Politik und Gesellschaft Online
International Politics and Society 4/2000

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HANS-JOCHEN LUHMANN
 
 

Feilschen um Formeln gegen die Klimakatastrophe

Von POALI, PAMs und QUELROs
 
 
 
 

Das Klimaprotokoll von Kyoto vom Dezember 1997 ist vor allem Resultante der Innenpolitik der beteiligten Hauptakteure, nämlich der „umweltpolitischen Grossmächte“ USA, Europa und China.[1] Diese Tripolarität ist bei multilateralen Umweltabkommen, in denen formal das „one-party-one-vote“-System herrscht, bereits viel weiter ausgeprägt als im Bereich der multilateralen Finanzinstitutionen, bei denen die Stimmrechte nach Kriterien der finanziellen Leistungsfähigkeit gewichtet sind. Ein kleines Rätsel mag manchem die Frage sein, wie es bei einer Mammutkonferenz mit 167 Vertragsstaaten überhaupt zu „Verhandlungen“ im eigentlichen Sinne sowie zu Abschlüssen in programmierten Fristen kommen kann. Einerseits sind es die Flugtickets der Beteiligten, die Arbeitsverträge der Dolmetscher sowie der Mietvertrag für das Konferenzzentrum, die die Fristen in einer solchen Endgültigkeit setzen, dass es schließlich zu Ergebnissen kommt. Des Rätsels eigentliche Lösung liegt aber in der informellen Verhandlungsstruktur. Der faktische Verhandlungsleiter - formal und protokollgemäß leitet das für Umweltfragen zuständige Mitglied der jeweils gastgebenden Nation die „Conference of Parties“ (COP) - beruft abseits jeglicher formellen Geschäftsführung eine „group of invited friends“ oder „Group of 10“ ein. In dieser Gruppe waren in Kyoto drei Ländergruppen repräsentiert:

  • Die USA, eskortiert von Kanada, Neuseeland, Japan und Russland;
  • die Europäische Union (EU), vertreten durch die übliche Troika;
  • die Gruppe „G 77 and China“ zuzüglich zweier Kontinent-Vertreter.
Insgesamt also 12 Vertreter in der „Group of 10“! Diese informelle Verhandlungsstruktur zeigt die bestimmende Wirklichkeit: den Zwang zur Bildung von Großgruppen und zur Aushandlung von Kompromisspositionen innerhalb dieser Gruppen, um bei den Schlussverhandlungen überhaupt Aussicht auf Berücksichtigung zu haben.

 
 

Herausgekommen ist in Kyoto eine Vereinbarung, die gerade im Bereich der politischen Maßnahmen sehr prinzipiell, sehr abstrakt geblieben ist. Das kann man durch folgenden Vergleich klarmachen. Im deutschen Umweltrecht ist eine vergleichbar abstrakte gesetzliche Vereinbarung eine generalklauselartige Ermächtigung zu einer Verordnung, die dann im Detail die Anforderungen, z.B. an Feuerungsanlagen, auf Hunderten von Seiten formuliert. Ihr Erlass unterliegt nicht mehr der Zustimmung des Parlaments. Vor diesem Hintergrund ist die Legislative (in Deutschland) i.d.R. nicht bereit, die Generalklausel quasi als Blankoscheck auszustellen - sie bittet die Regierung, ihr vorab Entwürfe der Verordnungen vorzulegen, die sie auf Basis der Gesetz gewordenen Ermächtigung vorzulegen gedenkt. Also ein Handeln Zug um Zug.
 
 

Nicht so in Kyoto. Alle Kataloge konkret abstimmbarer politischer Maßnahmen (z.B. Energiesteuern), von der EU frühzeitig in die Verhandlungen eingebracht, wurden verworfen. Stattdessen wurden erst relativ kurzfristig Formeln von „emissions trading“, „flexible mechanisms“, „incentive-based mechanisms“ und „role of the private sector“ eingebracht, aber nicht mit substanziellem Inhalt versehen. Eingebracht wurden sie von den USA, die innenpolitisch in einem solchen Maße gespalten waren, dass für ihre Vertragspartner nicht absehbar war, ob den amerikanischen Formeln jemals Substanz aus den eigenen Reihen zugebilligt werden würde. Dennoch haben sich diese Formeln durchgesetzt.[2]
 
 

Die Folge dieses „Ergebnisses“: Die Vereinbarungen zur Umsetzung bzw. Konkretion der Verpflichtungen, die im Jahre 1992 in der Klimarahmenkonvention (FCCC) eingegangen wurden, befinden sich in weit höherem Maße als ursprünglich vorgesehen gleichsam im Zustand einer Baustelle. Das Kyoto-Protokoll sollte eigentlich den ganzen Keller abgeben, faktisch ist es aber nur ein halbes Protokoll geworden. Die Vertragsstaaten, auf die es ankommt, haben deshalb unisono die Ratifizierung der Vereinbarungen von Kyoto solange zurückgestellt, bis der ganze Keller steht. Mitte November 2000, also direkt nach einer Präsidentschaftswahl in den USA, soll in Den Haag dieser zweite Abschnitt beendet und damit der Bau bis zur Oberkante Kellerdecke fertiggestellt werden. Bevor das Gebäude selbst in Angriff genommen werden kann, muss es dann erst einmal geplant werden. Dafür wurde in Kyoto immerhin ein Zeitplan verabredet. Artikel 3, para 9, stellt fest, dass die Verhandlungen über Verpflichtungen für die nachfolgenden Perioden - die wohl wieder Jahrfünfte sein werden - „nicht später als im Jahre 2005 beginnen sollen“. Ursprünglich hatten die USA in ihrem Protokollentwurf vom Januar 1997 eine „evolution of commitments“ gefordert mit dem Ziel, dass im Jahre 2005 alle Vertragsparteien bindende und quantifizierte Verpflichtungen eingegangen sein sollten.
 
