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Politik und Gesellschaft Online
International Politics and Society 4/1998

EDMOND J.KELLER / DONALD ROTHCHILD (eds.):
Africa in the New International Order. Rethinking state sovereignty and regional security.
Boulder, Colorado and London 1996
Lynne Rienner, 253 S.

Vorläufige Fassung / Preliminary version

Olusegun Obasanjo, dem dieses Buch gewidmet ist und der das einleitende Kapitel über Afrika und den Kalten Krieg verfaßt hat, war 1976-79 Chef der Militärregierung Nigerias. Er gab die politische Macht an eine gewählte Zivilregierung zurück und nahm seinen Abschied als General. In der Folgezeit engagierte sich Obasanjo dafür, die internationale akademische Debatte über Afrikas politische Entwicklung (oder Fehlentwicklung) mit der realen Politik zu verknüpfen. Seine Initiativen - Konferenzen, Veröffentlichungen - halfen mit, die afrikanische Demokratiebewegung abzustützen, die Anfang der 1990er Jahre mit der Abwahl einiger Diktatoren, mit der mehr oder weniger ehrlichen Einführung von Mehrparteien-Systemen Erfolge zu verzeichnen schien. Im März 1995 wurde Obasanjo durch die Regierung des neuen, durch Putsch zur Macht gelangten Staatschefs von Nigeria, des im Juni 1998 verstorbenen Generals Sani Abacha, verhaftet, im Juni als angeblicher Hochverräter zu lebenslanger Haft verurteilt, im Oktober zu 15 Jahren Haft "begnadigt", aber nicht freigelassen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung zeichnete Obasanjo im Mai 1996 mit ihrem Menschenrechtspreis aus.

Mit Respekt schlägt der Renzensent die wenigen Seiten (15-25) von Obasanjos Aufsatz auf. Wie sieht ein afrikanischer Staatsmann rückblickend die Rolle seines Erdteils im Kalten Krieg? Er skizziert zunächst mit knappen Strichen die weltpolitische Gesamtlage und konstatiert, daß der Kommunismus am Ende unterging, "...weil er unfähig war, seine ideologischen Predigten zu realisieren". Afrika bekannte sich zur Blockfreiheit, aber "...viele blockfreie Staaten hatten Verträge über militärische Zusammenarbeit mit den Supermächten oder mit deren Bundesgenossen, folglich wurden sie in das Wettrüsten verwickelt". Durch Wirtschafts- und Militärhilfe für "Befreiungskämpfe" (S. 16) faßte die Sowjetunion "in den 1950er und 1960er Jahren" (das ist sehr früh angesetzt; eher: seit 1974/75...) in Afrika Fuß. Resultat: der Kalte Krieg wirkte sich für Afrika gleichzeitig positiv und negativ aus: positiv, indem er die Entkolonisierung beschleunigte und Wirtschaftshilfe ankurbelte; negativ durch Anfachen interner Konflikte, die Instabilität brachten, und durch die Fehlleitung knapper Ressourcen in militärische Rüstung. Am Ende steht Afrika wie ein Eisenbahnwaggon da, der vom Zug der globalen Entwicklung abgekoppelt ist (S. 17). Also überwiegen in Obasanjos Augen die schädlichen Auswirkungen des Kalten Krieges. An späterer Stelle (S. 24) schreibt er: "Afrikaner sind Opfer des Kalten Krieges, so wie Afrika ein Bauer [auf seinem Schachbrett] war." Konsequent erhofft er von der neuen Weltordnung ein Abflauen der Konflikte (Südafrika, Äthiopien), Auftrieb für die Demokratiebwegung (beides kombinierend, spricht er S. 18 vom "Mandela-Faktor"), Druck auf die Diktatoren - sowohl solche, die sich "rechts", als auch solche, die sich "links" gebärden.

Andererseits stimmt Obasanjo in den Chor jener afrikanischen Intellektuellen ein, die von einer Übertragung westlicher Demokratie-Modelle "...lock, stock, and barrel..." (S. 19) nichts wissen wollen. "Soll Demokratie dauerhaft sein, muß sie home-induced, home-grown, and home-sustained sein", meint er. Der deutsche Diskussionspartner wird spontan geneigt sein, diese schönen Begriffe mit dem weniger schönen Wort "arteigen" zu übersetzen und davor zu warnen, daß sie sich leicht als Feigenblatt für Diktatur mißbrauchen lassen. Natürlich hat Obasanjo wiederum recht, wenn er fortfährt: "Austausch von Ideologien reicht nicht, um Afrika Hilfe zu bringen. Demokratie und Armut sind schlechte Bettgenossen...".

