Internationaler Frauentag 2017: Der Wert von Care-Arbeit

FES-Themenschwerpunkt zum Internationalen Frauentag

Do you care? Sorgearbeit in einer geschlechtergerechten Gesellschaft

Anlässlich des Internationalen Frauentags stand die Frage "Do you care? Sorgearbeit in einer geschlechtergerechten Gesellschaft" im Mittelpunkt einer Diskussionsveranstaltung des Fritz-Erler-Forum Baden-Württemberg, Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung, die am Dienstag, 14. März 2017, 19-21 Uhr in der Oberschwabenklinik, Krankenhaus St. Elisabeth, in Ravensburg stattfand.

Bild: Carearbeit Ravensburg von FEF

Simon Blümcke, erster Bürgermeister der Stadt Ravensburg, betonte in seinem Grußwort: „Das Thema Pflege geht uns alle an und betrifft jeden Menschen unmittelbar“. Deshalb sei es wichtig, eine gesellschaftliche Debatte darüber zu führen, welchen Wert wir der Carearbeit beimessen.

Prof. Dr. P.H. Maria Mischo-Kelling (Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege, Hochschule Ravensburg- Weingarten) referierte anschließend über das Thema "Sorgen & Pflegen: Gleiches, Verschiedenes oder Zusammengehörendes?" Frau Mischo-Kelling erklärte, welche unterschiedlichen Sorge- und Pflegearbeiten ein Mensch im Laufe seines Lebens benötigt, bzw. in Anspruch nimmt. Mischo-Kelling sieht die Arbeit an den Pflegeverlaufskurven eines Menschen als notwendige Arbeit aller Menschen an-  als Voraussetzung von Gesundheit, der Bewältigung von Krankheit und des Erhalts einer Gesellschaft. Die demografische Entwicklung in unserer Gesellschaft stelle die Pflege vor große Herausforderungen: Die Menschen würden heutzutage älter und damit vielfach auch kränker. Die Aufgaben in der Pflege würden somit komplexer und müssten daher ständig an die Realitäten angepasst werden.

Anschließend diskutieren Frau Mischo-Kelling, Leni Breymaier (SPD-Landesvorsitzende Baden-Württemberg), Sibylle Arana (Hausleitung Stiftung Bruderhaus Ravensburg) und Heike Engelhardt (Kreisvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF)), unter der Moderation von Anja Dargatz (Leiterin Fritz-Erler-Forum Baden-Württemberg) darüber, wie wir Care-Arbeit in unser Verständnis von gesellschaftlicher Wertschätzung einbinden können.

Sibylle Arana betonte, dass Erziehung, Wissenschaft und Gesundheit die Gesellschaft prägen und tragen würden. Aus dem Blickwinkel ihrer Arbeit als Hausleiterin der Stiftung Bruderhaus berichtete sie, dass Pflegearbeit stets auf die individuellen Bedürfnisse der zu pflegenden Personen abgestimmt sein müsse. Durch strenge Kontrollen und Reglementierungen in der Altenpflege bliebe den Einrichtungen wenig Spielraum dafür, eigene Impulse zu setzen und es sei eine hohe Kreativität in der Mitarbeitergewinnung gefragt.

Leni Breymaier rief in Erinnerung, dass bis 1977 das Bürgerliche Gesetzbuch galt. Darin hieß es: „Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, so weit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“ Auch wenn sich die Rechtsgrundlagen geändert haben, so sei Sorge- und Pflegearbeit auch heute noch in vielen Köpfen als reine Frauensache verankert. Heike Engelhardt fügte dem hinzu, dass ihr kein einziger Mann bekannt sei, der in ihrem Unternehmen Arbeitszeit reduziert habe, um eine_n Angehörige_n zu pflegen. Ihrer Meinung nach sollten Frauen mehr Unterstützung von den Männern einfordern und diese dazu zu aktivieren, sich an der unbezahlten Heimarbeit mehr zu beteiligen.

Darüber hinaus kamen die unattraktiven Arbeitsbedingungen bezahlter Carearbeit zur Sprache. Breymaier sei bekannt, dass manche Mitarbeiter_innen im Krankenhaus oder in der Altenpflege ihre Arbeitszeit aufgrund zusätzlich benötigter Erholung von ihrer Arbeit auf 80% reduzieren würden. Viele würden der Ansprüche an sich selbst nicht gerecht. Außerdem konstatierte Breymaier eine Differenz in der gesellschaftlichen Wertschätzung zwischen den verschiedenen Pflegebereichen: Im Hospiz erhalte die ehrenamtliche Arbeit viel mehr Wertschätzung als die Arbeit in der Altenpflege. Die Altenpflege müsse dringend aufgewertet werden. Schließlich heiße ein Gebot: „Du sollst Vater und Mutter ehren“. Die Frage, wie wir mit älteren Menschen umgehen, die nicht mehr für sich selbst sorgen können, sei fundamental, so Breymaier.

Mischo-Kelling rief zu mehr Mut auf: Im Bereich der Pflege müsse man sich in einem ersten Schritt fragen, wie wir gemeinsam, Jung und Alt, unsere Zukunft verbringen wollen. Dann sei es wichtig, in einem zweiten Schritt Mut zu beweisen und neue Wege auszuprobieren. Deutschland hinke im internationalen Vergleich hinterher, da starre Strukturen den Prozess des Umdenkens blockierten.

„Letztendlich müssen wir uns fragen, was uns mehr wert ist: Acht Kilo Stahl oder ein acht Kilo schweres Kind durch die Gegend zu tragen“, gab Leni Breymaier am Ende der Diskussion zu bedenken.

Ansprechpartnerin: Sarah Hepp

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