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Politik und Gesellschaft Online
International Politics and Society 2/1999

 

Zu diesem Heft / About this issue

Gleiche Chancen für Frauen und Männer wird es ohne eine fundamentale Neuordnung des Verhältnises von Markt und Haushalt - d.h. "öffentlicher" und "privater" ökonomischer Sphäre im eigentlichen Sinn - nicht geben. Indessen ist die Dynamik des Marktes ihrerseits dabei, hier völlig neue Verhältnisse herzustellen und den bis heute wirksamen Leitbildern für Geschlechterrollen die materielle Basis zu entziehen. Im 4/1998-Heft thematisierte Elisabeth Stiefel diese Zusammenhänge unter der Perspektive der gefährdeten Schutzräume für die menschliche "Reproduktion". In diesem Heft greift die Wiener Politikwissenschaftlerin Birgit Sauer das Thema unter der Perspektive der veränderten Lebenschancen für Frauen (und Männer) wieder auf. Der Rezensionsteil offeriert zusätzliche Sichten auf diese ebenso zentrale wie vernachlässigte Frage des gewaltigen gesellschaftlichen Umbruchs, in dem wir uns befinden.

Herrschaft des Weltmarktes versus verbleibende politische Gestaltungskraft, dieser Gegensatz strukturiert nicht nur Birgit Sauers Diskussion weiblicher Emanzipationsstrategien, sondern dominiert den gesamten Globalisierungsdiskurs - auch in dieser Zeitschrift. Wiederherstellung politischer Steuerungsfähigkeit auf supranationaler Ebene ist dabei ein wichtiger Themenstrang, der am reinsten in der "Global-Governance"-Debatte zum Ausdruck kommt (siehe z.B. Dirk Messner in unserer letzten Ausgabe). Die "EU-Governance"-Debatte ist gleichsam eine regionale Variante davon. Friedrich Heinemanns Erörterung der Frage einer europäischen Steuerharmonisierung und unsere thematisch etwas weiter gefaßte "Debatte" zur Politikharmonisierung generell ordnen sich in diesen Strang ein.

Der "Governance"-Diskurs ließ eine andere wichtige Perspektive in den Hintergrund treten: Ökonomische Globalisierung findet in einem nach wie vor politisch strukturierten globalen Raum statt und erhält ihre Wirkungsmacht letztlich aus den Freiräumen, die ihr "die Politik" gewährt. Dieser Gedanke bringt nicht nur das linke Thema des Verhältnisses von Klasseninteresse und Staatshandeln ins Spiel, sondern auch das inter-staatliche Machtgefüge. Der Frankfurter Politikwissenschaftler Hans-Joachim Spanger zeigt, wie in dieser "geo-ökonomischen" Perspektive weltwirtschaftliche Strukturen zum Objekt nationaler Interessen werden - insbesondere bei den USA, die als Großmacht dem geo-ökonomischen Denken sozusagen strukturell verhaftet sind (vergleiche Czempiel in unserem Heft 2/1997). Daß Europa dagegen notorische Schwierigkeiten mit der Rolle eines weltpolitischen Gestalters hat und allenfalls dazu neigt, "nationales" Interesse in kleinlichen Bezügen zur Geltung zu bringen, macht einmal mehr der Beitrag des Ebenhausener Nahostexperten Volker Perthes zur europäischen Mittelmeerpolitik deutlich.

In dem konzeptionellen Spannungsfeld von entpolitisierendem Weltmarkt, "Global Governance" und fortgesetztem Primat staatlicher Realpolitik müssen sich nicht nur die Deuter politischen Geschehens zurechtfinden, sondern auch dessen lenkende Protagonisten. Vor diesem Hintergrund wäre der Beitrag Qingguo Jias, eines Vertreters der jüngeren akademischen Elite Chinas, zu lesen, der den außenpolitischen Lernprozess der Volksrepublik China gleichsam aus der Innensicht darstellt. Es ist die Perspektive einer heranreifenden Großmacht, die sich in eine nicht mehr als feindselig, aber durch und durch realpolitisch wahrgenommene Welt emanzipiert. Wie Jia betont, China lernt weiter. Aber keinem Staat steht die Rolle des Lehrers zu.

Während China als "global player" an Gewicht gewinnt, ist der Staatenwelt mit der Auflösung der Sowjetunion eine Vielzahl neuer Mitglieder zugewachsen, deren Einordnung noch geraume Zeit benötigt. Einige von ihnen haben das Potential, zu neuen "Mächten" zu werden. Dazu gehört die Ukraine. Andreas Wittkowskys Beitrag hilft, dieses vorerst noch recht tönerne Großgebilde zu verstehen.

Wird die Ostasien-Krise für INTERNATIONALE POLITIK UND GESELLSCHAFT zum Dauerthema? Nein, aber ILO-"Chefökonom" Eddy Lee bietet ein sehr klares Resümee der mitunter diffusen Debatte um dieses weltwirtschaftliche Schockereignis.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition juliag | März 1999