Politik und
Gesellschaft Online International Politics and Society 3/2001 |
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Julia Kuschnereit
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Anreizsystem
|
Positiv |
Negativ |
|
Instrument |
Tarifär
(Zoll) |
Nichttarifär
(z.B. Mengenbeschränkung) |
|
Reichweite
|
Produktbezogen |
Branchenbezogen |
Volkswirtschaftsbezogen |
Anzahl der beteiligten Handelspartner |
Unilateral |
Plurilateral |
Multilateral |
Trotz der zahlreichen Ausgestaltungsmöglichkeiten sind
handelspolitische Sozialklauseln gegen Kinderarbeit in
ihrem Wirkungsradius von vornherein begrenzt. Zumindest
produkt- und branchenbezogene Sozialklauseln richten sich
ausschließlich auf den Exportsektor. Obwohl Daten zur
Kinderarbeit im Exportsektor bisher eher anekdotisch als
systematisch erhoben wurden, ist davon auszugehen, dass
nur ein relativ geringer Teil der arbeitenden Kinder im
Exportsektor beschäftigt ist.[27]
In Exportindustrien, insbesondere in der Textil- und Teppichindustrie,
der Nahrungsmittelindustrie, in Gerbereien und der Möbelproduktion
sowie in kleineren Bergwerken und Edelsteinschleifereien
arbeiten etwa fünf Prozent aller Kinderarbeiter. Die noch
weitaus schlechter dokumentierte Kinderarbeit im landwirtschaftlichen
Exportsektor, auf Plantagen wie auf Familienfarmen, übersteigt
möglicherweise die Anzahl der im industriellen Exportsektor
arbeitenden Kinder. Fälle der Schuldknechtschaft und Zwangsarbeit
wurden besonders in der exportorientierten indischen und
pakistanischen Teppichherstellung bekannt. Häufig treten
zudem in semi-feudalen Abhängigkeitsverhältnissen auf
dem Land sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse auf, die
auch die Exportproduktion einschließen können.[28]
Darüber hinaus können Arbeiten im Exportsektor ebenso
wie in den nichtexportierenden Bereichen einen inakzeptablen
Schädigungs- und Gefährdungsgrad aufweisen, so dass sie
zu den schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu rechnen
sind. Zu denken wäre etwa an Kinder, die sich unter Lebensgefahr
in schmalste Schächte lateinamerikanischer Bergwerke zwängen,
oder Kinder, die auf Plantagen mit extrem gesundheitsschädlichen
Pestiziden arbeiten.[29]
Der Anteil schlimmster Formen der Kinderarbeit an der
Gesamtzahl der im Exportsektor angesiedelten Arbeitsverhältnisse,
lässt sich allerdings schwerlich beziffern.
Eine weitere Beschränkung ergibt sich daraus, dass
Sozialklauseln implizit von der Kontrollierbarkeit des
Produktionsprozesses ausgehen. Arbeitskontrollen sind
aber im informellen Sektor, in dem Kinderarbeit überwiegend
anzutreffen ist, kaum möglich. Die meisten Länder, insbesondere
aber die Entwicklungsländer, wären bereits mit einer umfassenden
Kontrolle des formellen Sektors überfordert. Auf den Philippinen
sind beispielsweise landesweit 200 Arbeitsinspektoren
für 400 000 Betriebe zuständig. Nicht nur aus Brasilien
und Indien ist außerdem bekannt, dass Kinder im Fall von
Arbeitsinspektionen in den Betrieben häufig versteckt
oder Beamte bestochen werden[30] Der Fokus
der handelspolitischen Sozialklauseln ist somit tendenziell
auf den formellen exportorientierten Sektor und damit
gerade nicht auf das Gros der Kinderarbeit gerichtet.
Aus ökonomischer Sicht ist der Wirkungskreis handelspolitischer
Sozialklauseln daher von vornherein begrenzt. Möglicherweise
gehen von Sozialklauseln jedoch weiterreichende Wirkungen
auf die politischen Entscheidungsträger oder die Veränderung
sozialer Normen aus. Es wäre dann zumindest denkbar, dass
sich etwaige Erfolge von Sozialklauseln auch auf den Binnensektor
ausdehnen ließen.
Soll mit Hilfe einer handelspolitischen Sozialklausel
ein Verbot der schlimmsten Formen von Kinderarbeit durchgesetzt
werden, so lassen sich einige der obigen Instrument-Kombinationen
von vornherein ausschließen. Hierzu gehören zunächst alle
Instrumente, die auf eine Belohnung
in Form tarifärer oder nichttarifärer Handelserleichterungen
im Fall der Beendigung von Kinderzwangsarbeit hinauslaufen.
So wäre beispielsweise eine produktbezogene Zollsenkung
für die Unternehmer, die endlich den Einsatz von Kinderzwangsarbeit
beenden, aus ethischen Gründen abzulehnen. Sie würde zudem
alle Unternehmen benachteiligen, die von vornherein auf
Kinderzwangsarbeit verzichteten. Eine ähnlich diskriminierende
Wirkung würde von positiven branchen- oder volkswirtschaftsbezogenen
Anreizen ausgehen.
Neben einem positiven Anreizsystem scheiden zudem alle
Instrumente aus, die Kinderzwangsarbeit lediglich „einschränken“.
Gegen einen Strafzoll
oder mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen spricht,
dass sie nicht auf die Beendigung
der schlimmsten Formen der Kinderarbeit abzielen. Diese
Instrumente verteuern lediglich die Produktion der mit
Hilfe von Kinderzwangsarbeit hergestellten Produkte oder
beschränken deren Absatz. Diskussionswürdig erscheint
damit allein ein Importverbot
für Waren, die mit Hilfe von Kinderzwangsarbeit hergestellt
wurden. Im folgenden wird daher die Wirksamkeit von produkt-,
branchen- und auf die gesamte Volkswirtschaft bezogenen
Importverboten diskutiert.
