Webinar Medienethik - Dokumentation

Medienethik-Webinar der JournalistenAkademie der Friedrich-Ebert-Stiftung
in Kooperation mit der Otto Brenner Stiftung und dem Deutschen Presserat

Wenn alle Dämme brechen:
Welche Werte gelten noch im Journalismus?

Die Verpflichtung zu sorgfältiger Recherche, das Verbot von Diskriminierung oder die Trennung von Redaktion und Werbung sind journalistische Grundsätze, die nach wie vor gelten – theoretisch. Doch wer schert sich noch darum – in einer Zeit, da Medien ihre Funktion als Gatekeeper verloren haben und jedes Gerücht ungeprüft veröffentlicht wird? Im ungebremsten Nachrichtenstrom scheint Schnelligkeit über Wahrheit zu gehen und Sensationsberichterstattung – nach Möglichkeit live – über alles. Medien und Journalist_innen kämpfen um ihren Ruf, ihre Existenzberechtigung, ihr finanzielles Überleben. Sind alle Dämme gebrochen?

In einer vierteiligen Webinarreihe haben wir im Juni und Juli 2017 mit Expert_innen anhand aktueller Beispiele über medienethische Fragen diskutiert – kritisch und praxisnah.

Modul 1: Erregungspotential als Nachrichtenfaktor?

„Heute heißt vieles Journalismus, das den Namen nicht verdient“

Mit dem Siegeszug der sozialen Medien wandelt sich der Beruf des Journalisten rasant. Gatekeeper war gestern – welche Funktion erfüllen Medien heute? In Zeiten, da jede Information schnell und ungeprüft veröffentlicht wird, ist es ist schwierig, die Balance zu halten zwischen seriöser Information und Sensationsjournalismus. Ist die Tatsache, dass sich Menschen über ein Thema erregen, ein Nachrichtenfaktor wie Relevanz, Nähe, Prominenz?

Eine Diskussion mit dem Kommunikationsforscher Hans-Jürgen Arlt, Autor der Studie „Journalist oder Animateur – Ein Beruf im Umbruch“ (Otto-Brenner-Stiftung 2016), und Linda Hinz, stellvertretende Chefredakteurin und Nachrichtenchefin bei FOCUS Online.

Die komplette Diskussion „Erregungspotenzial als Nachrichtenfaktor“ gibt es als Video im YouTube-Kanal der FES.


Die Kernpunkte der Diskussion

Jeder Form von öffentlicher Kommunikation geht es darum, Aufmerksamkeit für ihre Themen zu finden. Wie kann das gelingen?

Hans-Jürgen Arlt: Das wichtigste Instrument, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, ist die Skandalisierung. Weitere Methoden sind: emotionalisieren, personalisieren, dramatisieren, moralisieren. Erfolgversprechende Themenfelder sind etwa Macht/Ohnmacht, Recht/Unrecht, Kriminalität, Sex, Gesundheit, Reichtum/Armut, Sieg/Niederlage. Wenn man diese Muster bedient, hat man relativ große Chancen, Aufmerksamkeit zu erlangen in einer Gesellschaft, in der alle reden dürfen und niemand zuhören muss.

Welche Erwartungen hat das Publikum an Journalismus?

Arlt: Nach unseren Untersuchungen ist die zentrale Erwartung an Journalismus die Unabhängigkeit. Dazu kommen sechs weitere Kriterien: Journalismus ist überparteilich, aktuell, allgemeinverständlich, richtig, kontrollierend/kritisch und relevant.

Linda Hinz: Diese Kriterien sind auch der Maßstab für unsere Arbeit bei Focus Online. Wobei es zwischen manchen Kriterien ein Spannungsfeld gibt, etwa zwischen Richtigkeit und Aktualität/Schnelligkeit. Kritisch-kontrollierend zu sein ist auch unser Anspruch, aber die große investigative Recherche suchen User sicher eher in einer Wochen- oder Monatspublikation als in einem schnellen Online-Medium. Der kniffligste Punkt ist die Forderung, dass Nachrichten bedeutsam sein müssen. Ich stimme absolut zu, ahne aber, dass Herr Arlt und ich da eine unterschiedliche Definition haben.

Was ist Ihre Definition von Relevanz?

Hinz: Relevant ist für uns alles, was für unsere Nutzer von Bedeutung ist. Das sind aktuelle Nachrichten aus Politik und Wirtschaft, aber auch Nutzwertthemen wie die Finanzierung für den Hausbau. Auch Unterhaltung gehört dazu, deswegen berichten wir zum Beispiel über aktuelle Fernsehsendungen. Trotzdem gewichten wir die Themen nach journalistischen Kriterien. Wir messen zwar sehr genau, wer Inhalte anklickt. Aber Sie werden es nicht erleben, dass eine Meldung etwa zum Dschungelcamp, die wie verrückt läuft, deshalb ganz nach oben kommt und ein wichtiges politisches Thema nach unten drängt.

