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Politik und Gesellschaft Online
International Politics and Society 2/2000


Hans R. Blumenthal

Klaus Eßer
Werner Kamppeter
Alfred Pfaller
Winfried Veit
Jan Martin Witte / Wolfgang Reinicke / Thorsten Benner

Hans R. Blumenthal:
Kolumbien: Träume vom Frieden, Realitäten des Krieges

Das 20. Jahrhundert schloß für Kolumbien, wie es begonnen hatte: im (Bürger)Krieg. Der heutige, 40 Jahre alte Konflikt zwischen fast 30.000 Guerrilleros, 6.000-7.000 Paramilitärs und 157.000 Militärs endet jedes Jahr mit 3.000 Toten, mit 1.500 Entführungen und 400 Massakern. Insgesamt wurden etwa zwei Millionen Menschen durch Gewalt vertrieben. Die Ursachen des Konfliktes sind ungelöste soziale Spannungen sowie die Delegitimierung und mangelnde Präsenz des kolumbianischen Staates in vielen Zonen des Landes. Globalisierung und Öffnung der Wirtschaft fügten neue Probleme hinzu. Die Motive von Guerrilleros und Paramilitärs sind freilich vielschichtiger. Wegen der Verbindungen zwischen Drogenökonomie und Guerrilla gilt Kolumbien in Militärzirkeln der USA heute als wesentlichstes westliches Sicherheitsproblem. Das Land erhält mit ca. 300 Millionen Dollar die drittgrößte US-Militärhilfe nach Israel und Ägypten. Seit 20 Jahren haben sechs kolumbianische Präsidenten Anstrengungen unternommen, den Konflikt zu beenden. Drei Regierungen suchten dazu den Verhandlungsweg, am eindeutigsten die derzeitige Regierung des Präsidenten Andrés Pastrana Arango (1998-2002). Nicht zuletzt wegen der Schwäche des kolumbianischen Militärs blieb ihm nur die Option von Verhandlungen mit Gegnern, deren Friedensmotivationen nicht unbedingt eindeutig sind. Aber ein bewaffneter Konflikt gilt als reif für Verhandlungen, wenn die Kosten einer Verlängerung des Konfliktes allen Beteiligten höher scheinen, als die Kosten von Verhandlungen. In diesem Sinne hat der kolumbianische Bürgerkrieg möglicherweise noch nicht die nötige Reife erlangt. Die Guerilla unterbrach den Verhandlungsprozess mehrmals und verschärfte den Krieg mit Dorfeinnahmen, Massakern und Entführungen. Aber auch eine andere, optimistischere Lesart ist möglich: Die Gespräche mit der wichtigsten Guerillagruppe, den FARC, wurden - gegen den Widerstand des Militärs - in einer den Aufständischen von der Regierung zugestandenen "entmilitarisierten Zone" geführt. Die Gegner einigten sich zum ersten Mal auf eine gemeinsame Verhandlungsagenda. Beide Seiten stimmten der Beteiligung der Zivilgesellschaft in Form öffentlicher Anhörungen zu. Sowohl die kolumbianische Öffentlichkeit als auch die US-Administration sieht heute ein, daß eine Lösung des bewaffneten Konflikts zentrale Bedingung für Erfolge im Kampf gegen die Drogenwirtschaft, für die Verbesserung der Menschenrechtssituation und für die Erholung der Umwelt ist. Auch die Notwendigkeit einer Verhandlungslösung wird weitgehend akzeptiert. Sicher scheint, daß die Überwindung des Konfliktes nicht dem klassischen Schema einer Demobilisierung, Entwaffnung und Reintegration der Guerrilla ins bürgerlichen Leben folgen wird. Vielmehr sind am Ende des Weges ein neuer "Sozialvertrag", eine föderale Neuaufteilung Kolumbiens mit starker regionaler Autonomie, die Integration der Guerrilla in neu zu bildende Streitkräfte und die Legalisierung der Guerrillavermögen zu erwarten. All dies wird sowohl erhebliche politische und finanzielle Kosten verursachen, als auch große Toleranz der Bevölkerung und der Nachbarn Kolumbiens erfordern. Sicher erscheint auch, daß der Prozeß ohne eine aktive Beteiligung der internationalen Gemeinschaft keine Chance auf Erfolg haben wird.

