Bildung und Wissenschaft

Angela Borgwardt

Lernen für morgen: Finanzierung der Aus- und Weiterbildung

Die vorliegende Publikation spiegelt die Debatten auf der Konferenz „Lernen für Morgen. Finanzierung der Aus- und Weiterbildung“ wider, die die Abteilung Studienförderung (Bereich Bildungs- und Hochschul-politik) und die Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung am 16. November 2018 in Berlin gemeinsam veranstaltet haben.

Bild: Lernen fuer morgen FES Publikation 2019 von minus design

Auch wenn die Folgen der Digitalisierung für den Arbeitsmarkt bislang nur vage prognostiziert werden können, so besteht doch kein Zweifel: Unsere Arbeitswelt steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Erlerntes Wissen wird mit dem technologischen Fortschritt immer schneller obsolet. Eine wachsende Zahl von Tätigkeiten wird in Zukunft nicht mehr durch den Menschen, sondern durch Technik verrichtet werden. Die Abnahme von Routinetätigkeiten eröffnet vielen Beschäftigten auf der einen Seite die Chance, jene genuin menschlichen Stärken ausspielen zu können, die auch in der Arbeitswelt der Zukunft unverzichtbar sind: Kreativität und Initiative, die Fähigkeit zur situativen Entscheidung und zum Planen, aber auch Empathie, Kommunikation und soziale Kompetenz. Auf der anderen Seite wird die Digitalisierung zu einem beschleunigten Strukturwandel und einer Verschiebung zwischen den Berufsfeldern führen. Nicht wenige Beschäftigte werden ihren Job verlieren und vor der Notwendigkeit stehen, sich beruflich neu zu orientieren.

In einer Wissensgesellschaft wie der unsrigen hat Bildung schon immer einen hohen Stellenwert eingenommen, um den gesellschaftlichen Wohlstand zu sichern. In Zukunft wird Bildung und lebensbegleitendes Lernen der Schlüssel für alle sein, um sich auf die Herausforderungen einer Arbeitswelt im stetigen Wandel vorzubereiten und mit den technologischen Umbrüchen Schritt halten zu können. Eine breite, interdisziplinäre Bildung in Kita, Schule, Ausbildung und Studium wird für die Arbeitskräfte von Morgen ebenso essenziell sein wie digitale Grundkompetenzen. Im Berufsleben wird Weiterbildung unverzichtbar sein, um dem Wandel der Berufsprofile Rechnung zu tragen und die eigene Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Angesichts der Umbrüche am Arbeitsmarkt wird ein Bildungsangebot für diejenigen, die sich im Verlauf ihres Erwerbslebens neue berufliche Perspektiven schaffen müssen, eine sehr viel größere Rolle spielen als heute.

Mit dem Ruf nach einer neuen Weiterbildungskultur geht die Frage einher, wie und durch wen der wachsende Bedarf an Aus- und Weiterbildung finanziert werden kann. Dabei ist es keinesfalls so, dass nicht bereits ein dichtes Netz der Förderung von Aus- und Weiterbildung bestünde. Auf Ebene des Bundes und der Länder gibt es Dutzende von Förderprogrammen. Sie richten sich an unterschiedliche Zielgruppen mit ihren jeweiligen Bedarfen, die vom Nachholen eines Berufsabschlusses für Geringqualifizierte bis zur Unterstützung einer Aufstiegsfortbildung zum Meister oder Techniker reichen. Im Rahmen des Pflegeberufegesetzes wird das Schulgeld für die Ausbildung in Pflegeberufen abgeschafft und eine Ausbildungsvergütung eingeführt. Mit dem Qualifizierungschancengesetz hat die Bundesregierung den Grundstein gelegt, um alle beschäftigten Arbeitnehmer_innen – unabhängig von Vorqualifikation, Betriebsgröße und Alter – bei der Weiterbildung zu unterstützen und sie auf den Wandel der Arbeitswelt im Zuge der Digitalisierung vorzubereiten. Auch auf Seite der Sozialpartner spielt Aus- und Weiterbildung eine wichtige Rolle. Deutsche Unternehmen investieren jährlich Milliarden in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter_innen. In den Tarifverhandlungen nimmt Weiterbildung seit einigen Jahren einen zunehmend prominenten Platz ein.

Und dennoch: Ist die bestehende Finanzierungsarchitektur den Herausforderungen gewachsen, die die Digitalisierung für die Aus- und Weiterbildung mit sich bringt? Diese Frage stellt sich erstens mit Blick auf die Beschäftigten, die sich durch die Digitalisierung mit einem drohenden Jobverlust konfrontiert sehen. Es liegt naturgemäß nicht im Interesse des gegenwärtigen Arbeitgebers, Beschäftigte darin zu unterstützen, sich auf einen beruflichen Neustart in einem anderen Berufsfeld vorzubereiten. Auch Möglichkeiten der öffentlichen finanziellen Unterstützung einer umfangreichen Neuqualifizierung fehlen in einem solchen Szenario, das in einigen Jahren häufiger eintreten wird. Weitreichende Reformvorschläge wie die Arbeitsversicherung sind darauf ausgerichtet, diese Lücke zu schließen.