Ein produktbezogenes Importverbot würde sich unmittelbar
gegen Unternehmen richten, die ihre Exportprodukte mit
Hilfe von Kinderzwangsarbeit herstellen. Da es die Verursacher
von Kinderzwangsarbeit bestraft, könnte es theoretisch
zur Verringerung von Kinderzwangsarbeit beitragen. Außerdem
könnte ein produktbezogenes Importverbot auch auf Unternehmer
abschreckend wirken, die den Einsatz von Kinderzwangsarbeit
in der Exportproduktion noch erwägen. Eine Voraussetzung
für einen wirksamen Einsatz wäre allerdings, dass sich
möglichst alle potenziellen Importländer an dem Importverbot
beteiligen. Erhebliche Umsetzungsprobleme einerseits und
die geringe Reichweite schränken die Wirksamkeit eines
produktbezogenen Importverbotes weiter ein. So können
die Zollbehörden sowohl des Export- wie auch des Importlandes
durch bloßes Ansehen eines Produktes nicht feststellen,
ob es mit Hilfe von Kinderzwangsarbeit gefertigt wurde.
Die Identifizierung eines Produktes kann nur über den
„Absender“ erfolgen. Sowohl den Exporteuren als auch den
Importeuren werden sich aber zahlreiche Möglichkeiten
bieten, den Ursprung der Waren zu verschleiern. Die Identifizierung
wäre noch problematischer, wenn sich die Produktklausel
sinnvollerweise ebenfalls auf – zumeist auch noch im informellen
Sektor hergestellte – Vorprodukte erstreckte. Die praktische
Umsetzung eines produktbezogenen Importverbots
wäre daher bestenfalls in Kooperation mit lokalen Akteuren,
beispielsweise Menschenrechtsorganisationen oder Gewerkschaften
denkbar. Dies gilt für die Aufdeckung der Kinderzwangsarbeit,
die Identifizierung der Produkte beziehungsweise der Unternehmer,
die von den schlimmsten Formen der Kinderarbeit profitieren,
und nicht zuletzt für die Notwendigkeit, den missbrauchten
Kindern nach ihrer Befreiung wirksam zu helfen.
Ein branchenbezogenes Importverbot trifft alle Unternehmen
einer Branche gleichmäßig. Aus Sicht des sanktionierenden
Landes unterbindet es somit auch den Import aller mit
Hilfe von Kinderzwangsarbeit hergestellten Produkte dieser
Branche. Branchenbezogene Importverbote können daher zur
Eliminierung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit beitragen.
Ihre Zielwirksamkeit nimmt zu, wenn Kinderzwangsarbeit
in einer exportorientierten Branche weit verbreitet ist
oder die Branchenmitglieder in der Lage sind, Druck auf
ihre Branchenkollegen auszuüben.
In der Regel sind es einzelne kriminelle Arbeitgeber, die von den schlimmsten Formen
der Kinderarbeit profitieren, und nicht die Unternehmer
einer ganzen Branche oder gar der gesamten Volkswirtschaft.
Dies gilt selbst für so berüchtigte Sektoren wie die indische
und die pakistanische Teppichbranche.[31]
Auch wenn nur in Ausnahmefällen eine ganze Branche Kinder
in schlimmster Art und Weise ausbeutet, haften im Fall
eines branchenbezogenen Importverbots alle Mitglieder
der Branche gleichmäßig. Je höher die zu erwartenden Exportverluste
liegen, um so stärker könnte der Druck auf die „schwarzen
Schafe“ – seitens sowohl der übrigen Branchenmitglieder
als auch der Regierung – ausfallen. Die Höhe der Absatzverluste
ist jedoch entscheidend von der Anzahl und der handelspolitischen
Bedeutung der sanktionierenden Parteien abhängig. Generell
nimmt die Reichweite einer Sozialklausel mit der Anzahl
der beteiligten Handelspartner zu, so dass der Wirkungsgrad
multilateraler Importverbote höher ist als der pluri-
oder gar unilateraler. Solange auf alternative Handelspartner
ausgewichen werden kann, bleibt die Wirksamkeit eines
Importverbots begrenzt. Gegenüber einem produktbezogenen
Importverbot entfallen bei einem branchenbezogenen Importverbot
die enormen Schwierigkeiten der Produktidentifizierung.
Dennoch stellen sich auch hier Umsetzungsfragen: Zu klären
wäre etwa, ab welchem Ausmaß an Kinderzwangsarbeit einsetzenden
Unternehmen in einer Branche ein Importverbot zum Einsatz
kommen soll und welche Bedingungen für seine Wiederaufhebung
erfüllt sein müssen.
Ein Importverbot, das sich auf die gesamte Volkswirtschaft
erstreckt, ist eine Handelssanktion, die zwischen der
Normverletzung und einzelnen Exportprodukten keinen direkten
Zusammenhang mehr aufweist.[32] Angemessen
ist die Diskussion eines so erheblichen Eingriffes überhaupt
nur im Falle der nachweisbar anhaltenden Ignoranz der
politischen Entscheidungsträger gegenüber den schlimmsten
Formen der Kinderarbeit.
Generell steigt die Wirksamkeit von Sanktionen, wenn
ihre Ziele klar umrissen und Ausdruck internationaler
Normen sind.[33]
Mit der Abschaffung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit
würde ein solches vergleichsweise klares Ziel vorliegen,
das zudem auf mehreren internationalen Konventionen basiert.
