Deutsche Bomben und Flugzeuge für den Krieg im Jemen

Tragen deutsche und europäische Waffenfirmen Mitverantwortung für den Jemen-Krieg? Wie entscheidet der Internationale Strafgerichtshof?

Deutsche und europäische Waffenfirmen machen sich mitschuldig bei Kriegsverbrechen im Jemen. Davon ist Miriam Saage-Maaß, Rechtsanwältin beim European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) überzeugt. „Deutsche und europäische Unternehmen, die Waffen nach Saudi-Arabien liefern, welche dann im Konflikt im Jemen eingesetzt werden, ermöglichen die Begehung von Kriegsverbrechen oder erleichtern diese jedenfalls“, so Saage-Maaß in einem von der FES und dem ECCHR ausgerichteten Web-Seminar Anfang Juni 2020. Damit leiste die Rüstungsindustrie einen wesentlichen Beitrag dazu, dass der völkerrechtswidrige Krieg im Jemen überhaupt geführt werden könne.

Europäische Rüstungsunternehmen und ihre Mitverantwortung für zivile Opfer

Zu diesen Firmen gehören etwa BAE Systems (UK), Leonardo SA (IT), Dassault (FRA) Airbus Spain, Airbus Deutschland, Raytheon (UK) und die italienische Tochterfirma der Rheinmetall AG, RWM Italia. Die von den europäischen Unternehmen gelieferten Eurofighter-Kampfjets und Bauteile sowie die dazugehörigen Bomben werden regelmäßig im Jemen eingesetzt, um zivile Objekte wie Krankenhäuser, Schulen und Brücken zu zerstören. Seit 2015 sind tausende unschuldige Kinder, Frauen und Männer durch die Luftangriffe der von Saudi-Arabien angeführten Kriegskoalition getötet worden, wie die Menschenrechtsaktivistin Bonyan Gamal von der jemenitischen Menschenrechtsorganisation Mwatana schilderte. Mwatana hat die Schäden zahlreicher Luftangriffe vor Ort dokumentiert und aufgearbeitet.

Strafanzeige beim Internationalen Strafgerichtshof wegen Beihilfehandlung zur Begehung von Völkerstraftaten

Um die Verantwortung deutscher und europäischer Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft nach dem Völkerstrafrecht feststellen zu lassen, hat das ECCHR zusammen mit Mwatana und anderen europäischen Partnern eine 360-seitige Anzeige beim Internationalen Strafgerichtshof eingereicht.  Das Hauptargument der Anklage: Sowohl die Rüstungsexportgenehmigungen als auch die Waffenlieferungen an die Kriegsparteien im Jemen seien eine Beihilfehandlung zur Begehung von Völkerstraftaten. Die Anklage richtet sich daher sowohl gegen die politisch Verantwortlichen im Bundessicherheitsrat, die über die grundsätzliche Ausfuhr von deutschen Waffen(teilen) nach Saudi-Arabien und in die VAE entscheiden, als auch gegen die Manager europäischer Rüstungsfirmen, die diese Waffen an Saudi Arabien verkaufen.

Erfolgsaussichten der Anzeige

Kai Ambos, Rechtsexperte für Fragen von Rüstungsexporten, bezeichnete die umfangreiche und gut recherchierte Anzeige als  „beeindruckend“ und „verdienstvoll“ für die künftige Entwicklung des Völkerstrafrechts. Zum ersten Mal könnten deutsche Unternehmer auf der Anklagebank des Internationalen Strafgerichtshof sitzen. Ambos ist jedoch skeptisch, ob die Ermittler am Internationalen Strafgerichtshof die Anzeige tatsächlich zur Anklage bringen werden. Denn sowohl die von deutschen Behörden erteilten Ausfuhrgenehmigungen als auch die tatsächlichen Waffenlieferungen könnten durchaus mit den Rechtsbestimmungen des deutschen Verwaltungsrechts vereinbar sein. Natürlich sei das im Ergebnis paradox, so Ambos, denn es sei unbestritten, dass im Jemen-Krieg Kriegsverbrechen begangen werden. Sein Appell an die deutsche Politik: Das Kriegswaffenkontrollgesetz müsste dringend reformiert und an die Verpflichtungen aus dem Völkerrecht angepasst werden.   

Diskussion mit politischen Entscheidungsträgern

Im Herbst werden die FES und das ECCHR die Diskussion mit politischen Entscheidungsträgern fortsetzen. Dann soll es darum gehen, wie das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz so reformiert werden können, dass die Beteiligung von deutscher Politik und Wirtschaft an Kriegsverbrechen auch in jedem Fall nach deutscher Gesetzeslage verboten sind.

Einen Videomitschnitt der wichtigsten Aussagen der Web-Seminarteilnehmer_innen und eine FES-Studie über die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten der Rüstungsindustrie finden Sie unter diesem Artikel.