Arlt: Die Kriterien aus unserer Studie sind von der demokratischen Gesellschaft so formuliert, weil Journalismus Bürgerinnen und Bürgern helfen soll, rational informierte Entscheidungen zu treffen. Meine Beobachtung ist aber, dass der Journalismus davon immer stärker abweicht. Dadurch heißt heute vieles Journalismus, das diesen Namen nicht verdient. Es ist ein entscheidender Unterschied, ob es nur um die persönlichen Angelegenheiten des Einzelnen geht oder um allgemeine Fragen unseres Zusammenlebens. Journalismus kann auch eine Ratgeber-Funktion übernehmen. Aber darauf darf er sich nicht beschränken, das ist nicht seine demokratische Aufgabe.

„Der Journalist wird zum Animateur“, heißt es in Ihrer Studie. Was meinen Sie damit?

Arlt: Die Bild-Zeitung hat vorgemacht, wie man Aufmerksamkeit erzeugt, ohne auf Relevanz zu setzen – nur mit dem Ziel, Werbung zu akquirieren. Das nenne ich Animationsarbeit. Ein Vergleich: Als normaler Autofahrer wollen Sie ans Ziel kommen. Als Rennfahrer interessiert Sie das Ziel nicht, sondern nur die Geschwindigkeit. Als Journalist haben Sie ein Interesse am Sachthema. Als Animateur haben Sie ein Interesse an der Quantität und teilweise auch an der Qualität des Publikums – für die Werbekunden. Der größte Teil der Medien, die mit Veröffentlichungen Geld verdienen müssen, tendiert ganz stark in die Richtung, Aufmerksamkeit zu produzieren, um sie an Werbekunden zu verkaufen. Was man bei Focus Online sieht, nenne ich billige Reichweite.

Hinz: Den Gegensatz zwischen Reichweite und Themenorientierung sehe ich nicht, im Gegenteil: Für mich ist es eine Riesenchance, dass man beobachten kann, wie ein Thema funktioniert. Jahrelang hatten viele Journalisten keine Ahnung davon, wen das eigentlich interessiert, was sie schreiben. Wir berichten jeden Tag über wichtige politische Themen und brennen dafür. Wir überlegen dabei aber jedes Mal auch, wie wir unsere User dazu bringen, das auch anzuklicken.

Arlt: Es ist völlig in Ordnung, wenn eine Organisation wie Focus Content produziert, mit dem sie ohne großen zeitlichen und finanziellen Aufwand Geld verdienen kann. Die Frage ist nur, ob man das Journalismus nennen darf. Eine Demokratie braucht nicht nur Unterhaltung, Werbung und PR – das sind die Anteile, die im Netz immer stärker werden. Focus Online liegt im Trend, aber dieser Trend macht dem Journalismus das Leben unendlich schwer und ist nicht förderlich für unsere Demokratie.

Worüber sollen Journalisten berichten?

Arlt: Über Themen, die heute von allgemeinem Interesse sind – und auch über solche, die vermutlich in Zukunft für unsere Gesellschaft wichtig werden. Diejenigen, die nur das aktuelle User-Interesse, die aktuelle Reichweite, Aufmerksamkeit und Aufregung im Blick haben, kommen nie auf die Idee, Fragen zu stellen, die in Zukunft wichtig werden könnten.

Frau Hinz, was sehen Sie als Ihren zentralen Auftrag als Journalistin?

Wissen zu vermitteln und die Leute gut zu informieren, und das über verschiedene Bereiche – tagesaktuell, aber auch in Form von größeren Projekten und Themen, die uns über längere Zeiträume beschäftigen. 

 

Zitate des Tages

„Der größte Teil der Medien, die mit Veröffentlichungen Geld verdienen müssen, produziert vor allem Aufmerksamkeit, um sie an Werbekunden zu verkaufen. Was man bei Focus Online sieht, nenne ich billige Reichweite.“ (Hans-Jürgen Arlt)

„Den Gegensatz zwischen Reichweite und Themenorientierung sehe ich nicht, im Gegenteil: Für mich ist es eine Riesenchance, dass man beobachten kann, wie ein Thema funktioniert.“ (Linda Hinz)

 

Weiterführende Links

Zur Nennung der Nationalität bei der Berichterstattung über Straftaten

Modul 2: Paradoxer Live-Wahn: viel genutzt, viel kritisiert

„Live-Journalismus ist kein Sensations-Journalismus, sondern Informations-Journalismus“

Events, Unglücke, Anschläge: Wenn etwas auf der Welt passiert, reagieren viele Redaktionen mit Live-Tickern oder sogar Live-Streams. Die sind beim Publikum einerseits gefragt, stehen andererseits aber auch massiv in der Kritik: Zu viel Spekulation, zu wenig Überprüfung, kaum Erkenntnisgewinn. Wir haben mit Lena Jakat, Deskchefin Online bei der Süddeutschen Zeitung, und Matthias Deiß, TV-Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio, darüber diskutiert, welche Ereignisse sich für eine Live-Berichterstattung anbieten, welche Herausforderungen es dabei gibt und wie man diese bewältigt.