Der Wirkungsgrad einer Handelssanktion erhöht sich, wenn
sie in eine umfassende Isolierung des betroffenen Landes,
also beispielsweise in ein allgemeines Verkehrs - und
Finanztransaktionenverbot eingebettet ist. Allerdings
hängt die ökonomische Verwundbarkeit des sanktionierten
Landes von zahlreichen Faktoren ab, unter anderem
der Anzahl und handelspolitischen Bedeutung der
sanktionierenden Handelspartner, der Größe des Landes
und seiner Außenhandelsverflechtung. Sanktionen benötigen
außerdem Zeit „to trickle up“. Die Erfahrungen mit Südafrika
und Haiti zeigen, dass eine machtvolle nationale Opposition
und eine einflussreiche Wirtschaftslobby, die die Auswirkungen
von Handelssanktionen zügig spürt, den innenpolitischen
Druck auf die Regierung des sanktionierten Landes beträchtlich
erhöhen.[34]
Im besten Falle reicht dann bereits die Androhung
von Handelssanktionen für die gewünschte Politikveränderung
aus. Handelssanktionen können aber auch kontraproduktiv
wirken, wenn sie bei der Bevölkerung ein „Opferbewusstsein“
erzeugen und der „Zusammenhalt gegen den äußeren Feind“
von innenpolitischen Themen – und dem Sanktionsgrund –
ablenkt. Ob dieser Effekt eintritt, hängt maßgeblich von
der nationalen Informationspolitik ab, einschließlich
dem Grad der Medienfreiheit und den Kommunikationsmöglichkeiten
der sanktionierenden Parteien.
Nicht zuletzt beruht die Logik von Handelssanktionen
auf der fragwürdigen Annahme gleichermaßen rationaler
wie handlungsfähiger politischer Entscheidungsträger.
Meistens dürfte es jedoch ein „schwacher Staat“ sein,
der Kinderzwangsarbeit in größerem Ausmaß duldet oder
ignoriert. Länder in denen sich politische Machthaber
selbst an den schlimmsten Formen der Kinderausbeutung
beteiligen – wie der Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten
– sind nicht selten vom Staatszerfall gekennzeichnet –
eine Situation, in der die politische Reaktion auf eine
Handelssanktion vollends unvorhersehbar ist. Auch in Anbetracht
der bisherigen Erfahrungen mit dem Einsatz von Handelssanktionen
ist hinsichtlich ihrer potenziellen Wirksamkeit Skepsis
angebracht. Das Ziel der Beseitigung der schlimmsten Formen
von Kinderarbeit wäre zwar hinreichend spezifiziert und
international legitimiert. Die diskutierten Wirkungszusammenhänge
machen aber deutlich, wie stark die Erfolgsaussichten
von den jeweiligen landesspezifischen Ausgangsbedingungen
abhängen.
Je effektiver negative Sozialklauseln ein pauschales Kinderarbeitsverbot durchsetzen
helfen, um so größer ist die Gefahr, dass die Kinder in
die „nächstschlechtere“ Alternative gedrängt werden. Dieser
unmittelbar aus den obigen Ausführungen zu den Wirkungen
eines Kinderarbeitsverbotes ableitbare Effekt wird durch
die Empirie bestätigt.[35]
In den neunziger Jahren waren in der Textilindustrie in
Bangladesch etwa 750.000 Frauen und Mädchen – etwa 10
Prozent von ihnen unter 14 Jahren – beschäftigt. Die Bangladesh
Garment Manufacturers and Exporters Association befürchtete
– nachdem im US-Senat ein Gesetzvorschlag zum Importverbot
von mit Kinderarbeit hergestellten Produkten (Harkin Bill)
eingebracht worden war – einen bilateralen oder sogar
internationalen Handelsboykott. Unter ihrem Druck wurden
Anfang 1993 Massenentlassungen von insgesamt ca. 55.000
Kinderarbeiterinnen vorgenommen. Eine von UNICEF und ILO
gemeinsam durchgeführte Nachfolgestudie zeigt deutlich
die negativen Konsequenzen. Nicht eines der befragten
Kinder war zur Schule zurückgekehrt, die Hälfte hatte
eine andere Beschäftigung gefunden – im informellen Sektor
und auf der Straße, in Haushalten und auch in der Prostitution.
Die andere Hälfte suchte aktiv Arbeit. Die Kinder, die
noch immer in einer Textilfabrik beschäftigt waren, waren
gesünder und besser ernährt als die entlassenen Kinder.
Neben den unmittelbaren,
für die Kinder negativen Wirkungen sind von Sozialklauseln
gegen Kinderarbeit auch weiterreichende, mittelbare
Effekte zu erwarten. Positive Wirkungen können möglicherweise
dann auftreten, wenn Sozialklauseln zur Diskussion und
Problematisierung der Kinderarbeit und damit zur Veränderung
sozialer Normen beitragen. Umgekehrt können Sozialklauseln
aber auch den „nationalen Widerstand“ gegen ausländische
Drohungen und Vorgaben wecken. So führte die „Kampagne
gegen Kinderarbeit in der Teppichindustrie“, die von einem
Bündnis verschiedener NGOs in Deutschland initiiert wurde,
zwar dazu, dass die indische Regierung umfangreichere
Eigenmittel zur Bekämpfung der Kinderarbeit in ihrem Haushalt
einplante. Auslöser war allerdings nicht die Überzeugung
von der Richtigkeit der Kampagne oder die Furcht vor ihren
wirtschaftlichen Konsequenzen, sondern die Empörung über
die als „neokoloniale Einmischung“ interpretierten Aktivitäten.
Die politische Reaktion ging sogar bis zum Abbruch international
geförderter Kinderhilfsprogramme wie dem von Deutschland
unterstützten Child Labour Action and Support Programme
(CLASP) und dem International Programme on the Elimination
of Child Labour (IPEC) der ILO.[36]
Es dürfte generell schwierig sein, den Nettoeffekt solcher
ambivalenten politischen Reaktionen auf die Situation
der Kinder vorherzusagen.
