| Mohamed Awad Osman: The United Nations and Peace Enforcement. Wars, terrorism and democracy. | |||||||||||||||||||
| Heft 3/2004 | |||||||||||||||||||
| Aldershot
(GB) 2002 Ashgate, ix+224 S. | |||||||||||||||||||
| Die Schlüsselworte, die das Buch interessant machen, stecken im Untertitel - und das nicht erst seit dem Irak-Abenteuer Präsident Bushs im Jahre 2003. Die Probleme der Weltpolitik im Dreieck Krieg, Terror und Demokratie werden uns lange Zeit in das neue Jahrhundert begleiten. Der 1959 geborene Autor hat diese Studie der "London School of Economics and Political Science" (LSE) als PhD-Dissertation vorgelegt und datiert sein Vorwort für die Druckfassung aus dem New College, Oxford, auf den Sommer 2001. Die Vereinten Nationen wurden bekanntlich nicht gegründet, um "peace keeping" zu betreiben, also "Frieden zu halten", nachdem ein Krieg zwischen Staaten sich irgendwie an einer Waffenstillstandslinie festgefressen hätte (wie zwischen Israel und den arabischen Nachbarn 1949), sondern um einen Aggressorstaat notfalls mit Waffengewalt niederzuzwingen. Dazu wurde der Sicherheitsrat in Kapitel VII der Charta mit Zähnen versehen. Sie wuchsen ihm nur nie richtig, genau gesagt: die Großmächte stellten der UNO nie über den Generalstabsausschuss des Sicherheitsrates (Art. 47) die erforderliche Militärmacht zur Verfügung, sondern verbissen sich lieber gegenseitig - Gott sei Dank nur symbolisch, wie Hunde von der intelligenteren Sorte! - in ihren Kalten Krieg. Unter der (auch nur symbolisch gehissten) Flagge der Vereinten Nationen fand deshalb nur ein einziges Mal ein Verteidigungskrieg statt (in Korea 1950-53), und das war nur möglich, weil die UdSSR im Augenblick der Aggression den Sicherheitsrat gerade boykottierte und somit ihr Veto nicht einlegen konnte. In der Ära Gorbatschow schmolz dann das Eis des Kalten Krieges; es sah um 1990 so aus, als würde die von US-Präsident Bush senior proklamierte "Neue Weltordnung" den Vereinten Nationen neue Energie zuführen. Aber schon im Zweiten Golfkrieg 1991, der die irakische Aggression gegen Kuwait zurückschlug, kam nur wieder das Gleiche heraus, was 1950 bereits in Korea de facto geschehen war und durch die blaue UNO-Flagge nur zugedeckt wurde: der Sicherheitsrat musste mangels eigener Divisionen seine Exekutiv-Funktion an eine Koalition unter Führung der USA delegieren. Unser Autor legt dar, dass die USA es waren, die eine Aktivierung des Generalstabsausschusses verhinderten, obwohl die UdSSR, China und Frankreich sie ausdrücklich wünschten (S.49). Amerikanische Soldaten unter den Befehl irgendwelcher Nicht-Amerikaner zu stellen, war Washington stets zuwider, egal aus welcher Partei der Präsident kam (eine Ausnahme erwähnt Osman auf Seite 80: US-Soldaten unter kanadischem Kommando bei der humanitären Mission am Kongo 1996). Es war jedoch weder Bush senior noch Bush junior, der im Mai 1994 verkündete "Wir stellen unsere nationalen Interessen und die unserer Freunde ganz nach oben. Die USA werden die Fähigkeit behalten, einseitig zu handeln… Multilaterale Friedensoperation müssen deshalb unter den Instrumenten der US-Außenpolitik in angemessene Perspektive gerückt werden" - sondern Bill Clinton (zitiert S. 26 f.). Unser Autor schlägt sich im theoretischen zweiten Kapitel des Buches tapfer mit solchen Zitaten, mit den Ungereimtheiten der UN-Erfahrung über fünf Jahrzehnte, und mit diversen Versuchen herum, die Unterschiede zwischen "peacekeeping", "peace enforcement" und Krieg schlechthin zu definieren. Die folgenden Kapitel widmet er als empirische Untersuchungen (Kapitel 3) der Kuwait-Krise 1990/91, speziell der Rolle der USA bei der Friedenserzwingung (Kapitel 4), und den "Verfassungsproblemen" (Kapitel 5); er meint damit, was Juristen an den Interpretationen der UN-Charta zwecks Rechtfertigung der Praxis interessiert, vor allem den Umgang mit dem Selbstverteidigungs-Artikel 51 der Charta, der nicht recht in das Gesamtkonzept kollektiver Sicherheit passt und 1945 von schwächeren Gründerstaaten aus Misstrauen gegen die Starken in die Charta lanciert wurde. Das sechste Kapitel ist dem neuen, weder in der Charta noch im sonstigen Völkerrecht vorbedachten Phänomen des globalen Terrorismus gewidmet. Die