Klaus Eßer:
Nationalstaat und Marktwirtschaft in Lateinamerika - Chile als Vorbild?

Die wirtschaftliche Entwicklung Lateinamerikas wird bis heute fundamental durch das Fortbestehen etablierter gesellschaftlicher Machtgefüge behindert. Entscheidende Kontinuitätsbrüche, die im Entfaltungsprozeß der Industrieländer neuen Akteuren zum Durchbruch verhalfen, blieben aus. Alle wirtschaftspolitischen Paradigmenwechsel änderten nichts an der Unfähigkeit von Staat und Gesellschaft, dynamisches Unternehmertum hervorzubringen und mit wichtigen Vorleistungen zu unterstützen. Der sogenannte "Washington Consensus" blendete diese entscheidende Dimension ebenso aus wie der "Post-Washington Consensus". In diesem Kontext schaffte es Chile seit etwa 1985, seine Wirtschaft nicht nur zu stabilisieren, sondern durch die Ausweitung von Rohstoff- und rohstoffnahen Exporten zu dynamisieren. Wettbewerbsorientiertes Unternehmertum drängte das früher dominierede Rentiersverhalten in den Hintergrund. Der Staat entwickelte hinreichende Unabhängigkeit und Stärke, um die vermögenden Schichten sowohl unter wirtschaftlichen Leistungsdruck zu setzen, als auch in ihrer Leistungsfähigkeit zu stärken. Und er erwarb - nicht zuletzt wegen der bald einsetzenden wirtschaftlichen Erfolge - breite Zustimmung unter der Bevölkerung. Dennoch blieb Chile bis heute dem simplen ressourcenbasierten lateinamerikanischen Wachstumsmuster verhaftet. Um Anschluß an die Produktivkraft und damit den Wohlstand der Industrieländer zu bekommen, muß der Staat im Verbund mit der sich formierenden Zivilgesellschaft weltmarktorientierte Lernprozesse auf breiter Front in Gang setzen. Dies bezieht sich nicht nur auf produktionsbezogenes technisches Wissen, sondern auch auf die institutionelle Steuerung und Unterstützung des Wirtschaftsprozesses sowie auf grundlegende Verhaltensorientierungen. Eine einfache Imitation westlicher und asiatischer Erfolgsrezepte ist jedoch nicht möglich. An der kreativen Anpassung an die veränderten Weltmarktbedingungen führt kein Weg vorbei. Ob dieser zusätzliche Durchbruch gelingt, hängt wesentlich davon ab, ob sich die Akteursgruppen, die ein derartiges gesamtgesellschaftliches - nicht nur wirtschaftspolitisches - Programm tragen und vorantreiben können, durchsetzen. Die chilenische Entwicklung seit Mitte der 80er Jahre hat hierfür günstige Bedingungen geschaffen. Die entscheidenden Schritte sind jedoch noch zu tun.

Werner Kamppeter:
Die europäische Integration und der Preis des Friedens
(Original: European Integration and the Price of Peace)