Die komplette Diskussion „Paradoxer Live-Wahn: Viel genutzt, viel kritisiert“ gibt es als Video im YouTube-Kanal der FES.

 


Die Kernpunkte der Diskussion

Was ist der Reiz, aber auch die Herausforderung von Live-Berichterstattung?

Lena Jakat: In unserer SZ-Redaktion haben wir ein Notfallprotokoll für unübersichtliche Nachrichtenlagen wie Terroranschläge oder Katastrophen. Einer der ersten Punkte darin ist, dass wir in die Live-Berichterstattung wechseln. Denn die Leser erwarten kontinuierliche Informationen. Aber auch für uns als Redaktion ist der Live-Blog eine gute Möglichkeit, die Nachrichten handlebar zu halten, wenn sich die Ereignisse überschlagen. Allerdings besteht auch die Gefahr, dass die Hemmschwelle sinkt, etwas zu veröffentlichen. Schließlich übt das Format auch einen gewissen Druck aus, kontinuierlich zu berichten.

Matthias Deiß: Im Fernsehen gibt es drei Gründe für Live-Schalten. Erstens: Ein Ereignis ist so aktuell, dass keine Zeit mehr bleibt, einen Filmbeitrag anzufertigen. Zweitens: Wir wollen zu einem Bericht zusätzliche Einordnung liefern, dem Zuschauer bestimmte Aspekte erklären, die noch nicht im vorangegangenen Beitrag enthalten sind. Drittens: Wir wollen dem Zuschauer einen Vor Ort-Eindruck von einem Ereignis vermitteln: Das kann ein Brand sein, ein Unglück, aber auch ein wichtigstes politisches Ereignis, etwa eine Verhandlung im Kanzleramt. Live-Schalten im Fernsehen sind auf jeden Fall eine Herausforderung für einen Reporter: Er steht zuweilen in sehr aktuellen Lagen mit Name und Gesicht für etwas gerade – und das für einen großen Sender wie die ARD. Er muss Hintergründe liefern, seine Einordnung muss stimmen: Diese Konstellation sorgt für Lampenfieber – was aber auch wieder den Reiz von Live-Schalten ausmacht.

Ist der Online-Live-Ticker leichter oder schwerer als Live-Schalten im Fernsehen?

Jakat: Ich glaube, dass es für den einzelnen TV-Reporter, der live im Fernsehen steht, eine größere Herausforderung ist. Das gesprochene Wort versendet sich aber auch schneller. Im Netz-Live-Ticker bleiben alle Einträge immer online. Die Überschrift ändert sich dabei mehrmals. Wenn wir da ungenau oder spekulativ berichten oder sogar falsch liegen, wird uns das nicht so leicht verziehen wie wenn ein Fernsehreporter in einem Halbsatz etwas Spekulatives sagt. Als Online-Redaktion haben wir den Vorteil, dass wir schnell mehrere Mitarbeiter dazuschalten können.

Ex-Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo sagt, er habe oft den Eindruck, dass Fernseh-Reporter bei Live-Schalten Einordnung nur simulieren. Zu Recht?

Deiß: Ich halte diese Kritik für ambivalent. Wir dürfen natürlich nicht spekulieren. Ich glaube, das hat Herr Mascolo gemeint. Man kann bei unübersichtlicher Faktenlage versuchen, Parallelen zu ähnlichen Ereignissen zu ziehen. Man kann versuchen, einzuordnen und so viel Information wie möglich zu geben. Darüber darf man aber die Recherche nicht vergessen. Im Hintergrund haben wir Mitarbeiter, die genau das machen: Sie telefonieren, sichten die Nachrichtenagenturen und versuchen, dem Live-Reporter fundierte Background-Informationen zu geben. Und auch der recherchiert natürlich vor und zwischen seinen Schalten.

Beim Amoklauf in München im Juli 2016 dauerte der Live-Blog der SZ drei Tage. Das kann ja kein Mensch durchgängig anschauen. Wie kann man da die Übersichtlichkeit wahren?

Jakat: Wir haben den Live-Blog immer wieder unterbrochen und später wieder neu aufgemacht. Man muss den richtigen Moment erwischen, Schluss zu machen. Früher hatten wir nur den Live-Ticker, in dem alle Informationen standen. Jetzt haben wir  einen zusammenfassenden „Was wir wissen – und was wir nicht wissen“-Text daneben, der auch die Gelegenheitsnutzer immer auf den aktuellen Stand bringt und einen Überblick bietet. Wenn diese Zusammenfassung Raum für Spekulation bietet, ist sie schlecht gemacht.

Bei Live-Berichterstattung über Terroranschläge besteht immer auch die Gefahr, dass man ein Stück Terrorismus-PR macht. Wie gehen Medien damit um, auch im Hinblick auf mögliche Nachfolgetäter?