Zweitens ist das heutige System durch eine große Zahl von zielgruppenorientierten, aber in ihrer Reichweite begrenzten Förderinstrumenten charakterisiert. Mit dieser Vielfalt geht nicht nur ein hohes Maß an Intransparenz einher. Es bestehen überdies berechtigte Zweifel, ob das gegenwärtige System in der Lage ist, alle Menschen – unabhängig von Beschäftigungsstatus, Alter oder der beruflichen Situation – bei Weiterbildung zu unterstützen und damit die Weiterbildungsbeteiligung signifikant zu erhöhen. Drittens geht der jahrelange Rückgang der Förderung von beruflicher Weiterbildung überwiegend zu Lasten von Hartz-IV-Bezieher_innen. Gerade ihnen sollte jedoch berufliche Weiterbildung ermöglicht werden, da sich unter ihnen ein hoher Prozentsatz ohne Berufsabschluss befindet und sie gerade bei längerer Arbeitslosigkeit von Dequalifizierung betroffen sind. Hierbei bedarf es auch stärkerer finanzieller Anreize für die betroffenen Personen, Weiterbildung in Angriff zu nehmen.

Mit dem Aspekt der Finanzierung von Aus- und Weiterbildung geht eine Reihe weiterer grundlegender Fragen einher. Von einer Höherqualifizierung profitiert nicht nur der oder die Beschäftigte durch attraktivere Arbeitsbedingungen, höhere Gehälter und bessere Aufstiegsperspektiven. Steigende Qualifizierung kommt auch den Unternehmen zugute. Den Fachkräftemangel durch gezielte Qualifizierung in Engpassberufen abzufedern, liegt wiederum im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Nicht zuletzt ist es der Staat, der von steigenden Steuereinnahmen und sinkender Arbeitslosigkeit profitiert. Angesichts der vielfältigen Interessen, die mit Aus- und Weiterbildung einhergehen, muss auch diskutiert werden, welcher der genannten Akteure welche Finanzierungsanteile schultern sollte. Bei der öffentlichen Finanzierung wiederum ist zu klären, welche Lasten die Solidargemeinschaft der Erwerbstätigen durch die Sozialabgaben übernehmen sollte und wann die Allgemeinheit mit Steuergeldern in der Pflicht steht.

Essenziell ist überdies die Frage der Chancengleichheit. Die Beteiligung an betrieblicher und individueller Weiterbildung ist heute bei Höherqualifizierten deutlich ausgeprägter als bei geringer qualifizierten oder unqualifizierten Kräften. Durch die Zugangsbarrieren verstärkt Weiterbildung die sozialen Ungleichheiten, die bereits in Schule, Ausbildung und Studium angelegt sind, und droht somit, der allemal zunehmenden Polarisierung am Arbeitsmarkt Vorschub zu leisten. Entscheidungen hinsichtlich der Finanzierung von Aus- und Weiterbildung müssen daher immer auf den Prüfstand gestellt werden, ob sie der sozialen Selektivität von Weiterbildung auch tatsächlich entgegenwirken.

Die vorliegende Publikation spiegelt die Debatten auf der Konferenz „Lernen für Morgen. Finanzierung der Aus- und Weiterbildung“ wider, die die Abteilung Studienförderung (Bereich Bildungs- und Hochschulpolitik) und die Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung am 16. November 2018 in Berlin gemeinsam veranstaltet haben. Sie vermittelt der Leser_innenschaft einen Überblick über bestehende Finanzierungsinstrumente, die Defizite und Herausforderungen in der Finanzierung sowie über Reformvorschläge. Deutlich wird hier bei auch die enge Verflechtung des Finanzierungsthemas mit anderen Aspekten der Weiterbildungspolitik, wie z.B. der Infrastruktur für Aus- und Weiterbildung und Beratung. Aus gutem Grund kommen daher in der Publikation auch die mögliche Rolle der Hoch- und Berufsschulen in der Weiterbildung oder der Stellenwert des modularen Lernens zur Vereinbarkeit von Beruf, Bildung und Privatleben zur Sprache.

Mit der aktuellen Legislaturperiode hat das Thema Weiterbildung einen prominenten Platz in der politischen Debatte eingenommen. Die Nationale Weiterbildungsstrategie befasst sich mit zahlreichen der Überlegungen, die auf der Konferenz diskutiert und in der Publikation aufbereitet wurden. Wir hoffen, mit der Veröffentlichung einen Beitrag zur Debatte um eine neue Weiterbildungskultur in Deutschland zu leisten und wünschen eine anregende Lektüre.

Borgwardt, Angela

Lernen für morgen

Finanzierung der Aus- und Weiterbildung
Berlin, 2019

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Bildungs- und Hochschulpolitik
Florian Dähne
florian.daehne(at)fes.de

Marion Stichler
marion.stichler(at)fes.de

Lena Bülow
lena.buelow(at)fes.de


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Bildungs- und Hochschulpolitik
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