 

Das Problem und seine Verursacher
 

Das Problem, das es zu lösen gilt, lässt sich wie folgt skizzieren. Die Treibhausgase, allen voran das Kohlendioxid (CO2) aus der Verbrennung der fossilen Energieträger Kohle und Öl, aber auch aus der Rodung von Wäldern, um landwirtschaftlichen Anbaugebieten Platz zu machen, charakterisieren das Industriezeitalter einschließlich dessen kolonialer Expansion. Die heutigen erhöhten CO2-Gehalte in der Atmosphäre gehen zu etwa 80 % auf fossile Brennstoffe und zu etwa 20 % auf die verminderte Absorptionsfähigkeit der Wälder zurück, d.h. auf Änderungen der Landnutzung. Darüber hinaus ist eine drastische Steigerungen des Methangehalts der Atmosphäre zu verzeichnen. Sein Treibhauseinfluss macht bereits ein Drittel dessen von CO2 aus. Dahinter stehen zu einem Teil die Verluste bei der Förderung und beim Transport fossiler Energieträger, zum größeren Teil aber die Ausgasungen bei sogenannten anaeroben Prozessen, die mit speziellen Kulturleistungen verbunden sind, nämlich:

  • Reisanbau;
  • Futterumsatz insbesondere von Wiederkäuern, deren Fleisch zu konsumieren wir uns in Imitation einstiger herrschaftlicher Sitten allgemein angewöhnt haben;[3]
  • Deponierung des unbehandelten Wohlstandsmülls, d.h. organischer Substan­zen, in erdbeschichteten Bioreaktoren.
Die Atmosphäre hat sich für optisch aktive Gase und Partikel - so die These, die sich in den achtziger Jahren zu einer Einsicht mit hinreichender Evidenz verdichtet hat - als ein Zwischen­speicher mit sehr begrenzter Aufnahmekapazität erwiesen. Langfristig gibt es kein Treibhausproblem und da droht auch eher die nächste Eiszeit. Aber in den kürzeren Fristen, in denen wir leben und Verantwortung tragen, werden die Treibhausgase nicht in hinreichendem Maße aus der Atmosphäre in die größeren Speicherreservoire abgeleitet. Sie verbleiben für eine gewisse Zeit teilweise in der Atmosphäre und führen dort, trotz der kleinen Mengen, um die es geht, zu verhältnismäßig großen Änderungen der Strahlungsverhältnisse. Dies wirkt sich auf Luftströmungen und Niederschläge in einer Weise aus, dass wir, die Menschen, mit unserer Infrastruktur empfindlich betroffen werden.

 
 

Das Reservoir "Atmosphäre", dessen Überlaufventil zumindest für CO2 selbst langfristig nur zu etwa 85 % und kurzfristig nur zu etwa 60 % geöffnet ist, ist mit der Industrialisierung zu einem wesentlichen Teil gefüllt worden - zur Hälfte wenn man den Positionsbezug der Europäischen Union vom März 1996 im Vorfeld zur „COP 2“ in Genf zum Maßstab dessen macht, was „voll“ ist. Damals sprachen sich die Umweltminister der Union für eine Begrenzung der zuzulassenden Temperaturerhöhung um maximal zwei Grad Celsius aus, was einer Begrenzung der Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre auf 550 ppmv (Volumenanteile pro Millionen Einheiten Luft) CO2-Äquivalente entspricht. Mit Beginn der Industrialisierung wurde bei etwa 280 ppmv gestartet, heute sind etwa 360 ppmv (nur CO2) erreicht, d.h. bereits 30 % des zulässigen Niveaus. Nimmt man die übrigen Treibhausgase[4] mit in den Blick, so haben die Industrienationen bereits etwa 50 % jenes Reservoirs in Anspruch genommen haben, das unzweifelhaft allen Menschen, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, zusteht, auch wenn dem Antrag Maltas an die UN-Vollversammlung vom September 1988, die Absorptionsfähigkeit der Atmosphäre nach dem Vorbild des Meeresregimes förmlich zu einem „common heritage of mankind“ zu erklären, nicht entsprochen wurde und stattdessen die abschwächende Formel „common concern of mankind“ geprägt wurde.[5]
 
 

