In Krisenzeiten: Die Lösung der Klimakrise kann nicht verschoben werden

Auch ohne diesjährige UN-Klimakonferenz müssen Staaten ihre Verpflichtungen einhalten. Wie das möglich ist, erklärt Manuela Mattheß.

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Die UN-Klimakonferenz (COP26), die für diesen November im schottischen Glasgow geplant war, ist abgesagt und verschoben worden. Von Beginn an stand sie auf wackligen Beinen: Es kursierten Gerüchte, dass sie wegen des Brexits nach London verlegt werden könne, die designierte COP-Präsidentin wurde vom Premierminister kurzfristig abgesetzt, die Planungen erschienen ungewiss. Nun sind es vor allem gesundheitspolitische Gründe, die zur Verschiebung geführt haben. Angesichts der aktuellen Lage – der weltweiten Ausbreitung des Corona-Virus, den im besten Fall angespannten, im schlimmsten Fall überforderten Gesundheitssystemen und den zahlreichen Toten, die in vielen Ländern der Welt zu betrauern sind, ist diese Entscheidung richtig. Nichts ist wichtiger, als Menschenleben zu schützen.

Allerdings darf die Absage in diesem Jahr nicht gleichbedeutend sein mit fehlendem Handeln und einer Verzögerung in der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Denn auch wenn es aktuell nachvollziehbar ist, dass alle Kräfte gebündelt werden, um die Corona-Krise bewältigen zu können, so dürfen wir nicht vergessen, dass diese gleichzeitig zur Klimakrise existiert.

Um die Klimakrise zu bewältigen müssen politische Weichenstellungen vorgenommen werden, die die globale Erderwärmung begrenzen und damit unsere Ökosysteme sowie das Leben von Millionen von Menschen weltweit schützen können. Auch ohne eine offizielle UN-Klimakonferenz.

Die Staaten sind verpflichtet zu liefern

Das Jahr 2020 sollte ein klimapolitisch bedeutendes werden, denn fünf Jahre nach dem historischen Pariser Klimaabkommen müssen die Mitgliedsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) verbesserte nationale Klimaschutzbeiträge (NDCs) einreichen. Die bisherigen NDCs, so sind sich Klimawissenschaftler_innen weltweit einig, reichen nicht aus, um die globale Erderwärmung auf die dringend notwendigen 1,5 Grad zu begrenzen. Juristisch gesehen entbindet ein Verschieben der COP26 die Staaten nicht von ihren Pflichten und die Pläne müssen weiterhin überarbeitet werden.

Der Druck von Zivilgesellschaft, Medien und die diplomatischen Verhandlungen mit all ihren Dynamiken allgemein, die bei den UN-Klimakonferenzen oft noch für Fortschritte oder ein Einlenken bei Staaten gesorgt haben, könnten nun aber fehlen, um von einer wirklichen Ambitionssteigerung bei den NDCs sprechen zu können.

Problematisch ist außerdem, dass wichtige Fragen bei der COP25 in Madrid unbeantwortet geblieben sind und nun auf die politische Agenda der COP26 gehört hätten. Obwohl die Konferenz im Dezember 2019 in Madrid mit über zwölf Tagen eine Rekordlänge hatte, gelang es den Verhandler_innen weder eine Einigung über einen Marktmechanismus zu erzielen, der Regeln für den Handel mit Emissionsrechten festlegen würde, noch konnten sie sich darauf einigen, wie ärmere Länder beim Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels unterstützt werden können. Diese Fragen aber sind für eine gerechte Umsetzung des Pariser Klimaabkommens unumgänglich und sollten nicht aufgeschoben werden.

Digitale Dialogplattformen für Verhandlungen nutzen

Auch wenn die COP26 verschoben werden muss, so ist es dennoch möglich, die hier skizzierten Aufgaben zu erledigen. Einige Staaten haben bereits ihre nationalen Klimaschutzbeiträge überarbeitet und eingereicht, allerdings oft ohne nennenswerte Ambitionssteigerung. Andere haben ihre Überarbeitungen angekündigt, manche haben sich bisher eher bedeckt gehalten. In allen drei Fällen gibt es nun etwas mehr Zeit, die die Staaten aber nicht von ihren Verpflichtungen entbindet. Heute wie vor fünf Jahren lautet die Devise, ambitionierten und konsequenten Klimaschutz zu planen und umzusetzen, um dem Klimawandel und allen damit zusammenhängenden Problemen Einhalt gebieten zu können. Für Fortschritte in technischen Fragen wie auch für die Überarbeitungen der nationalen Klimaschutzbeiträge können auch trotz Verschiebung der diesjährigen offiziellen UN-Klimaverhandlungen andere Foren sowie bilaterale und regionale (digitale) Gespräche und Verhandlungen genutzt werden, um Unstimmigkeiten in diesen Fragen zwischen einzelnen Nationen abzubauen und in den Regionen in den kommenden Monaten Positionen abzustimmen zu können. Der Petersberger Klimadialog, der Ende April in digitaler Form in Berlin stattfinden soll oder die in den Oktober geschobene UN-Intersession (SB 52) dabei helfen, die Aufgaben der COP26 zu bearbeiten.

Genau wie ein Virus kennt der Klimawandel keine Grenzen“

Es ist vollkommen klar, dass im Lichte der Corona-Krise zunächst einmal der Gesundheitsschutz und der Schutz von Menschenleben oberste Priorität haben muss. Die Verschiebung der COP26 traf daher auch bei Umweltgruppen und Klimaaktivist_innen auf großes Verständnis. Gleichzeitig wurden Mahnungen laut, dass die Pandemie vor dem Hintergrund einer fortlaufenden ökologischen Krise geschieht, die nicht aus dem Blick genommen werden darf. Auch hier muss dringend gehandelt werden. „Genau wie ein Virus, das sich schnell ausbreitet, kennt der Klimawandel keine Grenzen…Wenn ein Land nicht sicher ist, ist kein Land sicher.“ So sieht es auch Tasneem Essop, Direktorin des Climate Action Network (CAN), einem Zusammenschluss von weltweit rund 1300 Umweltorganisationen. Manuel Pulgar-Vidal vom WWF betonte, dass Klimapolitik trotz der notwendigen Verschiebung der COP26 (...) eine nicht verhandelbare globale Priorität bleiben müsse.

Die Notwendigkeiten, die sich aus dem Pariser Klimaabkommen ergeben, lassen sich auch ohne eine UN-Klimakonferenz, erfüllen. Aktuell sind Staats- und Regierungschefs intensiv in die Bekämpfung der COVID-19 Pandemie eingebunden. Aber nach der Krise folgt die Phase der Wiederherstellung. Für diese Just Recovery müssen die politischen Weichenstellungen jetzt vorgenommen werden. Zum einen, indem die Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens erfüllt und eine gerechte globale Klimapolitik gestaltet werden. Zum anderen müssen notwendigen Konjunkturhilfen für Wirtschaft und Industrie mit Nachhaltigkeitskriterien verknüpft werden, die dafür sorgen, dass Aufbauhilfen eben nicht in fossile Strukturen gepumpt werden, sondern im Sinne des globalen Klimaschutzes investiert werden. Eine Rückkehr zu einen Business as usual muss ausgeschlossen werden.

Es gibt Möglichkeiten zu handeln – auch jetzt in diesen unglaublich schwierigen Zeiten. Für eine Pause hat der Planet, haben wir alle, keine Zeit.