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Deutsche Literatur im Exil – Der Querido-Verlag

Bild: Bücher aus dem Querido-Verlag im Bestand der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung von Friedrich-Ebert-Stiftung lizenziert unter Bibliothek der Friederich-Ebert-Stiftung (eigener Scan).

„Solange es noch einen Menschen gibt, der deutsch liest, werde ich weiterverlegen, und wenn der gestorben ist, werde ich es erst recht tun.“

Eine lange Nacht widmete der Deutschlandfunk Anfang August der deutschsprachigen Exilliteratur. Im Mittelpunkt stand der Verlag des Niederländers Emanuel Querido, der 1933 unmittelbar nach der Machtergreifung gemeinsam mit dem Deutschen Fritz H. Landshoff eine deutschsprachige Abteilung für verfolgte und verbotene Autorinnen und Autoren gründete. Landshoff, selber Jude und bis dato Mitinhaber und Geschäftsführer des Verlags Gustav Kiepenheuer, hatte dort vor allem Autor_innen verlegt, die sich dem „jungen Deutschland“ kritisch verpflichtet fühlten. Mit Klaus Mann und Ernst Toller war er eng befreundet.

Das andere Deutschland

Auch heute noch klangvolle Namen kamen daher sehr schnell unter Vertrag und fanden eine neue verlegerische Heimat: Lion Feuchtwanger, Heinrich Mann, Alfred Döblin, Anna Seghers, Erich Maria Remarque. Irmgard Keun etwa veröffentlichte hier drei Romane, in denen sie ihre eigenen Exilerfahrungen verarbeitete, Ernst Toller seine Autobiographie „Eine Jugend in Deutschland“. Klaus Mann konnte hier nicht nur sein bekanntestes Werk „Mephisto“, sondern auch die literarische Monatsschrift „Die Sammlung“ verlegen, die zum Forum für antifaschistische Autorinnen und Autoren aus der ganzen Welt wurde.

Auch andere, heute in Vergessenheit geratene Autor_innen konnten bei Querido weiter publizieren, als ihnen das in Nazi-Deutschland verboten war, ihre Bücher verbrannt wurden. So etwa Leonhard Frank, der zu den bedeutendsten sozialkritischen und pazifistischen Schriftstellern seiner Zeit zählte. Er war bereits 1915 ins Schweizer Exil gegangen, nachdem er den sozialdemokratischen Journalisten Felix Stössinger öffentlich geohrfeigt hatte, als der die Versenkung eines britischen Passagierschiffs durch ein deutsches U-Boot als „größte Heldentat der Menschheitsgeschichte“ bezeichnete. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges kehrte Frank zurück und beteiligte sich an der Münchner Räterepublik. Kein Wunder, dass er als einer der ersten Deutschland 1933 verlassen musste.

Im Fokus der Gestapo

In dieser Zeit seines Bestehens gab der Querido-Verlag etwa 110 Titel heraus, die nicht nur in den Niederlanden verkauft wurden, sondern unter z.T. abenteuerlichen Umständen auch ins Ausland versandt wurden. Allerdings war dem so wichtigen Verlag kein langes Leben beschert: die Besetzung der Niederlande durch die deutschen Truppen im Mai 1940 machte dem Unternehmen ein Ende. Die Gestapo beschlagnahmte nicht nur die Titel, sondern versuchte auch, Zugriff auf die Verlagskorrespondenz zu bekommen, von der man sich Namen und Adressen, aber auch Hinweise auf politische Aktivitäten und Auswanderungspläne erhoffte. Obwohl einige Akten rechtzeitig versteckt werden konnten, geriet doch ein Teil in die Hände der Nazis. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse flossen z.B. in die Sonderfahndungsliste West ein, auf der Namen und Daten von zu verhaftenden Personen in den besetzten Gebieten zusammengestellt wurden.

Der überzeugte Sozialist und Antifaschist Emanuel Querido, der mit seinem Verlag vielen Exilant_innen ein Überleben ermöglichte, wurde 1943 gemeinsam mit seiner Frau verhaftet; beide wurden im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Fritz H. Landshoff konnte sich ins Exil in die USA retten. Er starb 1988 in Haarlem, Niederlande. Seine Erinnerungen an die Zeit in der Amsterdamer Keizersgracht 333 wurden 1991 veröffentlicht.

Die meisten deutschsprachigen Verlage in Österreich, der Schweiz und anderswo weigerten sich ab 1933 Emigrantenliteratur zu veröffentlichen, um ihr Geschäft auf dem deutschen Buchmarkt nicht zu gefährden. Die Bedeutung des Querido-Verlages für die deutsche Exilliteratur ist daher nicht hoch genug einzuschätzen; dass Amsterdam zur Heimat der verfemten Literatur werden konnte, ist u.a. Emanuel Querido und Fritz H. Landshoff zu verdanken.

 

Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung hat in ihrer Sammlung rund 70 Titel des Querido-Verlags aus den Jahren 1933-1940.

Das Eingangszitat von Fritz H. Landshoff ist der Internetausstellung „Künste im Exil“ der Deutschen Bibliothek entnommen.

Landshoffs Erinnerungen sind ebenfalls in der Bibliothek vorhanden.

 

 

 


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