Betrachtet man die laufenden Emissionen von Treibhausgasen, so werden die Entwicklungsländer die Industrieländer, jeweils als Block gerechnet, etwa im Jahre 2037 überholen. Rechnet man die Geschichte der Industrialisierung aber mit ein, dann wird der kumulierte Klimaeffekt der Entwicklungsländer-Emissionen den der Industrieländer-Emissionen erst im Jahre 2147 (!) erreichen.[6] Im übrigen wird erwartet, dass China die USA etwa im Jahre 2015 bei den laufenden Emissionen von Treibhausgasen überholen wird.[7]Das Klimaproblem hat somit eine Eigenart, die es von anderen Umweltproblemen abhebt: Es hat Geschichte. Und es aktualisiert mit dieser geschichtlichen Struktur einen alten, schon für überwunden gehaltenen Konflikt zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Wenn, wie Missbach (1999) in einer bedenkenswerten Formulierung festhält, die Entlassung von Treibhausgasen in die Atmosphäre "erst vor dem Hintergrund der Entwicklungs­ansprüche des Südens zu einem drängenden Problem" wurde, dann holt die Industriestaaten nun ihre Geschichte ein. Sie mussten sich der Einsicht stellen, dass sie ihren Teil des ökologischen Erbes „vorweg ausgezahlt“ bekommen hatten. Das taten sie in der Phase, als die Klimarahmenkonvention verhandelt wurde. Missbach ist zuzustimmen, wenn er sagt: Themen, die mit "dem 'Sieg' des Nordens über die Reformansprüche des Südens verschwanden ..., wurden - nun neu ökologisch begründet - wieder aufgenommen."[8] Der in Rio schließlich erreichte Konsens wurde in der Konvention festgeschrieben und lautet: "... the industrialized country Parties shall take the lead ...".[9]Diese first-in-first-out-Formel hatte auch Paul Nitze für die USA schließlich akzeptiert, als er im Auftrag von US-Präsident George Bush in letzter Stunde, im Februar 1992, die „compromise language“ aushandelte, die die Unter­zeichnung der Rahmenkonvention in Rio im Juni 1992 ermöglichte[10] - zum Entsetzen der Industrieführer in den USA. Dieser Überraschungscoup sollte Folgen haben. Nicht erst seitdem, seitdem aber besonders, wird in den USA beim Klimathema Sperrfeuer gegeben.[11]
 
 

Erhöhte Flexibilität, verminderte Verpflichtungen
 

Nachdem die Träume von einem „Berliner Protokoll“, welche der Bundesregierung bei ihrer Einladung nach Berlin vor Augen gestanden haben mögen, geplatzt waren, wurde auf der ersten „Conference of Parties“ (COP 1) in Berlin im Mai 1995 immerhin der Arbeitsplan verabschiedet, der zu Kyoto führte. In der kürzelreichen Sprache der Klimadiplomatie ist der damalige Beschluss wie folgt zu formulieren: Eine „Ad-hoc Group on the Berlin Mandate“ (AGBM) sei einzusetzen mit dem Mandat, ein POALI (Protocol Or Another Legal Instrument) verabschiedungsreif für COP 3 in Kyoto auszuarbeiten, welches zwei Themen verpflichtend regelt, wenn auch nur für Annex-I-Parteien: PAMs (Policies and Measures) und QUELROs (Quantified Emissions Limitation and Reduction Objectives). Neue Verpflichtungen für Entwicklungsländer seien auszuschließen. Aufgefordert wurde explizit dazu, "the coordination among Annex I Parties ... of relevant economic and administrative instruments" zum Thema zu machen - so das Berliner Mandat.[12]
 
 

Die Ad-hoc-Gruppe arbeitete zunächst ein Jahr lang an Policies and Measures (PAMs). Von der entscheidenden Einsicht, die die Erklärung des Gipfels von Rio 1992 geprägt hatte, nahm man dann aber Abstand. Dort hatten die versammelten Staatsführer formuliert, dass die Dominanz divergierender Kräfte (damit war unzweifelhaft das Wettbewerbsprinzips gemeint) die Welt in die heutige Krise geführt habe und dass dieser Herausforderung durch eine Kooperation der Staaten begegnet werden müsse.[13]Auf halbem Wege zwischen Berlin und Kyoto beugten sich die Vertragsparteien jedoch der innenpolitischen Situation in den USA. Sie nahmen Abstand von der Abstimmung jener Maßnahmen, welche im nationalen Alleingang einzuführen man sich ob der daraus resultierenden Wettbewerbsnachteile regelmäßig scheut. Der PAM-Artikel des Klimaprotokolls (Art. 2) blieb unverbindlich und ist einstweilen die Lektüre nicht wert. Man entschied sich, stattdessen Ziele abzustimmen: Quantified Emissions Limitation and Reduction Objectives (QUELROs). Die QUELROs der Industrieländer (d.h. der Annex-I-Parteien) finden sich in Artikel 3 der Konvention und dem zugehörigen Annex B. Um 5,2 % wollen sie ihre Emissionen zurückführen bis zu dem Jahrfünft, das im Jahr 2012 endet.
 
 

Die USA hatten ein zentrales Ziel bei den Verhandlungen zum Klimaprotokoll: „to establish flexibility in all dimensions“.[14]Das war das Ergebnis der internen Beurteilung der innenpolitischen Lage seitens der US-Regierung. Sie kam zu der Auffassung, dass kaum abzuschätzen sei, welche Massnahmen zur CO2-Minderung im eigenen Lande im Kongress durchsetzbar seien. Am 25. Juni 1997 noch hatte der Senat in Washington mit der Byrd-Hagel Resolution, ohne eine einzige Gegenstimme, den Präsidenten wissen lassen, daß er einem Klima-Protokoll ohne "meaningful participation of developing countries" nicht zustimmen werde - was dem Berliner Mandat, neue Verpflichtungen für Entwicklungsländer vorerst nicht in Betracht zu ziehen, in Einklang zu bringen, offensichtlich widersprach.[15] Hinzu kommt, dass das Denken in Amerika mehr als sonstwo geprägt ist von dem Gedankengut der liberalen und zugleich erkenntniskritischen ökonomischen Theorie, vom Konzept des allgemeinen Gleichgewichts und der Anpassungspfade dorthin sowie nicht zuletzt vom Gedanken der ökonomischen Effizienz. Diese wächst bekanntlich mit dem Handlungsspielraum, der den (privaten) Akteuren in der Verfolgung eines gesetzten Zieles eingeräumt wird. Will man die Konsumeinbußen der Bevölkerung möglichst gering halten, und deshalb „effiziente“ Umweltpolitik betreiben oder will man auch nur mit dieser Auffassung, auch wenn man ihr nicht zustimmt, koexistieren, so sind die politischen Ziele möglichst allgemein anzusetzen. Diese amerikanische „attitude, combined with US political dominance and the relative paucity of counter-arguments, largely determined the outcome of most of the key policy debates.“[16]
 