Internationaler Handel muss nicht, kann aber zu wirtschaftlicher
Entwicklung beitragen. Sanktionierende Sozialklauseln
sind Handelshemmnisse, die sich negativ auf den Umsatz
des Exportsektors und auf die gesamte Volkswirtschaft
auswirken können. Die Stärke ihres Effektes hängt u.a.
von der Ausgestaltung und der Reichweite des jeweiligen
handelspolitischen Instrumentariums ab. So wäre von einem
produktbezogenen
Importverbot gegen Kinderzwangsarbeit ein im Vergleich
zur gesamten Volkswirtschaft verschwindend kleines Segment
betroffen, aus dessen zielgenauer Sanktionierung keine
signifikanten gesamtwirtschaftlichen Nachteile zu erwarten
sind. Eine produktbezogene
Sozialklausel zur Durchsetzung eines Mindestalters dagegen
würde nicht nur den Handlungsspielraum der Kinder einschränken.
Quantitativ wären weitaus mehr Unternehmen betroffen als
im Fall der Kinderzwangsarbeit. Diese hätten zumindest
kurzfristig Umsatzeinbußen und Kostensteigerungen infolge
der Produktionsumstellung zu tragen. Nachteilig würden
sich auch Transaktionskosten – Informationskosten bezüglich
der Funktionsweise, Verschleierungskosten im Falle einer
Umgehung des Kinderarbeitsverbotes – auswirken.
Je größer die Reichweite der Sozialklausel ist, desto
eher trifft sie Unbeteiligte und ist ungerecht. Gleichzeitig
wachsen die gesamtwirtschaftlichen Nachteile. Von branchenbezogenen
Sozialklauseln wären daher nicht nur vergleichsweise
viele Unternehmen in ihren Exportmöglichkeiten beschnitten.
Je nach dem Anteil des betroffenen Sektors an der nationalen
Wertschöpfung könnte eine branchenbezogene Sozialklausel
auch die gesamte Volkswirtschaft eines Landes in Mitleidenschaft
ziehen. Nachteilig wäre zudem der zu erwartende Rückgang
der Direktinvestitionen, wenn (potenzielle) ausländische
Investoren Exportbeschränkungen befürchten. Noch weitaus
gravierendere humanitäre und wirtschaftliche Auswirkungen
gehen von Handelssanktionen
aus. Ein multilaterales Importverbot für Waren aus dem
sanktionierten Land würde nicht nur alle Exporteure dieses
Landes treffen, sondern auch die Hersteller von Vorprodukten
im Binnensektor. Handelssanktionen beschränken sich zudem
in der Regel auch nicht auf ein Importverbot, sondern
sanktionieren ebenfalls den Export in das sanktionierte
Land. Im Falle einer hohen Außenhandelsabhängigkeit würden
so nahezu alle Sektoren der Volkswirtschaft in Mitleidenschaft
gezogen. Langfristig können Sanktionen die Entwicklung
eines Landes ernsthaft behindern, indem sie Kapitalflucht,
Ressourcenzerstörung, Korruption, Schwarzmärkte und den
Niedergang kleiner Unternehmen begünstigen.[37]
Während politische Machthaber erfahrungsgemäß Mittel und
Wege zu den von ihnen gewünschten Importgütern finden,
lastet der Devisenmangel am stärksten auf den Armen, denen
dringend benötigte Nahrungsmittel und Medikamente vorenthalten
werden.
Die Möglichkeiten eines missbräuchlichen Einsatzes[38] von
Sozialklauseln steigen, je mehr von ihrer transparenten
und multilateralen Ausgestaltung abgewichen wird. Eine
Untersuchung der 1984 im Allgemeinen Präferenzzollsystem
der USA verabschiedeten Sozialklausel bestätigt die Missbrauchsgefahr,
die unilateral eingesetzten Sozialklauseln innewohnt.
Zweifelsfrei wurde der Einsatz der Sozialklausel nicht
nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung, sondern entsprechend
den jeweiligen innenpolitischen Kräfteverhältnissen und
dem außenpolitischen Kalkül des U.S.-Präsidenten beschlossen.[39]
Wenn sich produktbezogene Sozialklauseln
auf den relativ engen Sachverhalt der Kinderzwangsarbeit
beziehen, lassen sie sich kaum protektionistisch missbrauchen.
Im Fall eines pauschalen Kinderarbeitsverbots erhöht sich
indessen der Spielraum für eine willkürliche Interpretation
der Normverletzung. Wenn sich darüber hinaus die Bemessungsgrundlage
von einzelnen Produkten auf Branchen verlagert, wächst
der Anreiz, Normverstöße aus Eigeninteresse zu reklamieren.
Die potenziellen Gewinne und damit die Versuchung einer
protektionistisch motivierten Instrumentalisierung von
branchenbezogenen
Sozialklauseln ist dabei um so größer, je stärker
wirtschaftlich gefährdete Branchen des sanktionierenden
Landes Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen
können. Das protektionistische Potenzial von Handelssanktionen ist demgegenüber niedriger
einzuschätzen. Handelssanktionen wecken nicht nur den
Widerstand der Sanktionierten, sondern wirken sich auch
im sanktionierenden Land negativ auf Konsumenten und auf
Unternehmen aus, die auf importierte Vorprodukte angewiesen
sind. Auf der anderen Seite profitieren allein die importkonkurrierenden
Branchen von der Handelssanktion. Diese vergleichsweise
wenigen Nutznießer hätten in Folge des zu erwartenden
Widerstands gegen eine Handelssanktion relativ hohe Durchsetzungskosten
zu tragen. Für sie würde es sich daher eher lohnen, auf
die Durchsetzung eines branchenbezogenen Importverbotes
als auf eine Handelssanktion hinzuwirken.
