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Vorläufige Fassung / Preliminary version
WILHELM NÖLLING / KARL ALBRECHT SCHACHTSCHNEIDER / JOACHIM STARBATTY
Währungsunion und Weltwirtschaft. Festschrift für Wilhelm
Hankel
Stuttgart 1999
Lucius & Lucius, 467 S.
Es gibt Festschriften und Festschriften. Solche, in denen Freunde und
Verehrer des Jubilars eine bunte Mischung von Beiträgen präsentieren,
die einen guten Einblick in deren Interessengebiete ermöglichen, und solche,
die gezielte Beiträge vereinigen (nicht zuletzt auch von Freunden und
Verehrern), welche auf das Interessengebiet des Jubilars ausgerichtet
sind und damit einen zusammenhängenden Zugang zu einem bestimmten Themenkreis
ermöglichen. Die vorliegende Festschrift für Wilhelm Hankel zu seinem
(unglaublichen) siebzigsten Geburtstag gehört definitiv in die zweite
Gruppe. Wie schon der Titel besagt, beschäftigen sich alle Beiträge nicht
nur überwiegend, sondern praktisch ausschließlich mit Währungsfragen und
Problemen der internationalen Wirtschaft aus Perspektiven, die in der
einen oder anderen Weise Berührungspunkte mit Hankels Arbeiten und Interessen
aufweisen. Nicht nur das: Auch die gewählte Darstellungsweise entspricht
im allgemeinen jener Mischung von theoretischen Überlegungen, starkem
Realitäts- und Praxisbezug und ansprechender "Rhetorik", welche für das
Werk und die Aktivitäten des Geehrten charakteristisch ist. Das spiegelt
sich auch in der Zusammensetzung der 32 Ökonomen und Juristen wider, die
die Festschriftbeiträge leisteten: 22 von ihnen sind in Universitäten
und Forschungsinstituten tätig, fünf in Banken, drei im privaten Sektor
und zwei sind aktive Politiker. So entstand ein Buch, das - unabhängig
davon, wie weit man mit den einzelnen Argumenten übereinstimmt - gleichermassen
für Wirtschaftswissenschaftler, die auf diesen Gebieten tätig sind, wie
auch für ökonomisch ausgebildete Praktiker von Interesse ist.
Der Textteil des Bandes zerfällt in zwei exakt gleich lange Teile (mit
je 221 Seiten): Währungsunion und Weltwirtschaft. Ihnen vorangestellt
ist ein lesenswerter Aufsatz der drei Herausgeber über Hankel ("Wilhelm
Hankel - homo politicus, homo contemplativus"), der einen guten Einblick
in die "bunte" Karriere Hankels vermittelt, die in ihrer Mischung von
akademischer und praktischer, privater und öffentlicher, nationaler und
internationaler Tätigkeit für kontinentaleuropäische Verhältnisse eher
ungewöhnlich ist.
Es ist klar, daß man bei einem Band mit 29 Beiträgen (15 im ersten und
14 im zweiten Teil) nicht jeden einzelnen Aufsatz besprechen und nicht
alle Autoren aufzählen kann. Die folgenden Bemerkungen beschränken sich
daher auf einige Hinweise, die aber nicht als Wertungen der genannten
bzw. nicht genannten Beiträge zu verstehen sind.
Die zwei Teile des Buches unterscheiden sich vor allem dadurch, daß der
erste Teil mit seiner Konzentration auf die Europäische Währungsunion
und den EURO durch den aktuellen Anlaß der EURO-Klage seitens Hankel und
den drei Herausgebern geprägt ist, während der zweite Teil (Weltwirtschaft)
etwas diffuser und zeitungebundener Fragen der Globalisierung, Währungspolitik,
Bankpolitik, Finanzmärkte, Umwelt und Entwicklungsländer behandelt. Diese
Zweiteilung färbt auch in mancher Hinsicht auf die "Natur" der Beiträge
ab. Die meisten Aufsätze des ersten Abschnitts (Währungsunion) sind durch
eine, die Analyse begleitende kritische und plädierende Note gekennzeichnet,
welche an das Anliegen der Klage von Hankel und Genossen anknüpft, während
im zweiten Teil der kühlere Ton der Analyse vorherrscht.