Jakat: Natürlich gehen wir zum Teil auf die Strategie von Terroristen ein, wenn wir groß berichten. Aber die Antwort kann ja nicht sein, dass wir nicht mehr über Breaking News-Lagen berichten. Es gibt ja immer auch Angehörige und Anwohner, die unmittelbar persönlich betroffen sind. Das ist einer der wichtigsten Faktoren, die eine Berichterstattung zwingend notwendig machen. Vor allem bei der Bildsprache dürfen wir uns nicht auf die Ikonographie der Täter einlassen. Außerdem versuchen wir, eine täterzentrierte Berichterstattung zu vermeiden, also nicht alles zu schreiben, was über den Täter bekannt ist. Die Frage ist, ob man dem Täter einen eigenen Artikel widmet und sein Foto gleich auf der Startseite zeigen muss.

Deiß: Was wäre los, wenn eine SZ bei einer Großlage wie dem Amoklauf von München nicht berichtet? In einer solchen Situation geht es auch darum, die Hinweise der Polizei weiterzugeben: das Gelände zu meiden, die öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu benutzen. Live-Berichte sind ein gutes Mittel, um ein riesiges Informationsinteresse der Bevölkerung zu befriedigen. Es ist immer ein Zwiespalt: Wie weit geht man, wie breit berichtet man? Aber dass man überhaupt berichtet, steht völlig außer Frage. 

Die Polizei war anfangs selbst falsch gewickelt, sprach auch auf Twitter davon, dass mehrere Täter mit Langwaffen unterwegs seien. Auch wurden mehrere Tatorte genannt. Wie geht man als Journalist damit um? Denkt man sich da: Jetzt kann ich mich nicht mal mehr auf die Polizei verlassen?

Jakat: Auch der Polizei passieren mal Fehler. An einen anderen vergleichbaren Fall erinnere ich mich nicht. Beim Amoklauf in München gab es wahnsinnig viele Hinweise aus der Bevölkerung über alle Social Media-Kanäle, auch über Telefon, und die Polizei hat einigen dieser Notrufe Glauben geschenkt. Die Polizei war von der Informationsmenge überrollt, deswegen will ich ihr da keinen Vorwurf machen. So viele Hinweise konnte die Polizei nicht schnell überprüfen und hat sich im Zweifelsfall dafür entschieden, lieber eine Warnung zuviel zu veröffentlichen. Wenn wir jetzt aufhören, unseren Sicherheitsbehörden zu vertrauen, kommen wir in ganz übles Fahrwasser.

Elmar Theveßen, stellvertretender Chefredakteur des ZDF, hat mal gesagt, dass Live-Berichterstattung dazu beitragen kann, Unruhe zu verstärken oder Panik zu schüren. Zu Recht?

Deiß: Das ist mir zu grundsätzlich. Natürlich muss im Live-Ticker eine knackige Überschrift sein. Live-Journalismus heißt ja nicht Stimmungs- und Sensationsjournalismus, sondern Live-Journalismus heißt für mich in erster Linie Informations-Journalismus. Das kann auch bedeuten, dass ein Eindruck, der über andere Kanäle transportiert wird, sich für den Reporter nicht bestätigt. Der Reporter kann live ja unter Umständen auch berichten, dass sich eine Lage beruhigt hat. Das kommt ganz auf die Situation an.

Live-Berichterstattung wird richtig gut, wenn…

Deiß: ...sie von Journalisten gemacht wird und nicht von jedem, der ein Smartphone hat und ein Livebild senden kann. Es bedarf der Einordnung, des Hinterfragens, des journalistischen Handwerks, gerade in diesem Fall. Live darf man nicht spekulieren. Redaktionen müssen in großen Nachrichtenlagen dem großen Informationsinteresse, das schnell entsteht, mit Seriosität nachkommen.

Jakat: …Geschwindigkeit nicht auf Kosten der Seriosität und Zuverlässigkeit geht. Wenn sich mehrere Kollegen sichtbar mit ihrem Namen und Gesicht beteiligen und ihre Fachkompetenz einbringen: Sei es, weil sie vor Ort sind; sei es, weil sie einen gewissen thematischen Hintergrund haben; sei es, weil sie erfahrene Nachrichtenredakteure sind. Ein guter Live-Ticker zieht alle Kompetenzen aus den verschiedenen Bereichen zusammen.

Zitate des Tages

„Wir versuchen, eine täterzentrierte Berichterstattung zu vermeiden.“ (Lena Jakat)

„Das Live-Blog-Format übt Druck aus, kontinuierlich zu berichten.“ (Lena Jakat)

„Live-Berichte sind ein gutes Mittel, um ein riesiges Informationsinteresse der Bevölkerung zu befriedigen.“ (Matthias Deiß)

 

Tools für das Live-Tickern

  • ScribbleLive ist darauf ausgelegt, mit vielen Quellen und vielen Autoren, die unterschiedliche Rechte haben, zu arbeiten. Beiträge lassen sich vorschreiben und bei Bedarf mit einem Klick in den Live-Ticker einbinden. Über die ScribbleLive-App können auch Reporter Texte, Fotos und Videos in das Backend eines Streams schicken. Ein Administrator entscheidet, was davon veröffentlicht wird und was nicht.
  • Live Blog von Sourcefabric funktioniert sehr ähnlich wie ScribbleLive. Hier handelt es sich um eine Open-Source-Software, die frei zum Download steht. Wer die Server-Kosten und den Update-Aufwand nicht selbst übernehmen will, kann auch zur kostenpflichtigen Hosting-Lösung greifen.
  • Storytile ist eine Entwicklung eines Münchner Startups. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Einbindung von selbst gemachten Fotos und Videos. Das geht zum einen per Smartphone mit der Storytile-App. Fotografen können ihre (Spiegelreflex-)Kamera mit dem Smartphone verknüpfen und ihre Fotos über die App direkt an den Storytile-Server schicken. Im web-basierten Editor laufen alle so übermittelten Fotos und Videos ein und können per Drag-and-Drop eingebunden werden.