Tendenzielle
Wirkungen eines Importverbotes für mit Hilfe von Kinderzwangsarbeit
hergestellte Waren
Art des Importverbotes |
Aussicht auf Verbesserung der Situation
arbeitender Kinder |
Reichweite |
Umsetzungs-schwierigkeiten |
Entwicklungs-hemmende Nebenwirkungen |
Protektionistisches Potenzial |
Produktbezogen |
Mittel
bis Hoch |
Gering |
Hoch |
Vernachlässigbar |
Vernachlässigbar |
Branchenbezogen |
Mittel
bis Hoch |
Mittel |
Mittel |
Mittel |
Mittel
bis Hoch |
Handelssanktion |
Fragwürdig |
Hoch |
Mittel |
Hoch |
Mittel |
Tendenzielle
Wirkungen eines Importverbotes zur Durchsetzung eines
Beschäftigungsmindestalters gemäß der ILO-Konvention Nr.
138
Art des Importverbotes |
Aussicht auf Verbesserung der Situation
arbeitender Kinder |
Reichweite |
Umsetzungs-schwierigkeiten |
Entwicklungs-hemmende Nebenwirkungen |
Protektionistisches Potenzial |
Produktbezogen |
Fragwürdig
bis Negativ |
Gering |
Hoch |
Gering
bis Mittel |
Gering
bis Mittel |
Branchenbezogen |
Fragwürdig
bis Negativ |
Mittel |
Mittel |
Mittel
bis Hoch |
Mittel
bis Hoch |
Handelssanktion |
Fragwürdig
bis Negativ |
Hoch |
Mittel |
Hoch |
Mittel |
Im März 2000 forderte der ICFTU auf seinem 17. Weltkongress „... a series of practical steps to incorporate enforceable
core labour standards into concrete actions by the WTO
to reinforce rather than undermine universal ILO standards.“[40] Der ICFTU schlug vor, dass
die Welthandelsorganisation unter Einbezug der ILO eine
Arbeitsgruppe zur Erforschung des Zusammenhangs zwischen
der Verletzung von Kernarbeitsrechten und dem internationalen
Handel einsetzen soll. Die Verletzung der fünf Kernarbeitsstandards
sowie der Konvention Nr. 182 müssten weiterhin von der
ILO – entsprechend ihrem eigenem Kontrollmechanismus –
festgestellt werden. An der WTO sei es dann, diese Normen
anzuerkennen und im Falle ihrer Verletzung in einem eigenen
Rechtsakt den Einsatz konkreter Maßnahmen zu beschließen.
Dabei sei positiven Anreizen der Vorrang gegenüber Handelssanktionen
einzuräumen. Registriert die ILO Verstöße gegen die Kernarbeitsnormen,
so ist das betreffende Land verpflichtet, einen Aktionsplan
aufzustellen, dessen Eignung und Einhaltung WTO und ILO
zu prüfen hätten und der durch internationale technische
und finanzielle Hilfsmaßnahmen zu unterstützen ist. Erst
wenn auch nach mehrmaliger Aufforderung kein solcher Aktionsplan
aufgestellt oder dieser nicht eingehalten wird, sollen
WTO und ILO in Anknüpfung an die Anti-Dumping-Bestimmungen
der WTO Handelssanktionen empfehlen.
Eine erste Schwäche des Sozialklausel-Vorschlages der
ICFTU besteht im Überwachungsverfahren der ILO. Dieses
Kontrollsystem beruht auf einem von den Regierungen selbst
einzureichenden Länderreport und der Stellungnahme der
wichtigsten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände. Nur
ein Bruchteil dieser häufig unvollständigen Berichte erreicht
die ILO pünktlich, so dass eine fundierte Bewertung häufig
kaum möglich ist.[41]
Je stärker Gewerkschaftsrechte in einem Land unterdrückt
werden, um so schwieriger ist die Beschwerdeführung der
Arbeitnehmerverbände, was zu einer verzerrten Darstellung
beiträgt. Abgesehen von dem Vorrang positiver vor negativen
Anreizmechanismen weist die ICFTU die Ausgestaltung der
geforderten Sozialklausel in Gänze der WTO zu. Theoretisch
können die geforderten handelspolitischen Anreize zweierlei
beinhalten: die Einräumung von Handelsvorteilen oder aber
– wie bereits in den unilateralen Allgemeinen Präferenzabkommen
der USA und der EU verankert – die Verweigerung bestehender
Handelspräferenzen.
Hinsichtlich der schlimmsten Formen von Kinderarbeit wurde die ethische Fragwürdigkeit
einer handelspolitischen Vorteilsgewährung bereits aufgezeigt.
Allein aufgrund ihrer impliziten Diskriminierung aller
Unternehmen, Branchen oder Länder, die von vornherein
auf Kinderzwangsarbeit verzichten oder von sich aus die
schlimmsten Formen der Kinderarbeit bekämpfen, verbietet
sich ein Einsatz positiver Anreize. Präferenzverweigerungen
dagegen sind – entgegen der offiziellen Diktion – negative Sozialklauseln
mit der Wirkung eines Strafzolls. Gegen einen Strafzoll oder eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung spricht
aber, dass sie nicht auf die Beendigung
der schlimmsten Formen der Kinderarbeit abzielen. Negative Sozialklauseln schlägt die ICFTU als
„letztes einzusetzendes Mittel“ vor. Im Lichte der obigen
Analyse kann allein ein produktbezogenes und – nach Abwägung
der potenziellen Nebenwirkungen – ein branchenbezogenes,
möglichst multilaterales Importverbot für Waren, die unter
Einsatz von Kinderzwangsarbeit produziert wurden, empfohlen
werden. Der Sozialklauselvorschlag bezieht sich jedoch
auf die ILO-Konvention Nr. 138 und bevorzugt weder multilaterale[42]
noch produkt- oder branchenbezogene Sozialklauseln.