Die Europäische Union ist eine Friedensgemeinschaft geworden. Interessenkonflikte werden auf dem Verhandlungswege nach verbindlichen und von allen akzeptierten Verfahren ausgetragen. An die Stelle der früheren Kriegskultur ist eine neue Verhandlungskultur getreten. Diese hat sich im Institutionengefüge der Europäischen Gemeinschaft entwickelt, das von Anfang an von der Integrationsmethode Jean Monnets geprägt war: Durch die Gleichheit der Mitgliedstaaten und die Übertragung von Souveränität auf Gemeinschaftsinstitutionen sollte Transparenz hergestellt und die Kontrolle aller durch alle ermöglicht werden. Der Verhandlungsbedarf zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen den Institutionen der Gemeinschaft entwickelte sich dynamisch und wurde immer umfassender. Diese "funktionalistische" Integration der Regierungseliten macht den Krieg zwischen den Ländern, die sie vertreten, strukturell unmöglich und kann sogar als eine sicherere Friedensgarantie gelten als die Demokratie. Die Effektivität der Verhandlungen ist hingegen kein Erfolgskriterium. Im Gegenteil: EU-Verhandlungen sind schwerfällig, langwierig und bringen, wie alle Kompromisse, doch nur zweit- und drittbeste Lösungen hervor. Doch gerade das schafft immer wieder neuen Verhandlungsbedarf und sichert dadurch die "europäische Friedensarchitektur". Ebensowenig kann die Steigerung wirtschaftlicher Effizienz als Erfolgskriterium gelten: Der Markt ist geradezu Garant der Autonomie und Unabhängigkeit wirtschaftlicher Akteure. Er trennt und er kann deshalb keine politischen oder andere Gemeinschaften schaffen. Rein marktwirtschaftliche Integration gefährdet eher die politische Integration, deren Wesen Kompromiß und Ausgleich sind, und untergräbt ihre Legitimation. Deshalb kann man auch nicht erwarten, daß politische Integration zu wirtschaftlichen Vorteilen führt. Ein größerer Wirtschaftsraum ist zwar weniger anfällig gegen äußere Störungen, doch sind auch größere Anstrengungen zum Erhalt des inneren Zusammenhalts und ausreichender Legitimität erforderlich. Bezeichnenderweise sind kleine Länder meist wirtschaftlich erfolgreicher. Auch hier gilt: Der Frieden hat seinen Preis. Größe bedeutet Macht gegen kleinere und Gegenmacht gegen größere Länder. Die EU und ihre Mitgliedstaaten verstehen es schon jetzt recht gut, aus der wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeit kleiner und schwacher Staaten Vorteile zu ziehen. Und die EU träumt davon, dem US-Hegemonen ein gleichwertiger Partner zu werden. In Wirklichkeit droht sie dadurch die alte europäische Krankheit des "Gleichgewichts der Mächte" auf globaler Ebene wieder aufleben zu lassen. Der Gegenmachtgedanke paßt auch nicht dazu, daß man auf internationaler Ebene - ganz im Sinne Jean Monnets - längst begonnen hat, an Institutionen und Regeln zu zimmern, die Macht generell, letztlich auch Hegemonialmacht, einschränken und schwache Länder vor ihr schützen.

 

Alfred Pfaller:
Soziale Demokratie in der globalisierten post-industriellen Gesellschaft
(Original: Social Democracy in the Globalized Post-industrial Society)