 

Weiterführende Links

Modul 3: Können Fact-Checker den Kampf gegen die Fake-News-Welle gewinnen?

„Massenmedien versagen beim Diskutieren”

Desinformation und Manipulation sind im Netz weit verbreitet – und eine Gefahr für Meinungsbildung und Diskussionskultur. Mit Christoph Kappes, Geschäftsführer der Fructus GmbH, und Stefan Voß, Verification Officer bei der dpa, haben wir darüber diskutiert, wann Fact-Checking angebracht ist, wen man damit erreicht und wie man Diskussionen mit Populisten führt.


Die Kernpunkte der Diskussion

Herr Voß, Herr Kappes, der Begriff „Fake News“ ist ein weit verbreitetes Schlagwort für Inhalte, in denen die Wahrheit mit Füßen getreten wird. Welche Abstufungen gibt es – und welche davon sind für Sie relevant?

Stefan Voß: Fake News sind ja keine News, sondern Behauptungen. Besser finde ich die Begriffe Manipulation oder Desinformation. Entscheidend ist der Manipulationsgedanke. Davon zu unterscheiden ist der Faktencheck, bei dem wir Politikeraussagen auf Richtigkeit prüfen.

Christoph Kappes: Der Begriff „Fake News“ bezieht sich auf Wahrheit, aber nicht darauf, wie Information verändert werden kann. Im Netz gibt es eine Remixkultur, das heißt, dass Botschaften weitergedreht oder auch bewusst manipuliert werden. Dann wird die Remixkultur zum politischen Werkzeug. Solche Inhalte verbreiten sich im Netz enorm schnell, so dass es schwieriger wird, den ursprünglichen Inhalt aufzuspüren.

Wann berichtet die dpa über Desinformation oder Manipulation – und wann nicht?

Voß: dpa berichtet nur über prominente, irreführende Fälschungen. Die Desinformation muss eine gewisse Wahrnehmungsschwelle übersteigen und von öffentlichem Interesse sein. Pi-news.net hat zum Beispiel eine größere Reichweite als manche Regionalzeitung. Wenn ein großes journalistisches Medium eine falsche Behauptung aufgreift, kann es natürlich auch sein, dass diese dadurch befeuert wird. Das ist dem ZDF passiert, als es dem Gerücht nachging, dass in einem Asylbewerberheim die Krätze ausgebrochen und auf einen benachbarten Kindergarten übergesprungen sei. In Redaktionen ist es oft umstritten, was sinnvoller ist: Richtigstellen oder nicht. In der Praxis ist das Falsifizieren, also der Nachweis, dass es sich bei einem Foto oder Video um eine Fälschung handelt, einfacher als das Verifizieren. Um sagen zu können: „Da gibt es keine Manipulation, für diesen Inhalt lege ich meine Hand ins Feuer“, braucht man viel Erfahrung.

Was halten Sie von der Arbeit von Seiten wie Mimikama oder Hoaxmap, die Gerüchte und Falschmeldungen entlarven? Inwieweit arbeiten Sie mit solchen Seiten zusammen?

Voß: Wir arbeiten nicht mit externen Fact-Checking-Seiten zusammen. Diese Angebote haben eine niedrigere Eingreifschwelle als wir, weil man als Einzelner ein Gerücht melden kann. Seiten wie Mimikama oder Hoaxmap haben aber absolut ihre Berechtigung. Wir schauen uns ihre Arbeit an, greifen ihre Themen auch manchmal auf.

Kappes: Ich finde die Arbeit von Hoaxmap, deren Betreiber ich kenne, und Mimikama sehr wichtig. Sie sind ein guter Indikator für Massenmedien, wann ein Thema relevant wird. Aber: Das Factchecking muss aus einem professionellen Umfeld kommen – und das passiert auch in ganz vielen Redaktionen. Die Ergebnisse müssen sie am Ende in die sozialen Netzwerke einspeisen, damit sie dort diskutiert werden können. Und genau hier versagen sämtliche Massenmedien. Ihre Social Media-Manager sind in erster Linie auf maximale Reichweite ihrer Posts aus – betreiben also genau das, was sie Facebook vorwerfen. Eine inhaltliche Diskussion findet kaum statt, weil Social Media-Manager im Kern keine Journalisten sind.

Wie schafft man eine gute Diskussionskultur?