Der erste Teil, auf den wir uns zunächst beziehen, hat trotz der Dynamik
der Ereignisse nichts an Relevanz verloren. Die meisten Beiträge reichen
bis Ende 1998, als die Einführung des EURO (im Gegensatz zur Zeit der
Einbringung der Klage) bereits außer Zweifel stand. Die vorgebrachten
kritischen Argumente konnten und können also nicht mehr einer Abwehr der
Währungsunion dienen, wohl aber als Prognosen künftiger Entwicklungen
und Schwierigkeiten, deren Relevanz sich erst in weiterer Zukunft erweisen
wird. In diesem Zusammenhang muß übrigens lobend hervorgehoben werden,
daß die Aktualität der Beiträge dadurch gesteigert wurde, daß sie bereits
wenige Monate nach Ende der erfaßten Periode, nämlich zu Beginn des Frühjahrs
1999, in ansprechender Form veröffentlicht wurden.
Was alle Beiträge des ersten Abschnitts verbindet ist - wie bereits erwähnt
- eine kritische Note, wobei allerdings nicht immer die gleichen Aspekte
im Vordergrund stehen. Weitgehende Übereinstimmung herrscht bezüglich
des Zeitpunkts der EURO-Einführung, der als zu vorzeitig angesehen wird.
Einige Autoren erachten die Stabilitätserfordernisse bei einigen der elf
Beitrittsländer nicht genügend untermauert und nicht genügend den Maastricht-Kriterien
entsprechend, um eine so weite EURO-Region zu rechtfertigen, während andere
eine Währungsunion überhaupt erst nach einer politischen Union befürwortet
hätten, um Konflikte zu vermeiden. So schreibt Biedenkopf (S.16): "Eine
Währungsunion ohne politische Union bildet nach wie vor das größte Risiko
für den Erfolg dieses bisher bedeutendsten politischen Projekts Europas",
und Schachtschneider kritisiert in seinem umfangreichen rechtsphilosophischen
Beitrag, dass man einer voreiligen "Hebeltheorie" (Erzwingung der politischen
Union durch die Währungsunion) statt einer "Krönungstheorie" (Währungsunion
als Abschluß einer geglückten politischen Union) den Vorzug gegeben hat.
Bittere Kritik wendet sich in diesem und anderen Zusammenhängen gegen
den politischen Prozeß, mit dem die Einführung der Währungsunion unter
Mißachtung demokratischer Informations- und Entscheidungsprozesse durchgepeitscht
wurde. Diese Vorwürfe kommen von politischer Seite (Liesel Hartenstein)
ebenso wie von diversen Ökonomen (z.B. Hasse, Starbatty). In einigen Beiträgen
liegt das Gewicht eher auf der Frage, mit welchen Problemen der - bereits
beschlossene - EURO in Zukunft unter alternativen Bedingungen als stabile
Währung und als Reservewährung zu rechnen hat (Rürup, Heinsohn und Steiger,
Kollatz). Von Interesse sind auch Beiträge über die EURO-Frage aus nicht-deutscher
Sicht: Fand (USA), Marsh (UK) und Socher (Österreich).
Diese Andeutungen müssen genügen, um eine ungefähre Vorstellung von den
Beiträgen des ersten Abschnitts zu vermitteln. Es wurde schon gesagt,
daß es ich dabei nicht um eine allumfassende Darstellung der EURO-Problematik
handelt, sondern um eine - offen eingestandene - Stellungnahme mit Schlagseite
in Richtung Hankel und "Genossen". Das heißt, daß nicht nur EURO-Phlegmatiker
und "EURO-phoriker" nicht zu Worte kommen, sondern auch jene EURO-Skeptiker
ausgeblendet bleiben, welche die derzeitige Einführung des EURO unter
Maastricht-Vorzeichen aus genau den umgekehrten Gründen als die der vorliegenden
Autoren kritisieren. Während im Buch allein die fundamental "deutsche
Angst" vor dem Verlust der DM-Stabilität zu Worte kommt und Fragen der
Auswirkungen des Maastricht-Programms insbesondere auf die Beschäftigungsstabilität
in typisch neoliberaler Weise kaum thematisiert werden, sind es gerade
diese Aspekte, welche anderen EURO-Skeptikern gegenwärtig Sorge bereiten.