Demokratische Rechtsstaaten sind "sozial" in dem Maße, wie sie allen Bürgern eine angemessene Teilhabe am nationalen Wohlstand ermöglichen. In den 1960er und 70er Jahren kamen mehrere kapitalistische Industriestaaten diesem Ziel nahe. "Wohlstand für alle" stützte sich auf vier Säulen: (a) Vollbeschäftigung zu akzeptablen Löhnen (b) Absicherung gegen die Standardrisiken des Lebens (c) Einkommenshilfen für die von Armut Bedrohten (d) unentgeltliche öffentliche Dienstleistungen (insbesondere Bildung). Heute steht die Aufrechterhaltung von "Wohlstand für alle" vor vier großen Herausforderungen: (1) verschärftem internationalen Wettbewerb, (2) Knappheit an hinreichend gut entlohnten Jobs, (3) der Alterung der Gesellschaft, (4) zunehmend unregelmäßigerem Arbeitsleben. Es geht aber nicht nur um materiellen Wohlstand, sondern auch um den Schutz der "Lebenswelt" vor den Anforderungen des Marktes. Dies wird sowohl durch die Veränderungen des Arbeitslebens als auch durch die Erosion der traditionellen Familienfunktionen infrage gestellt. "Wohlstand für alle" läßt sich angesichts aller vier Herausforderungen weiterhin (bzw. wieder) erreichen, wenn die wohlfahrtsstaatlichen Mechanismen sinnvoll angepaßt werden. Angesichts verschärfter internationaler Konkurrenz gilt es, das Prinzip zu stärken, daß soziale Absicherung und Solidarität mit den Schwächeren keine Frage wirtschaftlicher Verkraftbarkeit, sondern politischer Prioritätensetzung ist. Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen verschleiern dieses Prinzip. Die Knappheit an "gut" bezahlten Jobs ließe sich am besten durch beschleunigtes Wirtschaftswachstum beheben. Dieses ist anzustreben, aber Vollbeschäftigung ohne "working poor" läßt sich auch bei langsamem Wachstum auf drei Wegen erreichen: (1) Zulassung eines Niedriglohnsektors durch Deregulierung des Arbeitsmarktes plus Einkommenshilfen bzw. Lohnsubventionen, (2) steuerfinanzierte Ausweitung staatlicher Beschäftigung, (3) Umverteilung der Arbeit. Keine der drei Lösungen ist freilich gratis zu haben. Die Alterung der Gesellschaft macht die Altersvorsorge teurer, ganz gleich welches Finanzierungssystem gewählt wird. Es liegt an den Bürgern, zu entscheiden, wieviel Vorsorge sie sich kollektiv oder individuell leisten wollen. Die "soziale" Demokratie steht hier nicht auf dem Spiel. Die "Entstandardisierung" des Arbeitslebens legt eine Entkopplung von sozialer Absicherung und Beschäftigung nahe. Im Interesse einer geschützten "Lebenssphäre" wären ihr allerdings auch Grenzen zu setzen. Auch hier geht es nicht um ökonomische Notwendigkeiten, sondern um Prioritätensetzung. Die Erosion der traditionellen Familienfunktionen (weitgehend der emanzipatorischen Eigendynamik der Moderne geschuldet) läßt sich - zumindest teilweise - durch durchlässigere Berufskarrieren (stärkere Anpassung der Arbeits- an die Lebenswelt) und öffentliche Kinderbetreuung kompensieren. Jeder der genannten Herausforderungen kann auf nationaler Ebene begegnet werden. Supranationale Lösungen sind evtl. hilfreich, aber nicht notwendig. Die eigentliche Frage ist, ob sich hinreichende politische Unterstützung für die notwendigen Anpassungsmaßnahmen mobilisieren läßt oder ob die Gesellschaft bereit ist, eine große Anzahl von Modernisierungsverlierern hinzunehmen. Die irreführende Ideologie "Chancen- statt Ergebnisgleichheit" begünstigt letzteres.

Winfried Veit:
Der Nahe Osten auf dem Weg zum Frieden

Mit der Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen zwischen Israel und Syrien und dem – wenn auch mühseligen – Voranschreiten der Gespräche mit den Palästinensern über eine definitive Friedensregelung hat Israels Ministerpräsident Ehud Barak dem Friedensprozeß im Nahen Osten neue Impulse verliehen. Erstmals taucht zaghaft am Horizont wieder Hoffnung auf, der über 100 Jahre alte blutige Konflikt zwischen Juden und Arabern könnte zu Beginn des neuen Millenniums zu einem Ende kommen. Diese Hoffnung gründet sich auf eine mittlerweile erheblich veränderte Konstellation von Interessen und Optionen. Israels Sicherheit ist heute weit weniger an die Kontrolle bestimmter Landstriche, sondern fast ausschließlich an waffentechnische Überlegenheit gebunden. Außerdem hat Israel eine große Friedensdividende zu erwarten: Es könnte, gestützt auf ein friedliches Umfeld, seine Beziehungen vor allem zu Europa und dem Mittelmeerraum, in wirtschaftlicher Hinsicht auch zu Asien, ausbauen. Für Palästinenserführer Arafat engt sich das Feld der Optionen zunehmend ein. Die Perspektive eines Friedens der Syrer mit Israel (gegen Rückgabe der Golanhöhen) droht den radikalen Friedensgegnern im palästinischen Lager die arabischen Verbündeten zu entziehen. Palästina gerät dann unter sehr starken Druck, einen Friedensschluß zu erreichen. Doch die veränderten strategischen Kriterien garantieren noch keinen Durchbruch für Baraks Strategie. Zwischen Israel und den Palästinensern geht es auch bei beidseitiger Friedensbereitschaft um existentielle Fragen; denn immer mehr Menschen drängen sich auf immer knapper werdendem Land mit abnehmenden Ressourcen (vor allem Wasser). Dazu kommt der religiös überhöhte Anspruch beider Seiten auf heilige Stätten in dem Land zwischen Jordan und Mittelmeerküste, der den Konflikt zusätzlich verschärft. Aber auch mit Syrien sind eine Reihe äußerst komplizierter Probleme zu lösen, die elementare Sicherheitsinteressen Israels auf der einen Seite und das bisherige Selbstverständnis Syriens auf der anderen Seite berühren. Gefahr für den Frieden droht zudem im Inneren. Die von Barak versprochenen Volksabstimmungen über mögliche Friedensabkommen mit Syrien und den Palästinensern müssen erst noch gewonnen werden. Die Gegenkräfte machen bereits mobil.