Kappes: Indem man einen Rahmen schafft, der allen Teilnehmern klar macht, was das Thema ist. Die Idee einer Diskussion ist doch: Wer schließt mit welchem Beitrag worauf an? Die Qualität einer Diskussion hängt stark davon ab, ob sie moderiert wird oder nicht. Auf Facebook ist eine strukturierte Diskussion kaum möglich. Debatten brauchen Struktur, Zeit und Platz. Redaktionen sollten selbst mehr moderierte Debattenportale anbieten.

Richtigstellungen sind für einen fairen Diskurs unverzichtbar. Dennoch gibt es viele Menschen, die sich Fakten verschließen. Wie erreicht man Leute, die es gar nicht anders wissen wollen?

Kappes: Als Massenmedium können Sie gegen Strategien der Selbstimmunisierung nichts tun. Wenn etwa jemand sagt, die Tagesschau sende nur Staatspropaganda oder Politiker seien Lügner: In solchen Fällen muss die Zivilgesellschaft aktiv werden, vor allem im Netz. Ich persönlich versuche, gegen Populismus vorzugehen, indem ich Fragen stelle. Selbst wenn man Menschen mit festgefahrener Meinung nicht überzeugen kann, kann man andere überzeugen, indem man über Bande spielt. Sehr gut gelingt das zum Beispiel der „Ich bin hier“-Bewegung, die im Netz Stellung gegen Hass und Hetze bezieht und so zeigt, dass Hate-Speech keineswegs eine Mehrheitsmeinung ist. Damit ist schon viel gewonnen. Das kann aber nicht Aufgabe von Massenmedien sein.

Voß: Leute, die eine Überzeugung haben und diese nur bestätigt haben wollen, erreicht man als Journalist nicht mit Argumenten. In die Foren, in denen sie diese Bestätigung suchen, kommen wir auch gar nicht rein. Es gibt aber auch viele Verunsicherte. Darum ist es für Journalisten wichtig zu wissen, welche Fragen diese Menschen umtreiben. Ich glaube, dass unser Berufsstand viele Themen nicht verbrauchernah genug aufschreibt. Verstehen alle unsere Berichterstattung über die Rente? Stellen wir die für das Publikum relevanten Fragen – und beantworten sie dann auch? Man kann bei Menschen, die für Fakten zugänglich sind, noch viel erreichen.

 

Zitate des Tages

„Social Media-Manager sind im Kern keine Journalisten” (Christoph Kappes)

„Als Massenmedium können Sie gegen Strategien der Selbstimmunisierung nichts tun” (Christoph Kappes)

„Falsifizieren ist einfacher als Verifizieren” (Stefan Voß)

 

Tooltips fürs Verifizieren

  • Tineye: Website für eine sogenannte “Reverse Image Search”, mit der man herausfinden kann, wann ein Bild erstmals ins Netz geladen wurde. Hilfreich, um festzustellen, ob ein altes Foto aus dem Zusammenhang gerissen und verwendet wurde, um ein neues Ereignis zu bebildern.
  • YouTubeDataViewer: Das von Amnesty International entwickelte Tool ist eine Art Tineye für Videos. Es zeigt die Metadaten eines YouTube-Videos an, darunter das Upload-Datum, und bietet für die in einem Video verwendeten Bilder ebenfalls eine umgekehrte Bildersuche an.
  • Internet Archive: Die Wayback Machine archiviert frühere Versionen einer Website. Erwies sich beim Brand des Grenfell Tower in London als nützlich: Journalisten fanden so heraus, dass Aktivisten die Feuergefahr schon Monate zuvor detailliert beschrieben hatten.
  • Sonnenverlauf.de: zeigt für jeden beliebigen Ort und jede beliebige Zeit den Stand der Sonne und die Länge des Schattens an. So kann man überprüfen, ob die Lichtverhältnisse und der Schattenwurf auf einem Foto plausibel sind.

Fact-Checking-Portale

Zivilgesellschaft

  • Mimikama: Die in Österreich ansässige Seite hat sich zum Ziel gesetzt, Internetmissbrauch, Internetbetrug und Falschmeldungen bzw. Fakes zu bekämpfen. Der Fokus liegt auf sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und WhatsApp, wo Mimikama Useranfragen direkt beantwortet und zugesendete Informationen bzw. Gerüchte überprüft.
  • Hoaxmap hat sich auf Gerüchte über Asylsuchende in Deutschland spezialisiert und gibt für jedes Gerücht eine Quelle an, die das Gerücht widerlegt.

Journalismus

  • Faktenfinder der Tagesschau: Die Tagesschau enttarnt auf ihrem Faktenfinder-Portal Falschmeldungen. Besonders praktisch: die Tutorial-Seite.
  • ZDF Check 17: Das ZDF nutzt auf Twitter den Hashtag #zdfcheck17 für Factcheck-Beiträge zum Bundestagswahlkampf.

  • Fakt oder Fake heißt die Fact-Check-Serie von ZEIT Online.

  • First Draft Coalition ist der Name eines internationalen Netzwerks von mehr als 40 Redaktionen, die sich dem Fact-Checking verschrieben haben. Die Seite enthält auch viele Tutorials.