 

Nicht verschwiegen aber sollte werden, dass die US-Dominanz auch dadurch befördert wurde, dass die Europäer ihre Außenpolitik institutionell noch immer nicht so geordnet haben, dass sie hinsichtlich Professionalität mit den Ame­rikanern mithalten könnten. Grubb bescheinigt den Amerikanern „Kohärenz“, den Europäern dagegen „unwieldy (and introspective) morass of EU decision-making“, which „reflects the EU’s broader foreign policy difficulties.“[17]Das ist freilich ein struktureller Mangel, der weit über die Klimapolitik hinausreicht.
 
 

Will man das Kyoto-Protokoll selbst, sein Zustandekommen in Kyoto sowie seine Ausfüllung auf dem Weg von Kyoto nach Den Haag verstehen, so muss man sich sämtliche „Dimensionen“ vor Augen stellen, in denen versucht wurde, Spielraum („flexibility) zur Erfüllung der „commitments“ (der QUELROs), zu erlangen. Dieser Spielraum wird nicht allein durch die „flexiblen Instrumente" geschaffen, wozu in erster Linie das „emissions trading“ gehört (soweit auch Entwicklungsländer miteinbezogen sind, erfasst im „Clean Development Mechanism“). Weiteren Spielraum zeigt eine Analyse des zentralen Absatzesdes Protokolls, der hier trotz seiner „Technizität“ im Wortlaut zitiert sei: „The Parties included in Annex I shall, individually or jointly, ensure that their aggregate anthropogenic carbon dioxide equivalent emissions of greenhouse gases listed in Annex A do not exceed their assigned amounts, calculated pursuant to their quantified emission limitation and reduction commitments inscribed in Annex B and in accordance with the provisions of this Article, with a view to reducing their overall emissions of such gases by at least 5 per cent below 1990 levels in the commitment period 2008 to 2012.“[18]
 
 

In diesem Absatz ist das sogenannte „bubble“-Konzept enthalten, das ursprünglich als Privileg allein für die EU vorgesehen war, im Ergebnis aber jeglichen Koalitionen von (verpflichteten) Staaten offen steht. Das bubble-Konzept bedeutet, dass Verpflichtungen nicht an jeweilige örtliche, rechtlich getrennte Individuen, in deutscher Rechtstradition z.B. Betriebe, gestellt werden, sondern dass diese unter eine gedachte („Käse-)Glocke“ schlüpfen dürfen und unter ihr nur als Gesamtheit von Betrieben die verfügte Begrenzung der Emissionen einzuhalten haben. Das eröffnet Spielräume, schafft aber natürlich auch ein Problem, nämlich die Akteure unter der Glocke zu koordinieren. Das Prinzip war in der amerikanischen Luftreinhaltepolitik gegen Ende der siebziger Jahre eingeführt worden. Die dort damit zwischenzeitlich gemachten Pioniererfahrungen bilden ein wichtiges Element in der Erklärung der Dominanz, mit der die USA diese Option Jahrzehnte später in der globalen Klimapolitik durchsetzten und die sie insbesondere in der Nach-Kyoto-Phase, bei der Ausarbeitung der technischen Details, durchzuhalten vermochten.[19]
 
 

Weiterhin wird in der zitierten Textpassage von „carbon dioxide equivalent emissions of greenhouse gases listed in Annex A“ gesprochen. Dabei handelt es sich um einen „Korb“ von sechs Treibhausgasen. Um Flexibilität zu erreichen, wurden die Gase untereinander verrechenbar gemacht - ungeachtet der Tatsache, dass ihre Treibhauswirkung deutlich, und zum Teil sogar drastisch, unterschiedlich ist. Man griff auf den Umrechnungsfaktor „carbon dioxide equivalent emissions of greenhouse gases“ zurück, wie er vom wissenschaftlichen Beratungsorgan „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (IPCC) nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis für verschiedene Zeiträume geschätzt wird. Die durch Verweis auf den IPCC ermöglichte Dynamisierung entsprechend dem Fortschritt des Erkenntnisstandes wurde für die Verpflichtungen in der Periode 2008 bis 2012 dadurch ausgeschlossen, dass veränderte Werte für das „Global Warming Potential“ (GWP-Werte) erst für kommende Verpflichtungsperioden (jenseits 2012) zur Geltung kommen dürfen.
 