 

Jan Martin Witte / Wolfgang Reinicke / Thorsten Benner:
Problemlösungen jenseits multilateraler Organisationen : Globale Politiknetzwerke
(Original: Beyond Multilateralism: Global Public Policy Networks)

Regierungen und internationale Organisationen sind heute immer weniger in der Lage, komplexe globale Politikaufgaben erfolgreich wahrzunehmen. Ihre Problemlösungsfähigkeit hinkt den Anforderungen hoffnungslos hinterher. Es entsteht eine zunehmende Kompetenzlücke und gleichzeitig eine Partizipationslücke, weil die demokratisch legitimierten Problemlösungsstrukturen immer mehr an Relevanz verlieren. Ein Mechanismus der Problemlösung im internationalen Raum, der beide Lücken ausfüllen könnte, sind trilaterale Politiknetzwerke, in denen staatliche Stellen (bzw. die von ihnen autorisierten interstaatlichen Organisationen), Vertreter der Wirtschaft und zivilgesellschaftliche Organisationen lose, aber dennoch ergebnisorientiert, zusammenarbeiten. Diese Netzwerke verbinden die moralische Energie der zivilgesellschaftlichen Organisationen mit den materiellen Ressourcen und den Interessen der Wirtschaft und der regelsetzenden Gewalt der Staaten und ihrer internationalen Organisationen. Sie bringen auch die völlig unterschiedlichen "Kulturen" der drei Sphären zusammen. Die dadurch entstehenden Synergien ermöglichen es den Politiknetzwerken, effektiver auf neue Problemlagen zu reagieren. Sie können die in Organisationskulturen verfestigten Denkweisen innovativ aufbrechen. Weil sie ergebnis- und nicht prinzipienorientiert vorgehen, können sie trotz konträrer Interessenlagen der Partner einen konstruktiven Suchprozeß nach Lösungen in Gang setzen. Und sie können - gerade aufgrund der Berücksichtigung unterschiedlichster Interessen - eine breite Akzeptanz der ausgehandelten Kompromisse zuwege bringen. Globale Politiknetzwerke dienen dazu, (a) neue Fragen auf die "globale Tagesordnung" zu setzen, (b) das Aushandeln globaler Regeln und Standards aus festgefahrenen Gegensätzen zu befreien und voranzubringen, (c) lösungsrelevantes Wissen zusammenzutragen und zu verbreiten, (d) Märkte für problemlösende Produkte zustandezubringen, (e) offizielle internationale Beschlüsse auf innovative Weise durchzusetzen (f) kooperationsförderndes Vertrauen zwischen zunächst eher antagonistischen Parteien zu schaffen. Politiknetzwerke entstehen aus neuen Problemlagen heraus, aber sie sind keine Selbstläufer. Ihr Erfolg hängt an kompetentem Management und oft am hohen persönlichen Einsatz individueller "Netzwerkunternehmer". Dabei kommt es u.a. darauf an, ergebnisorientierte Effizienz mit akzeptanzorientierter Einbindung aller Parteien abzugleichen. Politiknetzwerke ersetzen keineswegs die traditionellen politischen Autoritäten und ihre internationalen Organisationen. Sie befähigen diese vielmehr dazu, ihre Aufgaben effektiver wahrzunehmen.

 


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