Verringert man die Möglichkeit nationaler und internationaler Steuervermeidung, verringert man die Elastizität reicher Einkommen und Vermögen, weil sie sich der Besteuerung nicht entziehen können. Zwar könnten reichere Menschen auf die höheren Steuern mit weniger Arbeit und Investition zugunsten von Freizeit und Konsum antworten. Es ist aber unwahrscheinlich, dass sich Mark Zuckerberg oder Steve Jobs für eine weniger aufwendige Karriere wegen höherer Steuern für Reiche entschieden hätten.
„Eine Reihe von Arbeiten deuten darauf hin, dass der höchste Grenzsteuersatz, der die größtmöglichen Einnahmen von den Reichen generiert, bei etwa 75 Prozent liegt. Zu den Reichen zählen wir die Angehörigen des obersten einen Prozents.“ (S. 176)
Für den Fall der USA entspricht allen mit mehr als einer halben Millionen Dollar Jahreseinkommen im Jahr 2019. Dabei versteht man unter dem Grenzsteuersatz den Steuersatz, der erst ab einer bestimmten Einkommenshöhe greift. Da Einkommen bis zu dem Schwellenwert mit deutlich geringeren Steuern belegt wird, kommt insgesamt ein deutlich niedrigerer Durchschnittssteuersatz heraus. Aber zusätzliches Einkommen oberhalb der halben Million würde zu dreiviertel wegbesteuert, wenn man das Steueraufkommen maximieren möchte, ohne reiche Haushalte zu einer deutlichen Verringerung ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten zu nötigen. Damit zeigt sich, dass radikale Umverteilung möglich ist, ohne Wachstumseinbußen hinnehmen zu müssen.
Kreativer Steuervermeidung sollten die Steuerbehörden mit mehr Personal und größeren Befugnissen begegnen. Zum Beispiel könnten Transaktionen mit dem ausschließlichen Ziel der Steuervermeidung verboten und jede neue Steuersparidee der Beratungsindustrie meldepflichtig sein, um gegebenenfalls schnell dagegen vorgehen zu können.
Um Steuerschlupflöcher zu schließen, sollte der Grundsatz „Gleich hohe Steuern für gleich hohe Einkommen“ gelten – unabhängig von der Einkommensquelle. Insbesondere die Körperschaft- und die persönliche Einkommensteuer sollten integriert werden. Dadurch würden die nach der Gewinnausschüttung fällige Körperschaftsteuer auf den Betrag der geschuldeten persönlichen Einkommensteuer angerechnet werden. Firmen haben dann keinen Anreiz zu Steuervermeidung, weil die vermiedenen Steuern bei der persönlichen Einkommensteuer dann nicht verrechnet werden und höhere Gewinnausschüttung aus einem besonders guten Steuersparmodell wieder wegbesteuert würden. Auf diese Weise würden letztlich alle Einkommen, ob aus Arbeit, Unternehmensbeteiligungen jeder Form oder Zinsen, gleichbehandelt.
Neben der Körperschaftsteuer und einer progressiveren Einkommensteuer braucht es zur Besteuerung von Milliardären noch die Vermögensteuer. Denn die Reichsten einer Gesellschaft verfügen vor allem über Vermögen und haben oft ein geringes steuerpflichtiges Einkommen. Jeff Bezos, zum Beispiel, besitzt mit Amazon ein Unternehmen, das derzeit nur wenig Gewinne macht, aber in Zukunft hohe Profite generieren wird und deswegen besonders wertvoll ist. Die Vermögensteuer kann zwar die Einkommensteuer nicht ersetzen, aber sie sorgt dafür, dass die Reichsten nicht prozentual weniger bezahlen als der Rest der Bevölkerung. Deswegen sollte die Vermögensteuer progressiv sein und erst ab sehr hohen Vermögenswerten erhoben werden.
„Mit einer Vermögensteuer in Höhe von 2 Prozent auf Vermögen über 50 Millionen und 3 Prozent auf Vermögen über eine Milliarde Dollar […] würde [der Investor Warren] Buffet rund 1,8 Milliarden Dollar pro Jahr zahlen: das Tausendfache seiner 1,8 Millionen Dollar Einkommensteuern im Jahr 2015“ (S. 194).
Denn Buffet meldet den Steuerbehörden im Vergleich zu seinem tatsächlichen wirtschaftlichen Einkommen aus seinem Vermögen nur ein winziges steuerpflichtiges Einkommen. Die erforderlichen Daten liegen ebenfalls vor, denn 80 Prozent des Vermögens der Reichsten liegen in Form von Aktien, Anleihen, Fondsanteilen, Immobilien oder anderen Vermögenswerten vor, deren Marktwerte leicht ermittelbar sind.