Weiterführende Links

Modul 4: Journalismus und PR – getrennte Welten?

„Native Advertising ist eine Verunreinigung des Journalismus“

Werbung ist eine wichtige Einnahmequelle für Medien. Daran ist nichts auszusetzen – solange die Nutzer eindeutig zwischen redaktionellem Inhalt und Anzeigen unterscheiden können. Doch mit Phänomenen wie Native Advertising und Content Marketing verschwimmen die Grenzen zunehmend. Journalisten machen keine PR und Redaktionen kennzeichnen werbliche Inhalte deutlich – sind diese Grundsätze obsolet?

Wir diskutierten mit Johannes Endres, dem Vorsitzenden des Beschwerdeausschusses beim Presserat, der sich mit der Trennung von Werbung und Redaktion beschäftigt, und Annette Floren, Expertin für Native Advertising und Content Marketing.


Die Kernpunkte der Diskussion

Inwiefern werden die Grenzen zwischen Redaktion und Werbung im Journalismus heute verwischt? Und wie unterscheiden sich hier Print- und Online-Medien?

Johannes Endres: Neben der klassischen Schleichwerbung gibt es einen Punkt, der uns beim Presserat immer häufiger beschäftigt. Das sind Eigeninteressen des Verlages, die nicht klar gekennzeichnet sind. Ein Verstoß gegen den Pressekodex ist es etwa, wenn ein Verlag unter Veranstaltungshinweisen nur die Telefonnummer des eigenen Ticketshops angibt, nicht aber die anderer Ticketshops.

Ein anderer Punkt sind Texte oder Seiten, die von Firmen „präsentiert“ werden. Da weiß der Leser nicht, ob die Firma für den Inhalt bezahlt hat, ob es sich um eine Anzeige handelt oder worin die „Präsentation“ eigentlich besteht.

Annette Floren: Online geht es vor allem um Content Marketing und Native Advertising. Das sind zwei neue Kommunikationsformate für kommerzielle Unternehmen. Das Besondere ist, dass die Unternehmen ihre Produktinformationen und ihre Unternehmenskommunikation quasi journalistisch aufmachen. Sie bieten informierende, unterhaltende Inhalte, präsentieren Lifestyle-Botschaften und setzen damit auf langfristige Bindungen, anstatt direkt über ihre Produkte zu sprechen, um kurzfristig den Absatz zu erhöhen.

Wie unterscheiden sich Content Marketing und Native Advertising?

Floren: Beim Content Marketing betreiben die Unternehmen ihre eigenen Kommunikationskanäle. Beispiele sind etwa das Coca Cola-Magazin Journey oder von Red Bull die Webseite Bergwelten oder das gedruckte Red Bulletin. Red Bull ist inzwischen mehr Medienkonzern als Brausehersteller, der Konzern betreibt zum Beispiel auch den österreichischen Fernsehsender Servus TV.

Native Advertising nutzt dagegen unternehmensfremde Kanäle. Das funktioniert vom Geschäftsmodell her wie die gute alte Werbung, das heißt das Unternehmen zahlt dafür, seine Inhalte auf einem anderen Medium mit hoher Reichweite zu platzieren. Dabei kommen die werblichen Inhalte in einer redaktionellen Aufmachung daher und sind von den journalistischen Inhalten optisch kaum zu unterscheiden. Sehr affin zu Native Advertising sind etwa das Spiegel-Jugendportal Bento, die Huffington Post, Buzzfeed oder auch die Morgenpost Sachsen. Für die User ist wichtig zu wissen: Man verlässt hier den unabhängigen journalistischen Sektor.

Content Marketing und Native Advertising sind übrigens echte Buzzwords in der PR- und Marketingszene, sie verspricht sich sehr viel davon.

Wer erstellt Native Ads: die Redaktion oder das werbende Unternehmen?

Floren: Beides kommt vor. Verlage sehen im Native Advertising zum Teil eine doppelte Einnahmequelle, indem sie den Platz dafür verkaufen und zusätzlich die Texte produzieren.

Wer ist für die zunehmende Vermischung von Redaktion und Werbung verantwortlich? 

Endres: Der schöne Satz „Journalisten machen kein PR“ ist irreführend. Es ist nicht allein die Verantwortung der Journalisten, sondern ausdrücklich auch die der Verlage. Häufig gibt es Druck aus der Chefredaktion oder der Verleger-Etage, dass Redakteure sich an PR-Texten beteiligen müssen.

Das djv-Magazin Journalist hat im vergangenen Jahr Tipps zum Umgang mit Native Advertising gegeben. Ist das nicht widersinnig – weil Medien damit ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen?

Floren: Das ist der pragmatische Umgang mit einem Phänomen, in dem viele Verlage einen guten Ersatz für wegfallende Verdienstquellen sehen. Ja, Native Advertising ist eine Verunreinigung des Journalismus. Ich würde gerne in einer Welt leben, in der die reine Lehre gilt, dass Journalisten keine PR machen – aber das ist nicht die Realität, weil sich die meisten Medien das gar nicht leisten können. Es muss also darum gehen, Native Advertising in einer vertretbaren Form zu machen, also mit klarer Kennzeichnung, aber auch in einer vertretbaren Menge: nicht zu viele Native Ads auf einer Seite und nicht zu prominent platziert.

