HOME MAIL SEARCH HELP NEW



Politik und Gesellschaft Online
International Politics and Society 1/1999

DIETMAR DIRMOSER
Zusammenfassung: Dynamische Stagnation in Cuba

Vorläufige Fassung / Preliminary version

Von einer politischen Reform ist der Inselstaat weiter entfernt denn je, die Wirtschaftsreform stagniert, und nicht einmal der Spielraum der Kirche ist heute nennenswert größer als vor dem Papstbesuch zu Jahresbeginn. Der Ruf nach Demokratie, Meinungs- und Diskussionsfreiheit ist politisches Dynamit. Massenorganisationen, Komitees und Wahlprozesse bieten zwar auf der unteren Ebene vielfältige Möglichkeiten der politischen Beteiligung. Doch alle relevanten Entscheidungen behält sich eine Elite vor, die durch Wahlen nicht austauschbar ist. Die Isolierungspolitik der USA ist obsolet geworden. Sie funktioniert nicht einmal mehr bei den karibischen Kleinstaaten. Inzwischen gehören bei fast allen westlichen Staaten Cuba-Kontakte zur außenpolitischen Routine, ein Wandel, der sich in wenigen Monaten vollzog. Gute politische Beziehungen zahlen sich für die Unternehmer in der Regel aus: spanische, französische und britische Wirtschaftsdelegation erreichten notable Geschäftsabschlüsse; Kanada baut seine Position als größter Investor und einer der wichtigsten Handelpartner Cubas kontinuierlich aus. Viele US-Unternehmer halten die Sanktionspolitik im allgemeinen und das Cuba-Embargo im besonderen schlicht für Geschäftsschädigung. Sie wollen nicht länger zusehen müssen, wie andere in Cuba die Filetstücke untereinander aufteilen. Der innere und äußere Druck auf die US-Regierung, ihre Cuba-Politik zu modifizieren, hat zugenommen. Währenddessen sind die Marktelemente in der cubanischen Ökonomie, die 1993 und 94 eingeführt wurden und den wirtschaftlichen Zusammenbruch verhinderten, unter Beschuß geraten. Weil die konservativen Kräfte Cubas in ihnen eine Bedrohung des Regimes sehen, wurde die Wirtschaftsreform abgebremst. Dabei sind selbst cubanische Ökonomen der Meinung, daß die Krise nur durch einen beschleunigten wirtschaftlichen Umbau überwunden werden kann. Dies signalisieren auch die makroökonomischen Indikatoren. Die externe Finanzklemme hat sich zugespitzt, vor allem wegen der katastrophalen Zuckerernte von 1998. Sicher wird sich Cuba vorerst weiter "durchwursteln". Doch mit jedem schlechten Jahr steigen die sozialen Kosten, und die Geduld der Bevölkerung ist keine unerschöpfliche Ressource.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition bb&ola | Februar 1999