 

Darüber hinaus gibt es zwei weitere Dimensionen der Flexibilisierung. Die eine besteht darin, dass zur Bildung des Korbes von sechs Treibhausgasen (Annex A) nun 1995 als Referenzjahr für die drei technischen Gastypen gewählt werden kann. Unter ihnen spielen die H-FKW, die chlorfreien Ersatzstoffe der ozonschädigenden FCKW eine dominante Rolle - eine Übergangslösung mit einem allerdings erheblichen Treibhauspotenzial, auf die insbesondere die US-amerikanische Kühlgeräteindustrie gesetzt hat. Als Folge der Politik zum Schutz der Ozonschicht ist es hier seit 1990 zu einem erheblichen Anstieg gekommen. Die entsprechenden Emissionen sind aber unschwer wieder zu vermindern; denn die Technologie zum Ersatz dieser Zwischenlösung, die Kühltechnik auf Basis Propan/Butan, steht schon bereit und ist von europäischen Anbietern auch schon weitgehend vollzogen.
 
 

Außerdem wurden unter dem Titel „landuse change and forestry“ (LUCF) sogenannte „Kohlenstoffsenken“ als Option zur Erfüllung von Minderungsverpflichtungen eingeführt. Die späte Einführung dieser hochkontroversen und komplexen Materie hatte zur Folge, dass sie die erste Woche der Verhandlungen in Kyoto okkupierte. Heraus kam ein Beschluss, der darauf hinauslief, nicht mehr zwischen Quellen von Emissionen und Senken zu unterscheiden, sondern zwischen Quellen von Annex-A-Emissionen einerseits und Netto-Emissionen im Bereich von „landuse change and forestry“ andererseits. Entscheidend ist dabei, welche Kategorien unter dem breiten Titel des Mandats „LUCF“ im Ergebnis nicht zugelassen wurden, nämlich der gesamte Agrarbereich und andere Formen der Veränderung der Landnutzung durch den Menschen. Es gab eine klare Beschränkung auf forstliche Aktivitäten („resulting from direct human-induced activities of afforestation, reforestation and deforestation since 1 January 1990“). Was im einzelnen unter die drei forstwirtschaftlichen Kategorien fällt, ist natürlich umstritten. Insbesondere ist unklar, was unter „reforestation“ verstanden werden soll und wie mit der zeitlichen Begrenzung menschlicher Einflussnahme umgegangen werden soll.
 
 

Die Interferenz von quantitativen Begrenzungs- und Reduktionszielen (QUELROs) und „flexibility“ prägte die Verhandlungsstrategien der Parteien, insbesondere die der Amerikaner. Zusagen auf dem Gebiet der QUELROs, wo die Europäer drängten und ihre „Erfolge“ zu erzielen gedachten (und zu Hause zu „verkaufen“ hatten), wurden abhängig gemacht von Zusagen in den vielen Dimension der Flexibilität, die in den verschiedenen Arbeitsgruppen verhandelt wurden. Dies war der Weg, auf dem die Minderungsverpflichtungen schließlich zustande kamen. Die QUELROs isoliert zu sehen, wie es in der öffentlichen Wahrnehmung geschieht, ist irreführend; denn durch die Flexibilisierung in den vielen Dimensionen hat sich die inhaltliche Bedeutung von Minderungsverpflichtungen verändert.
 
 

Wie weit diese Veränderungen in jedem Falle legitim sind, ist eine Frage, die sich regelmässig bei der Auslegung und Anwendung von Gesetzen stellt. Sie wurde auch im weiteren Verhandlungsverlauf seitens der NGO und der opponierenden Verhandlungspartner gestellt: Was darf legitimerweise als die Einhaltung von QUELRO-Verpflichtungen angesehen werden und was nicht? Man wollte verhindern, dass die Verpflichtungen zwar dem Wortlaut nach eingehalten werden und die Industrieländer nach Maßgabe der etablierten Messverfahren ihre Beiträge zum Treibhauseffekt aggregiert um 5,2 % mindern, in Wirklichkeit aber doch eine höhere Belastung verbleibt, eine Belastung, die dann eben unter Benutzung anderer Massstäbe festzustellen wäre. Man sprach in diesem Zusammenhang von einer „Inflationierung“ der Verpflichtungen in dem Sinne, das die hinter der nominalen Verpflichtung stehende reale Emissionsverminderung immer geringer wird - so wie die Gütermenge, für die eine bestimmte, nominal festgelegte Geldmenge steht, im Zuge von Inflation immer kleiner wird.
 
 

Von den Formeln zur Substanz?
 

Der Verlauf der Verhandlungen zeigte: Ohne die USA ging nichts, aber auch die anderen „global players“, die Europäische Union und China, verfügten ebenso über eine Sperrminorität. Eine Regelung, die gegen ein essentielles Interesse dieser drei Großen und ihrer Klientel verstoßen würde, mußte das Ganze zum Scheitern bringen. Welche Interessen essentiell sind, wurde in letzter Stunde offenbar: China ließ den Handel mit Emissionsrechten innerhalb der Industriestaaten wahrlich in letzter Minute durchgehen (Artikel 16, jetzt Artikel 17); und die USA akzeptierten, unter Stuart Eizenstats Regie, die Streichung des Artikels 9 (ursprünglich 10) des Entwurfs, der die „meaningful participation“ von Entwicklungsländern auf freiwilliger Basis ermöglicht und damit der Resolution des US-Senats vom Juni 1997 vermutlich entsprochen hätte.[20]
 
 