Die von der ICFTU empfohlenen positiven Handelsanreize sind erwägenswert,
wenn sie nicht – wie geplant – auf die Durchsetzung eines
pauschalen Kinderarbeitsverbotes abzielen, sondern Bemühungen um die Bekämpfung
der Ursachen von Kinderarbeit unterstützen. Zunächst
wäre ein Indikator zu finden, der die Eigenanstrengungen
der Länder bei der Bekämpfung der Ursachen von Kinderarbeit,
unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Möglichkeiten,
anzeigt. Die Unterschiede im Ausmaß und den Ursachen von
Kinderarbeit einerseits und dem haushaltspolitischen Spielraum
der Länder andererseits erschweren allerdings die Suche
nach einem allgemeingültigen und gerechten Maßstab. In
einem zweiten Schritt müssten wirksame Handelsanreize
gefunden werden, die sich für eine selektive Bevorzugung
einzelner Länder eignen, ohne die übrigen Länder allzu
stark zu benachteiligen. Das Allgemeine Präferenzsystem
(APS) der EU enthält seit Anfang 1998 positive Umwelt-
und Sozialklauseln. Demnach können Länder, in denen die
ILO-Konventionen zur Gewerkschafts- und Verhandlungsfreiheit
(Nr. 87 und 98) und das Verbot von Kinderarbeit gemäß
der Konvention Nr. 138 eingehalten werden, in den Genuss
weiterer Zollreduzierungen kommen. Bisher wurde diese
Präferenzgewährung lediglich von vier Ländern (Russland,
Moldawien, Georgien und der Ukraine) beantragt, was daran
liegen dürfte, dass der in Aussicht gestellte relative
Zollvorteil – bedingt durch die bereits niedrigen APS-Zölle
– so niedrig ausfällt, dass sich der hohe bürokratische
Aufwand für seine Beantragung kaum lohnt. Substanziellere
Handelsanreize müssten daher über diese relativ geringen
Zollvorteile hinausgehen und beispielsweise die Aufhebung
nichttarifärer Handelhemmnisse einschließen.
Prinzipiell sollte über eine Kopplung positiver Handelsanreize an die nationalen
Eigenanstrengungen im Kampf gegen die Ursachen von Kinderarbeit
weiter nachgedacht werden. Angesichts der erwartbaren
Quantifizierungs-, Bewertungs- und Kontrollprobleme ist
jedoch auch abzuwägen, ob nicht die Einführung konditionierter positiver Handelspräferenzen
möglicherweise ein relativ kostspieliger Umweg
ist.
Für ein wirkungsvolleres Engagement stehen der internationalen
Gemeinschaft zahlreiche Wege offen. Die „first-best-Lösung“
wäre eine verstärkte finanzielle und technische Zusammenarbeit
mit der ILO als diesbezüglich kompetentestem „think tank“
und die Unterstützung reformwilliger Regierungen und/oder
lokaler Akteure und Kinderhilfsorganisationen. Aus handelspolitischer
Sicht ist die unkonditionierte
Beseitigung bestehender Handelshemmnisse ein weites
Betätigungsfeld.[43]
Die Marktzutrittsschranken, denen sich die Entwicklungsländer
auf den Märkten der Industrieländer gegenübersehen, umfassen
u.a. den immer noch massiven Agrar- und Textilprotektionismus,
die Praxis der Zolleskalation, protektionistische Subventionsstrategien,
die Ursprungslandregel und die Erhebung von Sondersteuern
auf ausschließlich aus Entwicklungsländern importierte
Produkte.[44]
Im
neuesten Weltentwicklungsbericht beziffert die Weltbank
die Verluste der Entwicklungsländer allein aufgrund der
Zolleskalation auf 19,8 Mrd. US-Dollar.[45]
Besonders kritisch ist auch der Einsatz von Anti-Dumping-Maßnahmen
und Schutzklauseln[46] für das Markterschließungspotenzial
der Entwicklungs- und insbesondere der Schwellenländer.
Der Protektionismus der Industrieländer schränkt die Wachstumschancen
der Entwicklungsländer nicht nur generell ein. Er verringert
auch ihren Haushaltsspielraum zur Bekämpfung der Armut
und für Investitionen in das Bildungssystem und damit
zur Beseitigung der beiden Hauptursachen der Kinderarbeit.[47]
In der letzten abgeschlossenen WTO-Verhandlungsrunde
in Uruguay verpflichteten sich die Industrieländer, in
den Entwicklungsländern, speziell in den am wenigsten
entwickelten Ländern, technische Hilfe zu leisten und
Anti-Dumping-Maßnahmen sowie die Anwendung von Schutzklauseln
zurückhaltend oder nur unter bestimmten Umständen anzuwenden.
Diese Verpflichtungen sind lobenswert, da sie auf den
Abbau von Handelsbarrieren ausgerichtet sind beziehungsweise
darauf abzielen, den ärmsten Ländern eine Teilnahme am
internationalen Handel überhaupt erst zu ermöglichen.