Endres: Leider können wir nicht sagen, was ich für das Richtige hielte: Nein, wir machen das nicht. Aber man muss sich wirklich sehr genau anschauen, wie die Kennzeichnung funktioniert, und darf sich dabei nicht in die eigene Tasche lügen. Die Spruchpraxis des Presserats ist eindeutig: Wenn nicht das Wort „Anzeige“ dasteht, akzeptieren wir es nicht. Die Kennzeichnung „Sponsored Post“ beispielsweise reicht nicht. Uns geht es um Transparenz: Der Leser soll schnell erkennen, welches Interesse hinter einer Veröffentlichung steht.

Auftraggeber wollen aber gerade, dass Native Ads den redaktionellen Inhalten so ähnlich wie möglich sind, denn genau darin liegt ja der Vorteil gegenüber herkömmlichen Anzeigen.

Endres: Trotzdem gilt, dass man deutlich kennzeichnen muss – nicht nur aus ethischen Gründen, sondern auch, um das Vertrauen der Leser nicht aufs Spiel zu setzen. Auch die Auftraggeber von Native Advertising wollen ja vom Vertrauen der Leser in die Medien profitieren. Meine Prognose ist: Wenn Native Advertising in bestimmten Medien eine immer größere Rolle spielt, dann werden diese Medien an Bedeutung verlieren, weil sie ihre Glaubwürdigkeit verspielen.

Die schärfste Sanktionsmöglichkeit des Presserats ist die Rüge. Wie scharf ist dieses Schwert?

Endres: In der Wirkung ist eine Rüge vergleichbar mit einer Gegendarstellung. Die Verlage haben sich verpflichtet, sich mit der Veröffentlichung der Rüge selbst zu kasteien, wenn sie einen Fehler gemacht haben. Wir merken aber schon bei der Diskussion über eine Beschwerde, dass die Redaktionen sehr stark auf das reagieren, was wir machen. Aber natürlich: Der Presserat ist ein Selbstkontroll-Gremium und kein Gericht.

Was hält die PR-Branche davon, Anzeigen deutlich zu kennzeichnen?

Floren: In der PR-Branche ist viel von Glaubwürdigkeit und Vertrauen die Rede. Auch im Kodex der PR-Branche wird die klare Kennzeichnung gefordert, aber dieser Kodex ist noch ein viel stumpferes Schwert als der Pressekodex. Da werden hehre Werte hochgehalten, aber die konkreten Ausformulierungen sind wachsweich. Meiner Meinung nach sollte die PR-Branche ihre Zielgruppen nicht für dumm verkaufen, sondern sie ernst nehmen. Ich glaube an den mündigen Verbraucher. Zu einer ehrlichen Kommunikation gehört für mich vor allem Absendertransparenz.

Was passiert mit dem Berufsbild, wenn Journalisten in Personalunion unabhängigen Journalismus betreiben und auch PR-Texte schreiben? Sollte die Berufsbezeichnung „Journalist“ geschützt werden?

Endres: Ich glaube, dass diese Klärung eher auf der Ebene der Medien stattfindet: Die Nutzer lernen, von welchen Medien kritischer, unabhängiger Journalismus zu erwarten ist, und von welchen Medien nicht. 

Floren: Wenn Unternehmen so genannte Markenjournalisten suchen, dann ist damit gemeint, dass sie das journalistische Handwerkszeug beherrschen und schöne Geschichten schreiben sollen. Ganz sicher nicht gemeint ist, dass sie unabhängig und kritisch berichten. Wichtig ist, dass ein Autor nicht in ein und derselben Thematik einmal den PR-Hut aufsetzt und einmal den Hut des unabhängigen Berichterstatters.

Inwiefern schaden Medien sich selbst, wenn sie als Journalismus getarnte PR veröffentlichen?

Endres: Ganz einfach: Sie sägen den Ast ab, auf dem sie sitzen. Denn auf die Dauer kann man von Journalismus nur leben, wenn die Leser dafür bezahlen. Ich bin ziemlich sicher, dass der Verkauf von journalistisch sauberen, unabhängig recherchierten Inhalten langfristig das einzig funktionierende Modell ist, Journalismus zu finanzieren. Das Vertrauen der Leser ist auch der wirtschaftliche Kern des Journalismus.

 

Zitate des Tages:

„Wenn Medien PR als Journalismus tarnen, sägen sie den Ast ab, auf dem sie sitzen. Das Vertrauen der Leser ist auch der wirtschaftliche Kern des Journalismus.“ (Johannes Endres)

„Content Marketing und Native Advertising sind echte Buzzwords in der PR-Szene. Für die User ist wichtig zu wissen: Man verlässt hierbei den unabhängigen journalistischen Sektor.“ (Annette Floren)

 

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