Optionen testet und andere Sichtweisen und Ansätze diskutiert. Dadurch relativiert er selbst einige seiner Ergebnisse, deren Erklärungswert dadurch keineswegs reduziert sondern konkretisiert wird. Zudem veranschaulichen zahlreiche Tabellen und Abbildungen seine Auswertung der Daten. Hilfreich ist die im Anhang erfolgende Kurzdarstellung der Umweltpolitik in vierzehn Staaten und deren Einordnung in Kategorien von sehr schwach bis zu sehr stark.

Dieser ausgereifte und fundiert diskutierte Ländervergleich ist für Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft sehr zu empfehlen, denn hier wird empirisch belegt, welche Strukturen und Arrangements umweltpolitisch erfolgreich sind. Und Wissenschaftlern dürfte diese reflektierte Studie ein gutes Beispiel geben, wie komparative Forschung auch im Bereich der Effekte von Umweltpolitik erfolgreich betrieben werden kann - einem Thema, das aufgrund des Problemdrucks und im Rahmen der Agenda 21 (Rio-Prozess) künftig noch sehr an Bedeutung gewinnen wird. Das Buch könnte zu einem Referenzwerk für die weitere Forschung auf diesem immer wichtiger werdenden Politik- und Forschungsfeld avancieren.

Edgar Göll
Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Berlin

     
      
 
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