letzten Kapitel 7 und 8 listen Erfahrungen mit einzelnen UN-Operationen in den Jahren des Kalten Krieges und danach auf. Schauen wir genauer auf den Terrorismus, der insofern seine Ziele schon erreicht hat, als er weltweit bei Menschen aller Schichten Schrecken verbreitet: Osman kommt in diesem ganzen Kapitel nicht von den Staaten los, es gelingt ihm nicht, globale "private" Netzwerke scharf ins Bild zu bekommen, die es ja längst vor Al-Qaida etwa in Gestalt der Anarchisten gab. Und das aus gutem Grund: den Vereinten Nationen gelingt dieser Fokus ebenso wenig, bis heute, sie sind seit jeher und kraft ihrer Charta ebenfalls auf die Staaten dieses Globus fixiert. Schon deshalb kam kein UN-Gremium je zu einer politisch oder auch nur intellektuell brauchbaren Definition von Terrorismus, und während des Kalten Krieges kam noch als Behinderung hin-zu, dass regelmäßig jeder Staat, der von West oder Ost terroristischer Aktivitäten beschuldigt wurde, automatisch von Ost oder West in Schutz genommen wurde. Es ist ernüchternd, von Osman auf Seite 119 daran erinnert zu werden, was geschah, als der Sicherheitsrat 1972 versuchte, "…alle Akte von Terrorismus und Gewalt… im Nahen Osten … tief zu bedauern": zuerst legten die UdSSR und China ihr Veto gegen Änderungsvorschläge ein, dann sagten die USA "Nein" zu dem Gesamtentwurf. 1986 scheiterte der Sicherheitsrat beim Versuch, mit Blick auf den Mittelmeerraum "…alle terroristischen Aktivitäten, ob von Einzelnen, Gruppen oder Staaten begangen…" zu verurteilen, am Veto Frankreichs, Großbritanniens und der USA! Währenddessen arbeiteten das Sozialistische Lager und die Dritte Welt gemeinsam auf den verschiedensten Ebenen internationaler Politik und des Völkerrechts daran, die kriegerische Gewaltanwendung antikolonialer Befreiungsbewegungen einschließlich der PLO ("bewaffneter Kampf gegen fremde Besatzung") pauschal zu rechtfertigen. So ist es kein Wunder, dass das erwähnte Kapitel sich hauptsächlich mit den Versuchen befasst, Libyen und den Sudan durch Sanktionen an die Kandare zu nehmen. Gaddafis Regime wurde bekanntlich beschuldigt, 1988 den Flugzeug-Anschlag von Lockerbie organisiert zu haben, der Sudan, drei Attentäter zu beherbergen, die 1995 in Äthiopien versucht hatten, Präsident Mubarak von Ägypten zu ermorden. Ob diese (oder andere) Sanktionen wirkten, bleibt undeutlich, im Buch wie in der Realität, allenfalls trugen sie langfristig zu einer Kursänderung der betroffenen Regierungen bei, kaum zu einer Sinnesänderung bei "privaten" Terroristen. Es ist bezeichnend, dass unser Autor auf der Suche nach Quellen, die er für eine Bewertung heranziehen könnte, auf Seite 143 nicht mehr bietet als einen Bericht des Londoner "Royal Institute for International Affairs" - aus dem Jahre 1938, der offenbar den gescheiterten Völkerbund-Sanktionen gegen das faschistische Italien nachtrauerte, das Äthiopien überfallen hatte. Im achten Kapitel finden wir eine Fallstudie zur Kurdenpolitik der USA und ihrer damaligen Bundesgenossen im Anschluss an den Golfkrieg 1991; sie informiert gründlich über die Verhängung der Flugverbotszonen, die Saddam Hussein in Schach halten sollten (ohne Billigung des Sicherheitsrats), geht jedoch leider auf das grundsätzliche Problem "humanitärer Interven-tionen" nicht ein. Auch über die mehr oder weniger gescheiterten Versuche, nach 1990 dank der angeblich "Neuen Weltordnung" in Somalia, Liberia, Angola, Rwanda (ein besonders finsteres Kapitel kollektiven und einzelstaatlichen Versagens), im Kongo, in Bosnienund Haïti so etwas wie Frieden zu erzwingen, kann man hier die großen Linien der Ereignisse nachlesen. Das ist generell die Stärke dieses Buches. Es hilft, die Erinnerung an Ereignisse, die über viele Orte und Jahre verstreut sind, zu einem einheitlichen Bild vom Funktionieren der internationalen Politik zusammen zu fassen. Oder vom Nicht-Funktionieren? Osman kritisiert zurück-haltend, aber deutlich nach allen Seiten. Er unterlässt es, einseitig zu beschimpfen, weder die scheinbar hilflose UN-Bürokratie noch die einsame Supermacht. Dass er uns ein trauriges Bild vor Augen stellt, dürfen wir ihm nicht vorwerfen. Franz Ansprenger
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