Nachdem USA und Europäische Union beinahe die gesamte Verhandlungszeit in Kyoto damit zugebracht hatten, untereinander über QUELROs, d.h. über die Höhe der Emissionsminderung für die Industrienationen und ihre Aufteilung, über den Umfang der beteiligten Gase sowie über die Einbeziehung von „Senken“ zu verhandeln, blieb keine Zeit mehr für den Ausgleich mit den Entwicklungsländern. Es kam zur „high-noon“-Situation.[21] Mit deren Ausgang - keine Seite wagte zu schießen und damit das gesamte Verhandlungswerk in die Luft zu sprengen - wurde ein doppeltes Patt geschaffen. Dieses gilt es seitdem auszubaden. China hatte argumentiert, ohne Durchführungsrichtlinien sei die Verabschiedung des „emissions trading“ unseriös. In dieser Frage müssen die Vertragsparteien nun nachsitzen: bis zur COP 6 sollen diese Hausaufgaben erledigt sein. Über die "meaningful participation" von Entwicklungsländern ist ebenfalls nachzuverhandeln.
 
 

Das Kunststück der USA bestand darin, daß sie erfolgreich lediglich um Formeln verhandelten, weil sie aufgrund ihrer innenpolitischen Spaltung in der Schlüsselfrage der Klimapolitik substanziell nicht verhandlungsfähig waren. Dass Durchführungsbestimmungen zum „emissions trading“ fehlten, war kein Zufall, es war Symptom für das bestehende Dilemma. Auf den Punkt gebracht worden war dieses durch den Chairman Estrada, als er, unter ausschließlicher Nutzung von Vokabeln der US-Verhandlungsposition, im Vorfeld öffentlich die Frage stellte, "how a binding emission commitment could be flexible."[22]Die USA waren und sind bislang nicht nur innenpolitisch, sondern vor allem innergesellschaftlich gespalten. Grubb schätzt den Aufwand, den die US-Industrie, d.h. faktisch vor allem Kohle-, Erdöl- und Autofirmen, für den Kampf gegen das nun erreichte Ergebnis bindender Verpflichtungen aufgewendet hat, auf insgesamt etwa 100 Millionen Dollar.
 
 

Und doch muss man im Nachhinein konstatieren: Der Ansatz der Amerikaner hat die Tür geöffnet für das nachfolgende Füllen der ausgehandelten Formeln mit emissionsmindernder Substanz. Denn dadurch, das ihre Verhandlungskommission auf umfassender Flexibilisierung bestand und zunächst nur „abstrakte“ Formeln ansteuerte, hat sie es geschafft, auf Seiten der bislang auf reine Obstruktion eingeschworenen Wirtschaft die Stimmung zum Positiven zu „kippen“.
 
 

Ziele sind so ernst, wie ihre Verfehlung sanktioniert wird. Für Den Haag im November 2000 steht deshalb gleichberechtigt mit den Ausführungsverordnungen zu den „flexible instruments“ das Thema „non-compliance“ auf der Tagesordnung. Ohne Sanktionen, die höher sind als die Vermeidungskosten, wird das Kyoto-Protokoll ein Papiertiger sein. Ein mögliches Modell finanziell wirksamer Sanktionen ist der Stabilitätspakt zu haushaltspolitischen Kriterien in Europa, der im Zusam­men­hang mit der Europäischen Währungsunion beschlossen wurde. Dies ist die Messlatte. Daran, ob es gelingt, in Den Haag einen Text zu „non-compliance“ als Ergänzung zu den „flexible instruments“ zu beschließen, wird sich zeigen, ob es den Industriestaaten mit den Minderungsverpflichtungen von Kyoto, den QUELROs, auch in Mark und Pfennig ernst ist.
 
 

In den Kreisen der internationalen Umweltdiplomatie heißt es, die Klimapolitik müsse zwei zentrale Probleme lösen, nämlich

  • die klimapolitischen Skeptiker in den USA über das Stadium der reinen Blockade hingwegzubringen und
  • die Entwicklungsländer sinnvoll miteinzubinden.
Aber man kann es auch so fassen, dass die Innenpolitik der USA und der anderen OECD-Länder sinnvoll in die Klimapolitik einzubinden wäre.[23] In der Tat ist die Innenpolitik der „Umweltgrossmächte“ der Schlüssel zum klimapolitischen Vorankommen. Dabei zeigt das Beispiel der klug geführten Kampagne der skandinavischen weltpolitischen „Davids“ gegen den saueren Regen in den siebziger Jahren, dass die Innenpolitik der hardliner-Verursacher nicht reine Innenpolitik bleiben muss. Die öffentliche „Entdeckung des Waldsterbens“ in Deutschland ist zielstrebig und konsequent von den skandinavischen Ländern „gefördert“ worden. Für Defaitismus angesichts der innenpolitischen Situationen in den USA, in China und Indien besteht deshalb kein Grund. Die öffentlich perzipierte Machtlosigkeit ist nur vermeintlich. Sie ist in Wahrheit Ausdruck einer Verzagtheit, die die strategische Phantasie blockiert und so zu tatsächlicher Machtlosigkeit mutiert.

