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Politik und Gesellschaft Online
International Politics and Society 3/1999

Vorläufige Fassung / Preliminary version

PIA BUNGARTEN
Die Krise in Thailand und der Internationale Währungsfonds

Viele Thais glauben, daß die Vorgaben des IWF aus der schwerwiegenden Finanzkrise ihres Landes eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Katastrophe historischen Ausmaßes gemacht haben. Die ursprünglichen Maßnahmen, die der thailändische Staat angestrebt hatte, umfaßten hohe Zinsen und eine strenge Haushalts- und Geldpolitik zum Zwecke der Währungsstabilisierung, Reformen des Finanzsektors und Initiativen zur Privatisierung von Staatseigentum. Diese Maßnahmen scheinen im großen und ganzen das Vertrauen der Investoren wiederhergestellt und eine Wiederaufnahme des Zuflusses von Auslandskapital bewirkt zu haben. Aber der Banksektor bleibt geschwächt und neue Kredite werden kaum aufgenommen. Die Exporte stagnieren, Hoffnungen, über ihn die Wirtschaft wieder anzukurbeln, haben sich nicht erfüllt. Die meisten Thais schreiben die anhaltende wirtschaftliche Stagnation und die immer weiter steigenden sozialen Kosten der Krise der IWF-inspirierten Politik zu. Arbeitslosigkeit und Armut nehmen zu und haben besonders verheerende Auswirkungen für Frauen und Kinder. Nur wenigen kann das äußerst schwache soziale Sicherungsnetz helfen, und die familiären Auffangnetze sind hoffnungslos überfordert. Viele, darunter auch Geschäftsleute, sehen im IWF mittlerweile einen inkompetenten destruktiven Eindringling mit einem veralteten Entwicklungsmodell. Der Fonds betreibt seine Politikvorgaben als Geheimsache. Gesellschaftliche Gruppen werden nicht konsultiert. Gleichzeitig lastet er die Krise der fehlenden "Transparenz" in der thailändischen Regierung und Wirtschaft an. Er hat trotz umfassender Kritik keine Fehler zugegeben. In Thailand kann der IWF dem Widerstand gegen seine Politik kaum noch Glaubwürdigkeit entgegensetzen. Die vom Fonds gebilligte Lockerung der Haushalts- und Währungspolitik seit August 1998 brachte wenig Ergebnisse. Bürokratische Erstarrung, Korruption und minimale Einbindung der Öffentlichkeit haben dafür gesorgt, daß die vielen angekündigten sozialen Unterstützungspläne nur schleppend vorankommen. Einige dieser Programme wurden von der Weltbank finanziert, der die Thais positiver gegenüberstehen als dem IWF, da sie etwas offener ist und den sozialen Problemen mehr Aufmerksamkeit schenkt. Die Krise und das Vorgehen des IWF und des Staats haben eine ausgiebige Diskussion des thailändischen Entwicklungsmodells hervorgebracht. Die "Globalisierer" setzen weiter auf ausländisches Kapital, Exporte und Integration in die Weltwirtschaft. Die Anhänger einer nach innen gerichteten Entwicklung sehen Umweltzerstörung, fortgesetzte Ungleichheit und Korruption als Beweise, daß die Wirtschaftspolitik Reichtum über soziale Entwicklung gestellt hat. Sie plädieren für eine Rückkehr zu buddhistischen Grundwerten wie Maßhalten und Genügsamkeit vor. Befürworter einer „begrenzten Entglobalisierung" teilen diese Kritik, sind jedoch für Wachstum, gestützt auf inländisches Sparaufkommen und den Binnenmarkt . Sie sind für neue Kapitalkontrollen und Importbeschränkungen. Eine nachhaltige Lösung der Wirtschaftskrise und ihrer sozialen Auswirkungen wird nur durch größere Beteiligung der Öffentlichkeit an Politik und Entscheidungsfindung möglich sein.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition julia gudelius | Juni 1999