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Politik und Gesellschaft Online
International Politics and Society 3/1999

Vorläufige Fassung / Preliminary version

MARK T. BERGER
Das ostasiatische Wirtschaftswunder und sein Ende aus historischer Perspektive
(Original: Bringing History Back In: The Making and Unmaking of the East Asian Miracle)

Ostasiens phänomenale Wirtschaftsentwicklung nach dem zweiten Weltkrieg wurde im Westen vielfach als Frucht einer Wirtschaftspolitik gedeutet, die die Marktkräfte zum Entfalten brachte. Andere betonten hingegen die dominierende Rolle des intervenierenden „Entwicklungsstaates". Beide Erklärungen sind ahistorisch und unterschlagen die entscheidenden Kontextbedingungen, die das asiatische „Wirtschaftswunder" ermöglichten. Es war der im pazifischen Raum besonders virulente Kalte Krieg, der die USA bewog, die Weichenstellungen vorzunehmen, die zum wirtschaftlichen Aufstieg Japans, Taiwans, Südkoreas sowie später Thailands, Malaysias und Indonesiens führten. Dazu gehörte massive finanzielle Hilfe und die weitgehend einseitige Öffnung des US-Marktes für asiatische Exporte. Der Hintergrund des Kalten Krieges erklärt auch jene politische Konfiguration, die den autoritären Entwicklungsstaat hervorbrachte. Es handelte sich um dezidiert antikommunistische Diktaturen von amerikanischen Gnaden. Der Koreakrieg und später der Vietnamkrieg sorgten für äußerst günstige konjunkturelle Bedingungen - ersterer für Japan, letzterer für die aufstrebenden ostasiatischen Entwicklungsländer. Allerdings zeigten die Fälle Vietnam und Philippinen auch, daß das von der antikommunistischen amerikanischen Strategie geprägte Syndrom allein nicht ausreichte, um Wirtschaftswunder hervorzubringen. Von den späten 80er Jahren an wurde die asiatische Erfolgsstory zunehmend in die Konstruktion einer staatszentrierten asiatischen Alternative zum neo-liberalen westlichen Wirtschaftsmodell eingebracht. Obgleich diese Vorstellung von einigen politischen Kreisen (vor allem in Japan und Malaysia) in den Vordergrund gerückt wurde, erlangte sie keine politikbestimmende Kraft für den ostasiatischen Raum. Hinzu kam, daß die inhärenten Schwachstellen des „asiatischen Modells" stärker sichtbar wurden, zumal in Japan. Die große Finanzkrise, die 1997 von Thailand ihren Ausgang nahm, bot den USA die Gelegenheit, die asiatische Herausforderung in die Schranken zu weisen und die Dominanz neo-liberaler Wirtschaftsordnungs-Prinzipien zu festigen. Wie seit langem nicht mehr, bestimmen heute die USA die Grenzen des wirtschaftspolitisch Erlaubten. Aber der Neoliberalismus hat nur einen Pyrrhussieg errungen. Denn der in den 70er Jahren einsetzende „lange Niedergang" der kapitalistischen Wirtschaften ist nicht überwunden. Die asiatische Krise signalisiert vielmehr eine kommende Krise der gesamten kapitalistischen Weltwirtschaft. Die Zeit wird reif für Alternativen zum neoliberalen und zum autoritären asiatischen Wirtschaftsmodell.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition julia gudelius | Juni 1999