Kritikwürdig ist allerdings, dass die genannten Begünstigungen
überwiegend den am wenigsten entwickelten Ländern gewährt
werden (sollen), während sich Schwellenländer und Entwicklungsländer
der mittleren Einkommenskategorie nach wie vor einem Arsenal
nichttarifärer Handelshemmnisse gegenübersehen. Gerade
die Schwellenländer sind aber auf ein liberales Handelsregime
angewiesen, um ihre exportbasierten Entwicklungserfolge
ausbauen zu können. Demgegenüber nützt den ärmsten Ländern,
die aus eigener Kraft kaum in der Lage sind, exportfähige
Produkte herzustellen, der Abbau von Handelshemmnissen
wenig. Sie sind vielmehr dringend auf technische und finanzielle
Hilfe angewiesen. Die Entwicklungsländer der mittleren
Einkommenskategorie benötigen sowohl ein liberales Handelsregime
als auch Handelshilfe, etwa zur nachhaltigen Sicherung
ihrer Marktanteile.[48]
Es wäre den Entwicklungsländern sehr geholfen, wenn
die Industrieländer ihre Verpflichtungen aus der Uruguay-Runde
ernst nähmen und den weitgehenden Verzicht auf Anti-Dumping-Maßnahmen
und Schutzklauseln auch auf Entwicklungsländer der mittleren
Einkommenskategorie und Schwellenländer ausdehnten und
den ärmsten Ländern eine verstärkte technische und finanzielle
Unterstützung verbindlich
zusicherten. Mit einer Handelspolitik, die eine stärkere
Partizipation der Entwicklungsländer im Welthandel ermöglicht,
würden die Industrieländer indirekt auch zur Reduktion
der Kinderarbeit beitragen.
Sozialklauseln, die als Mittel zur Durchsetzung eines
pauschalen Kinderarbeitsverbotes gemäß ILO-Konvention
Nr. 138 eingesetzt werden, tragen nicht zur Verbesserung,
sondern eher zur Verschlechterung der Situation arbeitender
Kinder bei. Unabhängig von dem üblichen Protektionismusvorwurf
erklärt sich dieser Effekt vor allem aus den Ursachen
von Kinderarbeit. Wenn sich wohlmeinende Eltern sich dafür
entscheiden, ihre Kinder arbeiten zu lassen, liegen die
Ursachen vor allem in einem Mangel an zukunftsträchtigen
Bildungsangeboten und fehlenden Möglichkeiten der Einkommenserzielung.
Ein durch Sozialklauseln durchgesetztes Kinderarbeitsverbot
verringert ohne die illusorische, da zeitgleich erforderliche Schaffung
von Alternativen letztlich den Handlungsspielraum der
Kinder und ihrer Familien.
Anders ist ein Verbot der „schlimmsten Formen der Kinderarbeit“ zu bewerten, wie sie seit Juni 1999 in der ILO-Konvention Nr. 182 definiert sind. Die dort bezeichneten Ausbeutungsverhältnisse basieren größtenteils auf der völligen Missachtung der Kindesinteressen, so dass die Durchsetzung dieser ILO-Konvention eine Minimalbedingung ist, um die Lebenssituation der Kinder zu verbessern. Produkt- und branchenbezogene, möglichst multilaterale Importverbote können zur Verringerung dieser schlimmsten Ausbeutungsverhältnisse beitragen. Sie empfehlen sich besonders, wenn erwartet werden kann, dass ihr Einsatz lokale Akteure in ihrem Kampf gegen Kinderzwangsarbeit unterstützt. Die Wirksamkeit eines produktbezogenen Importverbots wird allerdings durch seine relativ geringe Reichweite und seine hohen Umsetzungsschwierigkeiten eingeschränkt. Andererseits gehen von ihm aber keine negativen Nebenwirkungen aus. Branchenbezogene Importverbote weisen aufgrund ihrer größeren Praktikabilität einen höheren Wirkungsgrad auf. Bei ihnen muss aber unter Umständen mit erheblichen negativen Nebenwirkungen gerechnet werden. Handelssanktionen sind angesichts ihrer ungewissen Wirkung und ihrer gravierenden humanitären und wirtschaftlichen Auswirkungen abzulehnen.
Zur Verbesserung der Situation arbeitender Kinder können
handelspolitische Sozialklauseln nur begrenzt und nur
unter bestimmten Bedingungen beitragen. Im unbedingten
Interesse der Kinder liegt es dagegen, dass die internationale
Gemeinschaft ihre Ressourcen vermehrt für eine direkte
Bekämpfung der Ursachen von Kinderarbeit
einsetzt. Neben der verstärkten finanziellen und technischen
Zusammenarbeit mit der ILO und reformwilligen Akteuren
in den Entwicklungsländern kann hierfür eine Handelspolitik
dienen, die die Exportchancen der Entwicklungsländer erweitert
und damit den Spielraum für die Bekämpfung der Ursachen
von Kinderarbeit erhöht.
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* Für wertvolle kritische Anmerkungen danke ich
Margareta E. Kulessa.
[1]
Die Schätzung basiert auf Haushalts- und Firmenbefragungen
in ausgewählten Distrikten Indiens, Ghanas, Indonesiens
und dem Senegal. Vgl. ILO (1996), S.7.
[2]
Vgl. Ennew, J./ Milne, B. (1991), S. 23.
[3] Vgl. Basu, K. (1999), S.1085.
[4]
Die nach wie vor umfassendste Studie zu den verschiedenen
Formen von Kinderarbeit stammt von Rodgers, G. / Standing,
G. (1981).
[5] Vgl. ILO (1996), S. 7.
[6]
Dies trifft nicht auf „Straßenkinder“ zu, die im informellen
Sektor verschiedenste Arbeiten eigenständig ausführen.
[7]
Anker, R./ Melkas, H. (1996), S. 5.
[8]
Vgl. Grootaert, C./ Kanbur, R. (1995), S. 194.
[9]
Vgl. dazu die Überblicksstudie von Lloyd, C. B. (1994).
[10]
Vgl. für eine detailreiche Diskussion des Zusammenhangs
zwischen sozialen Normen und Kinderarbeit (inkl. weiterführender
Literaturverweise) Rodgers, G. / Standing, G. (1981),
S. 23-25.
[11]
Vgl. Weiner, M. (1991).
[12]
Als empirisch widerlegt gilt dagegen die verbreitete
Behauptung, dass Kinder in der Lage seien, kleinere
Knoten und damit qualitativ besonders hochwertige Teppiche
zu knüpfen. Vgl. Levison, D. et
al. (1996).
[13]Vgl.
Anker, R./ Melkas, H. (1996), S. 7.