 
 

Literatur
 

Biermann, Frank: Saving the Atmosphere. International Law, Developing Countries and Air Pollution. (European University Studies, Series II, Law, vol. 1737). Peter Lang Verlag, Frankfurt/M. u. a. O., 1995

Ewringmann, Dieter und Erik Gawel: Kompensationen im Immissionsschutzrecht. Erfahrungen im Kannenbäckerland. Nomos, Baden-Baden 1994

Flavin, Christopher: „Das Vermächtnis von Rio“. In: Worldwatch Institute (Hrsg.): Zur Lage der Welt 1997. Daten für das Überleben unseres Planeten. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M. 1997, S. 11 - 42

Grubb, Michael, with Christian Vrolijk and Duncan Brack: The Kyoto Protocol. A Guide and Assessment. Earthscan, London 1999

Harris, Paul G.: Understanding America’s Climate Change Policy: Realpolitik. Pluralism, and Ethical Norms. (OCEES Research Paper No 15) Mansfield College, Oxford, UK 1998

Harris, Paul G.: „Common but Differentiated Responsibility: The Kyoto Protocol and United States Policy.“ In: Environmental Law Journal, vol. 7, 1, 1999, S. 27-48

Harris, Paul G. (ed.): Climate Change and American Foreign Policy. St. Martin’s Press, 2000

Jachtenfuchs, Martin: International Policy-Making as a Learning Process? The European Union and the Greenhouse Effect. (Avebury Studies in Green Research). Avebury, Aldershot 1996

Krägenow, Timm: Verhandlungspoker um Klimaschutz. Beobachtungen und Ergebnisse der Vertragsstaaten-Konferenz zur Klimarahmenkonvention in Berlin. Öko-Institut (Postfach 62†26), (79038) Freiburg 1996

Leggett, Jeremy: The Carbon War. Dispatches from the End of the Oil Century. Penguin Books, London 22000

Luhmann, Hans-Jochen: „Der Homo industrialis und der Klimawandel.“ In: Neue Zürcher Zeitung, Beilage Forschung und Technik, 29. März 2000, Nr. 75 S. 79

Luhmann, Hans-Jochen et al.: „Joint Implementation - Projektsimulation und Organisation. Operationalisierung eines neuen Instruments der internationalen Klimapolitik“. (Reihe Umweltbundesamt Berichte, Band 7/97). Berlin: E. Schmidt Verlag 1997

Luhmann, Hans-Jochen: „Willkommen im Klimaschutz-Club. Das Kyoto-Protokoll sollte Entwicklungsländer zum Beitritt reizen.“ In: Zeitung für kommunale Wirtschaft (ZfK), Dezember 1997, S. 24

Mintzer, Irving M.; Leonard, J. Amber (Hg.): Negotiating Climate Change: The Inside Story of the Rio Convention. Foreword by Michael Chadwick. Cambridge Studies in Energy and Environment. Cambridge University Press, Cambridge UK 1994

Missbach, Andreas: Das Klima zwischen Nord und Süd. Eine regulationstheoretische Untersuchung des Nord-Süd-Konflikts in der Klimapolitik der Vereinten Nationen. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 1999

Mwandosya, Mark J.: Survival Emissions: A Perspective From the South on Global Climate Change Negotiations. DUP (1996) Ltd. c/o University of Dar es Salaam (Vertrieb allein über African Books Collective Ltd, London: www.africanbookscollective.com), Dar es Salaam 1999

Oberthür, Sebastian: Politik im Treibhaus. Die Entstehung des internationalen Klimaschutzregimes. Edition Sigma, Berlin 1993

Oberthür, Sebastian and Hermann E. Ott: The Kyoto Protocol. International Climate Policy for the 21st Century. Springer, Berlin 1999

 

