| Jan Priewe/Hansjörg Herr: The Macroeconomics of Development and Poverty Reduction. Strategies Beyond the Washington Consensus | |||||||||||||||||||
| Heft 4/2005 | |||||||||||||||||||
| Baden-Baden 2005 Nomos-Verlag, 311 S. |
|||||||||||||||||||
|
IPG-LeserInnen dieser Zeitschrift kennen die beiden Autoren und ihre wichtigsten Positionen über ihren Artikel „Beyond the ‚Washington Consensus ’, Macroeconomic Policies for Development“ im Heft 2/2005 (S. 72 ff). Priewe und Herr legen nicht weniger vor als eine monetär-keynesianische Entwicklungstheorie, die sich fundamental von der (neo-)klassischen Theorie und Politik des Washington Consensus unterscheidet. Das Buch bietet dem interessierten Leser einen breiteren Einstieg in diese Theorie, verbunden mit vier Fallstudien zu China, Vietnam, Belarus und Uganda. Hintergrund der Studie ist ein von vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GmbH (GTZ ) und InWent (Internationale Weiterbildung und Entwicklung GmbH) gefördertes Forschungsprojekt zum gleichen Thema. Herzstück des Buches sind die Kapitel 2 bis 4, in denen die Autoren ihre Theorie entfalten. Sie unterstreichen im Gegensatz zur klassischen Theorie die Bedeutung des Geldes für den realen Entwicklungsprozess. Insbesondere sei eine ausreichende monetäre Nachfrage zu sichern, um hohes Wachstum zu ermöglichen. Nicht Ersparnis ermögliche Investitionen, sondern Investitionen schafften Einkommen und Ersparnis. Die makroökonomische Wirtschaftspolitik solle durch eine Politik, die eine starke (aber nicht überbewertete) Währung und damit niedrige Zinsen garantiere, diesen positiven Kreislauf ermöglichen. Die Kapitel 5 und 6 zur Dollarisierung und Entwicklungshilfe wenden die theoretischen Konzepte auf zwei spezifische, aber offensichtlich bedeutsame Prozesse an. Die Autoren betrachten beide mit Skepsis. Die in vielen Entwicklungsländern festzustellende Dollarisierung birgt aus ihrer Sicht große Risiken, da sie eine eigenständige Steuerung des Wachstumsprozesses praktisch stark einschränke, wenn nicht gar unmöglich mache. Auch der Entwicklungshilfe können sie wenig positive Wirkungen abgewinnen. Ein massiver Anstieg von Kapitalzuflüssen trage wenig zum Wachstum oder zur Armutsbekämpfung bei. Das siebte Kapitel umfasst Fallstudien, in denen die vier Länder mit den vorher entwickelten Konzepten analysiert werden. Das Schwergewicht der Analyse liegt auf dem Finanzsektor. Das Land, das am ehesten den Rezepten der Autoren folgt, ist China. Alle übrigen Länder weisen Probleme auf wie starke Dollarisierung, Hilfeabhängigkeit oder Wachstumsschwäche. Im Schlusskapitel fassen die Autoren noch einmal ihre Überlegungen und Forschungsergebnisse zusammen und plädieren für eine Überwindung des Washington Consensus. Neben der Betonung des Finanzsektors geht es ihnen vor allem um die Priorität für Einkommensschaffung statt Allokationseffizienz. Sie fordern alternative Entwicklungsregime (im Sinne von Marktkonstellationen plus Wirtschaftspolitik), die in eine andere, entwicklungsfreundlichere internationale Finanzordnung einzubetten seien. Das Buch ist eine schlüssige und überzeugende Darstellung eines heterodoxen entwicklungstheoretischen und –politischen Ansatzes, der auf jeden Fall die Debatte bereichert, die angesichts der mageren Ergebnisse der orthodoxen Ansätze (u.a. des Washington Consensus) an Moment gewinnt. Kleinere Schwächen können diese zentrale Stärke des Buches nur bedingt trüben. So ist der Aufhänger der Armutsbekämpfung eigentlich überflüssig. Im Grunde geht es den Autoren um Wachstum und sie belegen im ersten Kapitel, dass dies auch der beste Weg zur Armutsbekämpfung sei. Aber das Gewicht dieses Aspekts im Titel und als Ausgangspunkt der Analyse ist wohl eher eine Konzession an das BMZ, das die Armutsbekämpfung zur Spitzenpriorität erklärt hat. Die quantitativen empirischen Unterfütterungen lenken ebenfalls dann auch mehr ab als dass sie den Leser überzeugen würden. Einige Regressionen wirken sehr durch wenige Ausnahmefälle weitab von der Regressionsgeraden dominiert und in Einzelfällen wirkt die Empirie selektiv. Wo ist zum Beispiel in Tabelle 3.8 auf Seite 115 Botswana, eines der schnell wachsenden Länder? Im Text auf Seite 114 wird angegeben, die Tabelle umfasse die „fastest growing economies“, in der Tabellenüberschrift heißt es nur noch „fast“. Fiel Botswana da heraus, weil es mit seinem riesigen Leistungsbilanzdefizit (Diagramm 3.2, S. 111) nicht ins Modell passt, das diese Defizite für wachstumshemmend erachtet? Trotzdem Dennoch bleibt das Buch ein erfreulich erfrischender und gut strukturierter Angriff auf einen bröckeligen orthodoxen Konsens. In einer internationalen Debatte, die aus verschiedenen politischen Gründen (nicht zuletzt Terrorismus) der Entwicklung wieder neue Aufmerksamkeit schenkt und große globale Anstrengungen verlangt (Millennium Development Goals, Afrika-Initiative des G8-Gipfels 2005, etc.), ist eine realistische Einschätzung und offene Diskussion über die wirklichen Zusammenhänge von Wachstum, Kapitalzuflüssen, Verschuldung und internationaler Währungsordnung von unschätzbarem Wert. Michael Dauderstädt | |||||||||||||||||||
| << zurück Rezensionen/ Übersicht | |||||||||||||||||||
| |||||||||||||||||||