[14]
Vgl. Anker, R. / Melkas, H. (1996), S. 8.
[15] Vgl. Basu, K. (1999), S. 1100-1102.
[16]
Ein Gleichgewicht am Arbeitsmarkt bezeichnet die Übereinstimmung
von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage. Üblicherweise
wird davon ausgegangen, dass mit steigendem Lohn das
Arbeitsangebot zunimmt, während die Arbeitsnachfrage
sinkt. Dem Modell von Basu liegt allerdings eine inverse
Arbeitsangebotsfunktion zu Grunde: Sinkt der Lohn unter
den „kritischen“ Lohnsatz, führt das nicht zum Rückgang
sondern zum Anstieg des Arbeitsangebots, da die Kinder
als zusätzliche Arbeitsanbieter auftreten.
[17]
Vgl. Anker, R. / Melkas, H. (1996), S. 9.
[18]
Anker, R./ Melkas, H. (1996), S. 10.
[19]
Darüber hinaus wird besonders von den Gewerkschaften
der Einbezug der Konvention Nr. 100 – die Beseitigung
geschlechtsspezifischer Lohndiskriminierungen – gefordert.
[20]
Der genaue Wortlaut der Konvention ist im Internet nachzulesen
unter http://ilolex.ilo.ch:1567/scripts/convde.pl?C138
.
[21]
Die übrigen vier sog. Kernarbeitsstandards hatten zum
gleichen Zeitpunkt zwischen 133 und 155 Länder ratifiziert.
[22]
Vgl. OECD (1996), S. 35.
[23]
So der Titel einer Studie der ILO: „Child Labour. Targeting the Intolerable”. (1996).
[24]
Bis Anfang diesen Jahres hatten bereits 57 Länder diese
noch junge Konvention ratifiziert. Vgl. zum Wortlaut
der Konvention http://ilolex.ilo.ch:1567/scripts/convde.pl?C182 .
[25]
Insbesondere wird immer wieder auf die geringe Durchsetzungskompetenz
der ILO hingewiesen, die sich im Großen und Ganzen auf
die Ausübung moralischen Drucks beschränkt.
[26]
Die Unterscheidung in volkswirtschafts, -branchen- und
produktbezogene Sozialklauseln führt erstmalig M.E.
Kulessa in die Diskussion ein. Vgl. Kulessa, M. E. (1995), S. 21.
[27] Vgl. U.S. Department of Labor (1994) sowie U.S. Department
of Labor (1995).
[28] Vgl. U.S. Department of Labor (1995), S. 23.
[29]
Vgl. Pollmann, U. (1995), S. 55.
[30]
Vgl. Pollmann, U. (1995), S. 87.
[31]
H. Sabet legt in seiner Studie eindringlich dar, dass
die Mehrheit der indischen Teppichproduzenten die Praxis
der Schuldknechtschaft entschieden verurteilt. Vgl. Sabet, H. (1994), S. 31ff.
[32]
Insofern wäre eine Begrenzung des Sanktionszieles auf
die Bekämpfung der Kinderzwangsarbeit
im
Exportsektor
weder notwendig noch sinnvoll.
[33] Vgl. Himes, K. R. (1997), S. 13.
[34] Vgl. Himes, K.R. (1997), S. 14.
[35]
Folgende Angaben sind entnommen aus Boyden, J./ Myers,
W. (1994).
[36]
Vgl. Haas, D. (1999), S. 101ff.
[37] Vgl. Himes, K.R. (1997), S. 14.
[38]
Ein Missbrauch besteht dann, wenn der Schutz der Arbeitnehmer
respektive der Kinder im „Süden“ als Zielsetzung nur
vorgeschoben wird, um mit Hilfe von Sozialklauseln einzelne
Unternehmen oder Branchen des sanktionierenden Landes
gegenüber Wettbewerbern zu schützen.
[39]
Vgl. Scherrer, C. / Greven, T. (1999), S. 10.
[41] Vgl. ILO (1995), S. 27.
[42]
Mit der Erweiterung der WTO-Ausnahmeregelung (Art. XX)
auf die Verletzung von Kernarbeitsstandards ließen sich
vielmehr bereits unilaterale Handelsbeschränkungen rechtfertigen. Vgl. auch Kulessa,
M. E. (1995), S. 21f.
[43]
Vgl. zu den Auswirkungen des Protektionismus der Industrieländer
auf die Entwicklungsländer beispielsweise Nuscheler,
F. (1995), S. 287ff.
[44]
Vgl. für eine ausführliche Darstellung beispielsweise
Wiemeyer, J. (1994).
[45] Vgl. World Bank (2000), S. 180.
[46]
Schutzklauseln begründen verschiedene Ausnahmen von
dem Verbot mengenmäßiger Importbeschränkungen des General
Agreement on Trade and Tariffs (GATT). Unter anderem
ist der temporäre Einsatz von Importbeschränkungen dann
erlaubt, wenn ein Vertragspartner durch die Einfuhr
von Produkten „überrascht“ wird und daraufhin die Produzenten
konkurrierender Inlandsprodukte ernsthaft gefährdet
sind. In jüngerer Zeit zeichnet sich - gerade als Reaktion
auf die Beseitigung anderer nichttarifärer Handelshemmnisse
(z.B. „freiwilliger“ Selbstbeschränkungsabkommen) ein
verstärkter Rückgriff auf Schutzklauseln wie auch auf
Anti-Dumping-Maßnahmen ab.
[47]
Inwiefern dieser Spielraum tatsächlich genutzt wird,
wäre im Fall unkonditionierter Handelserleichterungen
allerdings nicht zu kontrollieren, was unter Umständen
einen erheblichen Nachteil gegenüber konditionierten
Anreizen darstellen kann.
[48] Vgl. Menck, K.W. (1990), S. 180f.