Es ist diese andere Richtung und ihre Betonung realwirtschaftlicher Ziele,
welche manchen Autoren des Buches Angst vor einer zu weichen EURO-Politik
macht, so wenn zum Beispiel Hasse den Amsterdamer Vertrag und die Einführung
von Beschäftigungszielen als "Verrat" am Maastricht-Vertrag ansieht oder
Starbatty die Beschäftigungsphilosophien von Franzosen, Sozialdemokraten,
Grünen und Keynesianern attackiert. Wie bereits erwähnt enthält die zweite
Hälfte des Buches eine etwas breiter gestreute Sammlung interessanter
Beiträge zu währungspolitischen und weltwirtschaftlichen Fragen, deren
Inhalt sich nicht auf einen Nenner bringen läßt. Alles, was hier im engen
Rahmen einer Rezension getan werden kann, ist ein Hinweis auf die behandelten
Themengruppen ohne näher auf deren recht detaillierte Inhalte einzugehen.
Neun der vierzehn Beiträge dieses Abschnitts befassen sich mit Währungs-
und Finanzfragen, zum Teil aus vorwiegend theoretischer Sicht (Riese,
König mit Dornau und Schröder), zum Teil aus historischer und aktueller
Sicht. Besonders erwähnenswert erscheinen mir (aus subjektiver Sicht)
eine sehr ausführliche Studie von Jochimsen über die Rolle, welche ein
regional stabiler EURO zur Stabilisierung der "wild" gewordenen internationalen
Währungs- und Finanzszene beitragen könne, eine engagierte Kritik eben
dieser "wilden" Szene durch Lehner ("Spekulation statt Produktion - Was
treibt den modernen Kapitalismus?"), eine sehr anregende Diskussion von
Kotz über den "clash of cultures" zwischen amerikanischer Transaktionsorientierung
und europäischer Bankenintermediation, sowie eine ausführliche Studie
von Nölling "Über die 'Angst' der Amerikaner vor dem EURO". In diesem
letzteren Beitrag findet sich die interessante kritische Bemerkung, daß
die durch EU-Verfassungsrang ausgestattete Rigidität und Unabhängigkeit
der Europäischen Zentralbank die Folge eines "'Nachbaus' einer auf die
Spitze getriebenen Bewunderung für das Vorgängermodell 'Bundesbank'" sei
(S.345. Hervorhebung von mir, KWR). Von den restlichen fünf Beiträgen
des zweiten Teils beschäftigen sich drei mit politischen, rechtlichen
und ökonomischen Fragen der Entwicklungsländer und je einer mit der Finanzierungsrechnung
der Bundesbank und Problemen ihrer Interpretation sowie mit der Erfolgsgeschichte
der Mitteleuropäischen Handelsbank. Ich hoffe, daß diese geraffte Rezension
erkennen läßt, daß es sich im vorliegenden Fall um ein interessantes und
lesenswertes Werk handelt, das dem Jubilar zur Ehre gereicht. Dieses Urteil
wird nicht geschmälert, wenn ich nun zum Abschluß beckmesserisch zwei
kleine Bemerkungen hinzufüge. Rein formal wäre es "ästhetischer", wenn
die Zitierweise einheitlich statt von Aufsatz zu Aufsatz verschieden wäre,
und inhaltlich hätte manches dafür gesprochen, die Aufsätze in ihrem sachlichen
Zusammenhang statt in alphabetischer Folge der Autoren zu reihen. Aber
wie gesagt: Never mind!
Kurt W. Rothschild
Wien
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