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Politik und Gesellschaft Online
International Politics and Society 1/1999

HANS W. MAULL
Zusammenfassung: Ursachen und Implikationen der Ostasienkrise (Original: Crisis in Asia: Origins and Implications)

Vorläufige Fassung / Preliminary version

In gewisser Hinsicht ist die Währungskrise Ostasiens eine Krise des kapitalistischen Weltfinanzsystems. Durch die Loslösung internationaler Finanzströme von realwirtschaftlichen Finanzierungszwecken ist die Entscheidung über Stabilität und Krise in die Hände von Finanzinvestoren gelegt worden, die latent zu Herdenverhalten und Panikreaktionen neigen bzw. damit spekulieren. Es fehlt an Regeln, die einer Krisendynamik rechtzeitig entgegenwirken. Wir stehen aber auch vor einer Krise des ostasiatischen Entwicklungsstaates, dessen enge Verbindungen zwischen Staat, Banken und Privatunternehmern dem unkontrollierten Aufbau unsolider Verschuldenspositionen Vorschub leisten, zumal im Kontext einer prinzipiell auf Expansion gerichteten Wirtschaftspolitik. Dieses Syndrom kennzeichnet gleichermaßen Demokratien und Diktaturen der Region. Die Wiedergewinnung wirtschaftlicher Dynamik hängt jetzt auf absehbare Zeit von dramatischen Exportsteigerungen ab. Die OECD-Länder werden diese aber nur akzeptieren, wenn sich Ostasien als Gegenleistung an die Spielregeln einer neoliberalen Weltwirtschaftsordnung hält. Die damit verbundene Öffnung gegenüber ausländischer Konkurrenz und ausländischem Kapital erfordert tiefgreifende Veränderungen in den ostasiatischen Gesellschaften. Alte Machtstrukturen müssen aufgelöst, der Einfluß des Staates zurückgedrängt werden. Dies läuft im Prinzip auf mehr Demokratie und Pluralismus hinaus. Gleichzeitig führt aber kein Weg daran vorbei, die wirtschaftlichen Aspirationen breiter Bevölkerungsschichten zu enttäuschen. Die Reformmaßnahmen werden nicht populär sein. All dies läßt auf mittlere Frist eher politische Turbulenzen erwarten, die auch in interethnische und zwischenstaatliche Konflikte münden können. Xenophobischer Nationalismus dürfte zunehmen. Für den Rest der Welt ist es wichtig, daß die ostasiatischen Wirtschaften schnell wieder zu wachsen beginnen. Zu diesem Zweck müssen die Wechselkurse nachhaltig stabilisiert, die Schuldenlasten drastisch vermindert und die Kreditflüsse wieder aktiviert werden. Die Industrieländer müssen mithelfen, indem sie Schulden abschreiben und ihre Märkte für ostasiatische Waren offen halten. Japan muß seine Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs bringen. Darüber hinaus muß das internationale Finanzsystem durch angemessene Regeln und eine Stabilisierung der Wechselkurse krisenfester gemacht werden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition bb&ola | Februar 1999