Die amerikanischen Herausgeber des Buches (beide Professoren für Politische Wissenschaft an der University of California) schließen an Obasanjos Einleitung Fallstudien mehrheitlich amerikanischer Autoren zu afrikanischen Security Issues an. Mit diesem modischen Stichwort sind zum Glück nicht nur militärische Szenarios gemeint, sondern solche, die man der Friedens- und Konfliktforschung im weiteren Sinne zuordnen würde, und durchgängig erkunden die Autoren auch vorranging politische, prinzipiell gewaltfreie Lösungsmöglichkeiten. Die OAU, Somalia, Eritrea/Äthiopien, Sudan, Südafrika, Liberia heißen die Überschriften der Einzelstudien. Sie führen sachkundig in die Geschichte jeder Situation ein und analysieren anhand der englischsprachigen Sekundärliteratur den Stand der Dinge um 1995. Viel Neues erfährt der Leser nicht, sofern er kontinuierlich die afrikanische Politik im Auge behalten hat. Anderen, die erst einen Einstieg suchen, sei das Buch als zuverlässiger und zu eigenen Gedanken anregender Leitfaden empfohlen.

Nach dem spektakulären Erkundungsritt Präsident Clintons quer durch Afrika Ende März 1998, der die Parteinahme der USA für Yoweri Museveni (Uganda) und die von ihm ferngelenkten Siegeszüge nach Rwanda und Kinshasa besiegelte, liest man am Schluß des Buches besonders aufmerksam ein Kapitel über die amerikanische Afrikapolitik. Verfasser ist leider kein Aktiver der Clinton-Administration (etwa die 36jährige Susan Rice, die der Präsident als Afrika-Beauftragte in das Außenamt auf den Stuhl so bedeutender Vorgänger wie Don McHenry oder Chester Crocker gesetzt hat), sondern Peter J.Schrader, Politologie-Professor einer katholischen Universität aus Chicago. Er nimmt während des Kalten Krieges nur die "globalistische" Tendenz wahr, die in der Tat auf "Eindämmung" der Sowjetunion bedacht war, und stellt dafür mit Recht Kontinuität seit 1958 fest. Es gab aber immer daneben auch "Regionalisten" in Washington, im Kongreß vielleicht mehr als im Weißen Haus, die Afrikas Sorgen um ihrer selbst willen ernstnahmen. Sie kommen hier nicht vor, nicht einmal die Kissinger-Studie zum Südlichen Afrika von 1969 wird erwähnt, die beide Tendenzen (nicht völlig überzeugend, von heute aus betrachtet) kombinierte. Für die 1990er Jahre argumentiert Schrader, daß Afrika nach wie vor nur eine marginale Rolle für die USA-Weltpolitik spiele, zitiert von Michael Clough (aus dem Mai 1992, als George Bush Präsident war) das Stichwort "cynical disengagement" (S. 193) und notiert die schrumpfenden Budget-Ansätze für Afrika noch im ersten Haushalt Clintons für das Jahr 1995. Unter acht heterogenen Trends, die er auflistet, spielt die Eindämmung des "islamischen Fundamentalismus" - offenkundig als Ersatz für den verschwundenen Kommunismus - die Hauptrolle, speziell in Frontstellung gegen den Sudan. Für den konkurrierenden Trend der Demokratie-Förderung nennt er auf S. 200 ausgerechnet Clintons Einwirkung auf Nigeria 1993 als Pluspunkt! Ja, "...zwischen Washingtons oft betonter Vorliebe für Demokratie in Afrika und der Perzeption nationaler [amerikanischer] Sicherheitsinteressen bestand immer eine Spannung..." (S. 200), und hier bedeutet "security" eindeutig Militär. In Äthiopien und Eritrea erleben die USA 1998, was blinde Aufrüstung angeblicher Bollwerke gegen den bösen Feind für Folgen haben kann.

Trend Nr.8, betitelt "wirtschaftliches Eigeninteresse", liefert Schrader den Schlüssel zur Erklärung des amerikanisch-französischen Konflikts in Afrika, den Bonn so gern ignorieren möchte. Hier belegt er einwandfrei die Kontinuität Clintons mindestens mit der Bush-Administration, geht jedoch leider nicht im Detail darauf an, welche Bedeutung afrikanisches Erdöl und andere mineralische Rohstoffe wirklich für die USA haben, und ob der lockende potentielle Markt von 600 Millionen Konsumenten für Amerikas business mehr ist als die Fata Morgana, die Europas Imperialisten schon vor hundert Jahren genarrt hat.

Franz Ansprenger
Berlin


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