[1]Das Konzept der Umweltgrossmächte ist entwickelt in Flavin (1997). Das Besondere an dieser Art Macht besteht darin, dass sie im Unterschied zur üblichen Definition von Macht nicht dadurch definiert ist, dass man imstande sei, anderen seinen Willen aufzuzwingen. Vielmehr besteht die Macht in dem Vermögen, andere (und sich selbst) als Geisel zu nehmen, ihnen die Konsequenzen der Nicht-Lösung globaler Umweltprobleme zuzumuten. Es handelt sich also um eine rein destruktive Form der Macht.
[2]Es sind im wesentlichen vier jüngst erschienene Bücher, denen man - aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln - entnehmen kann, wie die Regelungen in den 28 Artikeln des Kyoto-Protokolls zustandegekommen sind. Eins ist von Michael Grubb et al. (1999) verfasst, einem Team britischer Autoren, die am Londoner Royal Institute of International Affairs in einer Arbeitsstelle zu Energie- und Umweltfragen arbeiten, das andere von Sebastian Oberthuer und Hermann Ott (1999), die ebenfalls seit einem Jahrzehnt als regelmäßige wissenschaftliche Begleiter der Klimakonferenzen ausgewiesen sind. Beide Bücher erlauben den Blick hinter den Vorhang, der vor den vertraulichen Vorbereitungen und Verhandlungen liegt. Vor allem aber wird der „grand design“ der Verhandlungsstrategien in dem gesamten dramatischen „Schachspiels“ erläutert.
Die beiden anderen Bücher sind von Persönlichkeiten geschrieben, die jeweils selber eine Rolle im Prozess spielten. Das eine ist von Jeremy Leggett (vgl. FN 9), das andere von Mark J. Mwandosya (1999), einem Professor für elektrische Energie aus Tanzania, der die Leitung der „Gruppe der 77 und China“ innehatte. Sein äußerst aufschlussreicher Bericht nimmt durchgängig die Sicht des Südens ein und stellt zusammenhängend dessen Verhandlungsstrategie und -infrastruktur dar.
[3]In Neuseeland liegt der Methan-Anteil an den gesamten Emissionen von Treibhausgasen bei etwa 50 %, in anderen Ländern, die ihrer Viehhaltung wegen einen Namen haben (Irland; Australien), bei etwa 30 %. Vgl. UNFCCC/CP/1998/Add.1, Fig.1.
[4]FCKW und Halone (welche nicht der Klimarahmenkonvention unterliegen, weil ihr „phase-out“ im Montrealer Protokoll zum Schutz der Ozonschicht bereits beschlossen ist - der Rahmenkonvention unterliegen nur Substanzen, die nicht im Montrealer Protokol reguliert sind); deren Ersatzstoffe, die H-FCKW; SF6 zum Betrieb elektrischer Transformatoren sowie PFC aus der Aluminiumelektrolyse. Mit den drei letzten Gasen sind die sogenannten „technischen Gase“, die in den Korb von Kyoto erst spät hinzukamen, genannt; CO2 zusammen mit Methan sowie N2O aus der mineralischen Düngung und aus Autokatalysatoren bilden die klassische Trias der der Menge nach bedeutendsten (anthropogenen) Treibhausgase, die der Klimarahmenkonvention unterliegen. Ein Beispiel für ein - noch - ungeregeltes Gas bildet das troposphärische Ozon, die Nachläufersubstanz von NOx (aus Automobilen) und VOC (Lösemittel). Die Vorläufersubstanzen sind jedoch immerhin in Europa durch ein regionales Luftreinhalteabkommen geregelt, unter der Schirmherrschaft der UN-ECE.
[5]Vgl. Biermann (1995).
[6]Nach Mwandosya (1999, S. 147). Das Problem mit der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik der Industrialisierung hatte im übrigen schon Gandhi in die rechten Worte gefasst: "Großbritannien benötigte die Hälfte aller Ressourcen unseres Planeten, um seinen Wohlstand zu schaffen; wie vieler Planeten bedarf ein Land wie Indien?" Missbach (1999, 10).
[7]Harris (1999, S. 38)
[8]Missbach (1999, 18/19).
[9]Art. 3 („Principles“), para 1, FCCC
[10]Vgl. dazu den Beitrag von P. Nitze in: Mintzer et al. (1994).
[11]Vgl. zu den „Sperrfeuer“-Vorgängen insgesamt das vorzügliche, in Form eines Augenzeugenberichts gehaltene Buch von JeremyLeggett (1999). Leggett ist insofern eine Ausnahmefigur der Klimaszene, als er den Saulus-Paulus-Wandel beim Klimathema personifiziert. Er war an der renommiertesten aller Ausbildungsstätten für angehende Erdölprospektoren, dem Imperial College in London, als Professor tätig und daneben als weltweit gefragter Consultant für Ölunternehmen. Im Frühjahr 1988 quittierte er den Dienst und ging zu Greenpeace. Er hat in seiner Beschreibung der Vorgänge bei den zentralen Veranstaltungen und Konferenzen der internationalen Klimapolitik immer sehr fest das Wirken seiner ehemaligen Berufskollegen, der Lobbyisten der Global Climate Coalition, im Blick.
[12]Vgl. Grubb et al. (1999, S. 48). Als Überblick und Augenzeugenbericht s. Krägenow (1996).
[13]Vgl. die „Rio Declaration on Environment and Development“ sowie die Präambel der „Agenda 21: Programm of Action for Sustainable Development“.
[14] Grubb (1999, S. 112)
[15]Die Geschichte dieser Resolution, ihr Wortlaut, ihre Interpretation durch die Initiatoren wie auch andere Senatoren in der Senatsdebatte sind in der sehr lesenswerten Arbeit von Harris (1998) beschrieben.
[16]Grubb (1999, S. 112)
[17]ebd.
[18] Artikel 3, para 1 des Protokolls
[19]In Deutschland ist diese Option, von liberal denkenden Ökonomen vorgetragen, geprüft und dank der Dominanz der hiesigen ordnungsrechtlichen Schule schließlich abgelehnt worden. Es hat zwar auf Initiative des damaligen Rheinland-Pfälzischen Umweltministers Klaus Töpfer eine - zeitlich begrenzte - Öffnungsklausel im üblichen immissionsschutzrechtlichen Ansatz gegeben (siehe Ewringmann/Gawel, 1994). Aber von den Keramik-Brennöfen im Kannenbäckerland, auf die diese Option zugeschnitten und begrenzt war, ging nicht gerade das Signal aus, dass hier ein Koordinationsverfahren implementiert und ein Kostensenkungspotential verwirklicht worden sei, mit dem man die ordnungsrechtlich geprägte und zudem noch sehr erfolgreiche deutsche Umweltpolitik revolutionieren und den Grundstein für einen zukunftsträchtigen Ansatz von Umweltpolitik legen könne.
[20]Wie dieses Ergebnis in direkten informellen Konsultationen zustandekam, ist nachzulesen bei Mwandosya (1999).
[21]Insbesondere dazu ist der Augenzeugenberichts Leggetts (1999, Chap.11 „The Day of the Atmosphere“) lesenswert.
[22]Grubb et al. (1999, S. 56)
[23] Vgl. Grubb et al. (1999, S. 276/7)

 


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